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Die Wetter-App soll verhindern, dass man im Regen steht.

Foto: AP

"Schutz-Engel-Dienst" - diese Bezeichnung klingt zwar nicht wie ein Terminus technicus, ist aber der Fachausdruck für Technologien, die über eine Person wachen und im Bedarfsfall vor Gefahren warnen. Am besten geschieht das unauffällig und automatisch, "wie eine eigenständige Persönlichkeit", meint Dietmar Bauer, Mobilitätsforscher am Austrian Institute of Technology (AIT).

In seinem aktuellen Forschungsprojekt "Wetter-Provet" arbeitet Bauer an der Basis zur Entwicklung eines solchen technischen Schutz-Engels. Der Dienst soll alltägliche Wege aufzeichnen und situationsbedingt Wetterinfos bereitstellen, die den Benutzer dazu bringen könnten, von seiner Gewohnheit abzuweichen und ein anderes Transportmittel oder eine andere Route zu wählen oder seine Abfahrt zu verschieben.

Der Schutz-Engel soll in Form einer Smartphone-App über den Benutzer wachen. Im Hintergrund werden via GPS alle Wege, Verkehrsmittel und Fahrtzeiten aufgezeichnet und damit ein "persönliches Mobilitätsprofil" erstellt, in dem nicht nur Wege der täglichen Routine, wie morgens in die Arbeit und abends nach Hause, sondern auch, wie etwa bei Herrn Bauer selbst, das Basketballspielen Dienstagabend automatisch vom System erkannt und gespeichert werden. So weiß das System nach wenigen Wochen, wann welche Route bevorsteht.

Verkehrsmittel wie Auto, Zug, Bus, U-Bahn und Straßenbahn genauso wie Fahrrad- oder Fußwege werden dabei erkannt. Bei dieser Detektion auf Schritt und Tritt ist es den Entwicklern "sehr wichtig, dass die User immer im Griff haben, was die Applikation mit ihnen macht", sagt Bauer. So werden die Daten nicht auf einem externen Server, sondern lokal am Smartphone gespeichert. Per On/Off-Taste kann jederzeit die Routenaufzeichnung gekappt werden - wenn man etwa einen bestimmten Weg nicht speichern will oder schlicht, um den Akku zu schonen.

Gegen Chaos in der Routine

Wenn die App in Betrieb ist, stellt sie automatisch Wetterinformationen zur Verfügung, die die tägliche Routine durcheinanderbringen könnten. So könnte der User bei der Warnung vor Starkregen dazu animiert werden, auf ein anderes Verkehrsmittel umzusteigen - oder früher loszufahren. Auch positive Wetterereignisse können das Verkehrsverhalten beeinflussen: Wenn die Applikation beispielsweise registriert, dass jemand nur an regenfreien Tagen aufs Rad steigt, würde sie an einem trüben Morgen Bescheid geben, dass sich die Wolken demnächst lichten werden.

Die große technische Herausforderung bei der Entwicklung des Schutz-Engel-Dienstes ist, dass diese Informationen nicht beliebig zur Verfügung gestellt werden, sondern punktgenau in Situationen, in denen sie die Wahl von Verkehrsmittel, Route oder Abfahrtszeit tatsächlich beeinflussen könnten. Wegen des Basketballtrainings ist bei Herrn Bauer jeder Dienstag Auto-Tag, da möchte er kein SMS bekommen, dass die Sonne scheint. "Oder wenn jemand kein Auto hat, kann ich ihm nicht vorschlagen, mit dem Auto zu fahren", sagt Bauer - und genau das versucht er der Applikation auch beizubringen.

Wenn der Prototyp der App entwickelt ist, könnten in weiterer Folge neben dem Wetter auch Informationen zu Verkehrsstörungen wie Staus, Unfälle oder Baustellen einbezogen werden.

Wetter-Provet wird im Rahmen der Förderschiene ways2go von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG finanziert, die die Entwicklung sogenannter intelligenter Verkehrssysteme unterstützt. "Intelligent" meint dabei, dass verkehrsbezogene Daten erfasst werden, was meist mit modernen Informationstechnologien wie GPS oder Webcams geschieht. Auf Basis dieser Daten soll der Verkehrsfluss so gelenkt werden, dass Staus oder Unfälle vermieden werden können.

Neben dem AIT sind an Wetter-Provet der Wetterdienst Ubimet und die Softwarefirma Fluidtime beteiligt. Das Projekt ist im Oktober angelaufen. 2015 könnte die Schutz-Engel-App für den breiten Gebrauch zur Verfügung stehen. (Tanja Traxler, DER STANDARD, 06.02.2013)