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Einkaufen: Was den einen freut, treibt andere zum Wahnsinn.

Foto: AP/Ederer

Programmierer Darius Kazemi ist eigentlich Spieleentwickler. Wie es sich für seine Generation gehört, kauft er gerne online ein. Und weil er auch in Sachen Technik firm ist und ein besonders ausgeprägtes Interesse für spielerische Zugänge hat, fiel ihm zum Thema Shopping etwas Zeitgemäßes ein. Einkaufen ist mittlerweile im Hause Kazemi Sache des Computers.  Der Bostoner erfand einen Algorithmus, wonach täglich ein Gegenstand bei Amazon erstanden wird. Bestellt wird, was der Zufall will: Bücher, CDs, DVDs.

Die Welt des Online-Shoppings stellt Kazemi damit auf den Kopf.  Der Zufall hat im Online-Handel – wie jeder Online-Shopper weiß - kaum etwas verloren. Wer ein Gut sucht, dem werden Produkte vorgeschlagen, die dem ähneln, was er sonst auch kauft. Oder die Menschen wie er kaufen. "Menschen, die diesen Artikel kauften, interessierten sich auch für..." – lautet der geflügelte Satz.  Immer dasselbe für sich ähnelnde Menschen – vielleicht werden die Menschen aber auch immer ähnlicher, weil sie sich möglicherweise auf dieses eingeschränkte Sichtfeld – die sogenannte Filter Bubble – beschränken lassen?

Geheimnisvolle Einkäufe

Darius Kazemi kann das jedenfalls nicht passieren. Erst wenn ein Päckchen vor dem Haus steht, weiß er, worauf die Wahl der Maschine gefallen ist. Ob er das Erstandene braucht oder nicht, ist hier nicht die Frage. Manchmal hat er sogar vergessen, dass er etwas zu erwarten hat. Dann freut sich der Mann umso mehr.  Dass Kazemi mit Begeisterung bei der Sache ist, beschreibt er in seinem Blog: Die erste Lieferung hat etwa zwei geheimnisvolle Pakete umfasst. Eines davon beinhaltete gehaltvolle Geistesnahrung in Form von Noam Chomskys Buch "Cartesianische Linguistik".

50 Dollar pro Monat umfasst das Einkaufsbudget - in Form eines Geschenkgutscheins, das einem eigenen Konto gutgeschrieben wird. Kurz gefasst geht die Sache so: Der von dem US-Amerikaner programmierte "Amazon Random Shopper" sucht sich einen zufälligen Begriff und durchsucht dann den Online-Shop nach diesem Wort. Dann scannt der "Einkaufsbeauftragte"  die Ergebnislisten nach Büchern, CDs und DVDs. Gekauft wird der erste Artikel, der innerhalb des Budgetrahmens liegt. Bleibt vom Betrag etwas übrig, beginnt die Sache von vorn: Wort suchen, bei Amazon eingeben, Ergebnisliste durchsuchen - bis das Geld verbraucht ist.

Biblisches, Skurriles und Gehaltvolles

Nicht jedem leuchtet dieses ganz spezielle Konsumverhalten ein. 50 Dollar gebe er für Klumpert aus, lautet da so manche Kritik. Miete könne man davon bezahlen oder anderes existenzielles wie Nahrung. Kazemi aber lässt sich den Spaß nicht verderben: Wenn er daran denke, welche Bücher er bei den Testläufen angezeigt bekommen hätte, Biblisches, Skurriles, Absurdes "dann freue ich mich darüber, dass ich ein Buch bekommen habe, das ich vielleicht sowieso hätte lesen wollen." Konsumkritik wohnt dem Projekt, das eigentlich als Kunstprojekt gedacht ist, laut seinem Schöpfer inne. Den kritischen Stimmen hält er seine Ideen zum Shopping entgegen: "Ein Kerngedanke des Projekts ist die Annahme, dass die Zufallsdinge, die ich bekomme, nicht viel besser oder schlechter sind als das, was ich mir selbst aussuche."

Glaubt man Kazemis Blogeinträgen, dann ist für ihn auf diese Weise das Einkaufserlebnis perfekt. Das zweite Päckchen der ersten Lieferung enthielt eine CD mit schwarzem Cover. Keine Assoziationen irgendwelcher Art hätte sie bei ihm hervorgerufen. Die Begeisterung ob des maschinell erworbenen Produkts stellte sich dennoch sehr bald ein. "Ich kann Euch sagen: Die Spannung war greifbar. Es passiert nicht oft, dass ich eine CD bekomme und nicht einmal eine Idee davon habe, was drauf ist - und aus dem Cover nicht einmal Rückschlüsse ziehen kann", schreibt er im Blog. Es war eine CD mit elektronischer Musik vom Künstler Ákos Rózmann, dessen Werk er wohl von allein kaum kennengelernt hätte.

Kazemi freut sich übrigens über Spender, die sein Experiment unterstützen - mit einem Amazon-Geschenkgutschein zum Beispiel. Auch den Zweck der Spende benennt er ganz genau: "Der gesamte Erlös wird dafür verwendet, wahllosen Schrott zu kaufen." (rb, derStandard.at, 6.2.2013)