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Der Mubarak-Prozess wird neu aufgerollt, wurde Mitte Jänner entschieden. Die Anhänger des Ex-Diktators jubelten.

Foto: APA/EPA/Elfiqi

Noch bis Samstag ist die Kairoer Buchmesse geöffnet. Sie ist eines der wichtigsten kulturellen Ereignisse in der arabischen Welt und ein fester Bestandteil im Jahreskalender vieler ägyptischer Familien. Aber dieses Jahr war anders. Wegen der neuen Unruhen verzichteten viele auf einen Besuch. Die sonst überfüllten Hallen blieben weitgehend leer, gekauft wurde nur wenig. Sogar die "Revolutionsliteratur" blieb in den Regalen liegen. "Die Leute fangen an, Politik und die Revolution zu hassen", sagte ein Händler zu einer lokalen Zeitung.

Die Stimmungsschwankungen in den zwei Jahren seit der Revolution sind extrem. Angst und Hoffnung wechseln in schnellen Schüben im Rhythmus der Ereignisse auf der Straße. Psychischer Stress ist eine der Folgen. 17 Prozent der Ägypter leiden unter emotionalen Störungen, zehn Prozent unter Angstzuständen, hat eine Studie des Psychologie-Zentrums an der Kairoer Ain-Shams-Universität ergeben. Auch Lehrer berichten über ständig gestresste und unkonzentrierte Schüler. Sich von den gewalttätigen Szenen in den Medien zu lösen, Musik zu hören oder sich eine Komödie anzusehen raten deshalb Psychologen.

Kairoer meiden das Stadtzentrum

Shopping wäre eine weitere Möglichkeit, sich abzulenken. Das gelingt aber nur in Einkaufszentren an der Peripherie der 18-Millionen-Metropole. Im Stadtzentrum locken Geschäfte mit 70 Prozent Rabatt für ihre Winterkleider. Dennoch kommt niemand, obwohl in diesen Tagen die Umsätze sprudeln sollten. Die Nähe zum Tahrir-Platz, wo die Proteste inzwischen völlig unberechenbar geworden sind, hat zur Folge, dass das Stadtzentrum gemieden wird.

Eine andere Facette der Krise zeigt sich auf den Gehsteigen und Plätzen, die zu einem richtigen Zirkus geworden sind. Tausende Straßenhändler, die jeden Tag mehr werden, bieten ihre Waren zu Billigpreisen feil und sind eine zusätzliche, unerwünschte Konkurrenz für die normalen Geschäfte. Behörden und Polizei sind ziemlich machtlos. Sie haben angesichts einer von neun auf 13 Prozent gestiegenen Arbeitslosigkeit Angst, durchzugreifen und den Straßenhändlern ihren mageren Broterwerb wegzunehmen.

Brüche in der Biografie

Stellvertretender Food-and-Beverage-Manager in einem Fünf-Sterne-Hotel in Sharm el-Sheikh und jetzt Taxifahrer in Kairo: Solche Brüche in der Biografie wie beim 30-jährigen Ahmed sind keine Seltenheit. Zu Hause bleiben könne er nicht, meint er, und er sei zufrieden, dass er mindestens an einigen Tagen etwas verdiene. "Dass die Leute in wenigen Monaten wirklich Hunger haben, davor habe ich Angst", sagt ein Hotelier.

Die Wirtschaftskrise ist der Hauptgrund, weshalb immer mehr Ägypter ganz offen von der "guten alten Zeit" unter Hosni Mubarak schwärmen. Sie haben kein Gehör für Politologen, die Vergleiche mit den Umstürzen in Osteuropa anstellen und erklären, dass die Durststrecke nach Revolutionen viele Jahre dauern kann, und Geduld einmahnen. Zwei Jahre nach Mubaraks Sturz ist die Ernüchterung groß, dass von den Forderungen der Revolution des 25. Jänner nach "Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit" noch kaum etwas umgesetzt ist. (Astrid Frefel aus Kairo, DER STANDARD, 8.2.2013)