Tausende kleine Kanäle setzen die Reisfelder in Vercelli von April bis Juli unter Wasser.

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Wenn von Reisfeldern die Rede ist, denkt man spontan an den Fernen Osten. Dass nur 400 Kilometer südwestlich von Bregenz das größte Reisanbaugebiet Europas liegt, ist kaum jemandem bewusst. Dabei werden in Italien - vor allem im Piemont, der Region am oberen Po rund um Turin - jährlich mehr als elf Millionen Doppelzentner Reis in über 100 Sorten angebaut, darunter die berühmten Risottosorten Arborio, Carnaroli, Baldo und Vialone Nano.

Richtig, "Bitterer Reis", wird jetzt manch eine(r) denken: Dino de Laurentiis' Film zeigte 1948 die harten Lebensbedingungen der ArbeiterInnen auf den Reisfeldern - und Silvana Magnano skandalös viel nacktes Bein. Heute geschieht das Setzen der Reiskeimlinge maschinell, und geerntet mit dem Mähdrescher.

Der Reisanbau hat in Italien eine lange Tradition: Mitte des 13. Jahrhunderts brachten Zisterziensermönche die ersten Reispflanzen aus Asien über Frankreich nach Nordwestitalien. Rund 200 Jahre später wurde der erste Bewässerungskanal gebaut - in der Region Lomellina war deren Architekt niemand Geringeres als Leonardo da Vinci. Denn Reis braucht viel Wasser, 3000 bis 20.000 Liter pro Kilo. Im Piemont führen die Flüsse Sesia und Dora Baltea das Schmelzwasser vom Mont Blanc und dem Monte Rosa, das besonders sauber und daher von den Anbau von Bio-Reis ideal geeignet ist.

Nach dem Vorbereiten des Bodens im Frühling werden Anfang Mai die Felder geflutet, ehe die vorgekeimten Reiskörner ausgesät werden. Dank dem Wasser, das die Hitze des Tages für die noch kühlen Nächte speichert, sprießen schon bald die grünen Halme, an denen sich blühende Rispen entwickeln, die jeweils bis zu 100 Körner bilden können. Wenn im Juli die Körner zu reifen beginnen, werden die Felder trocken gelegt, und Ende August beginnt die Erntezeit. Pro Hektar kann ein Bauer - abhängig von der Sorte - zwischen 60 und 75 Doppelzentner Reis erwirtschaften.

Um die Reiskörner genießbar zu machen, müssen sie geschält werden. Ist die äußerste Hülle abgerieben, hat man Vollkornreis; die Schale wird zur Energiegewinnung verbrannt. Aus der dünneren zweiten und dritten Schale wird Öl gepresst, der Rest als Tierfutter oder zur Puderherstellung verwendet.

Übrigens: Die als Wildreis bezeichneten langen, schwarzen Körner sind kein Reis, sondern die Samen einer amerikanischen Wasserpflanze. (Marie-Therese Gudenus, DER STANDARD, Printausgabe vom 5.7.2003)