Manche Formulierung verdeckt mehr, als sie ausdrückt. Das Motto des jetzt präsentierten Entwurfs für die Novelle des Einbürgerungsgesetzes ist eine solche: "Staatsbürgerschaft durch Leistung" lautet die Überschrift auf dem vom ÖVP-Integrationsstaatssekretariat stammenden Begleitpapier.
Das zielt primär auf besonders qualifizierte Einbürgerungswerber ab, die künftig schon nach sechs und nicht erst nach zehn Jahren die Möglichkeit haben sollen, Österreicher zu werden: auf eine kleine, elitäre Gruppe Gutbezahlter und Bildungsaffiner - während den vielen anderen wie schon bisher, so auch in Zukunft, Leistungsnachweise abverlangt werden sollen, die durchschnittliche Migranten nur schwer erfüllen können.
Doch sogar viele Einheimische wären von den unverändert hohen Einkommenshürden überfordert - und manche vielleicht auch von den verlangten Deutschkenntnissen in Wort und Schrift. Wären sie nicht bereits Österreicher, sie würden es nur schwer - und hätten damit keinen Zugang zu Staatsbürgerschaftsrechten.
Sie wären auf lange Sicht ausgeschlossen, so wie viele Einwanderer heute. Weil der Gesetzesentwurf, der von Leistung spricht, in Wirklichkeit Ausschluss bedingt. Und zwar - abgesehen von den verlangten Einkünften - auch durch eine im europäischen Vergleich strenge Mixtur von hohen Sprachanforderungen und extrem langen Wartezeiten. Wobei man bei Letzteren überdies leicht riskiert, nach dem Prinzip "Mensch ärgere dich nicht" wieder an den Start zurückgeschickt zu werden, etwa wenn man beruflich kurz ins Ausland muss.
Stichwort Sprachkenntnisse: Laut einer 32-Staaten-Studie des Europäischen Hochschulinstituts im italienischen Florenz stellten hier im Jahr 2010 sechs Länder überhaupt keine Anforderungen. In sieben gab es informelle Überprüfungen, etwa Gespräche mit den für die Einbürgerung zuständigen Beamten, in 19 formalisierte Tests - darunter in Österreich. Mit dem dabei verlangten Sprachniveau wiederum - B1 - befindet sich die Alpenrepublik im oberen Mittelfeld.
Stichwort Fristen: Mit der Regeleinbürgerung nach zehn Jahren - die Sechs-Jahre-Neuerung wird laut Experten nur für sehr wenige eine Option sein - ist Österreich mit fünf anderen Staaten unter den schärfsten; Länger lässt nur die Schweiz ihre Einbürgerungswerber warten. Die meisten Länder akzeptieren Staatsbürgerschaftsanträge nach fünf Jahren, Irland nach vier, Belgien sogar schon nach drei.
Damit hat man in diesen liberaler agierenden Staaten einen Schritt in Richtung Umdenken gewagt: hin zum Einwanderungsstaat, in dem Politik und Verwaltung akzeptieren, was gesellschaftlich in ganz Europa schon des Längeren Stand der Dinge ist. Sie kommen den Migranten entgegen, indem sie ihnen in absehbarer Zeit eine Option eröffnen, zu Einheimischen mit allen Rechten zu werden.
Und damit auch deren Kindern und Kindeskindern, die in Österreich vielfach bis in die dritte Generation Ausländer bleiben - egal, ob sie hier geboren wurden und ihr ganzes Leben verbracht haben. Dass deshalb immer mehr Mitbürger kein Wahlrecht haben, ist wohl ein Grund für das Beharren der Regierungspolitik auf dem Einbürgerungs-Fernhaltekurs: Das Staatsbürgerschaftsgesetz muss ja nicht den Ausländern, sondern den potenziellen Wählern, den Inländern, gefallen. (Irene Brickner, DER STANDARD, 7.2.2013)