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Auf Facebook ereilt den Traditionsbetrieb dieser Tage eine Welle der Solidarität.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Andreas Heindl hat es versucht. Immer wieder habe er sich in den vergangenen Jahren um die Übernahme der Schwedenbombe bemüht. "Es würde mir viel Spaß machen." Zumal es auf dem Markt für Schaumküsse nichts Besseres gebe. Aber da die Eigentümer dies bisher ablehnten, sei eben nichts zu machen, sagt der Confiseur.

Heindl und sein Bruder zählen zu Österreichs letzten Süßwarenherstellern in Familienhand. 2006 erwarben sie Pischinger, 130 Mitarbeiter setzen 14 Millionen Euro um. Er habe die Bomben einst zu Hunderttausenden in seine 30 Filialen aufnehmen wollen, um sie nicht im Ausland zu minderer Qualität kaufen zu müssen. Auch das sei ausgeschlagen worden.

Heindl ist nicht der einzige, der Appetit auf Niemetz hat. Auch der Mühlviertler Süßwarenspezialist Kastner ist am Wiener Traditionsbetrieb interessiert, wie Kastner auf Standard-Anfrage bestätigt. In der Branche stark als potenzieller Investor gehandelt wird Schaumrollenkönig Karl Guschlbauer aus St. Willibald, was der Oberösterreicher aber nicht kommentieren will. Schnittenhersteller Manner äußerte sich offen über seine Lust auf das finanziell angeschlagene Unternehmen. Krapfen-Lieferant Kuchenpeter und Feinbackwaren-Produzent Wewalka winken ab. Dass die deutsche Storck mit Dickmanns ante portas steht, wird bezweifelt. Auch wenn der Konzern schon österreichische Marken wie Heller und Englhofer schluckte.

Sanierungsverfahren

Niemetz hat vergangenen Freitag ein Sanierungsverfahren beantragt. Von fünf Millionen Euro an Passiva sind rund drei Millionen fällig. 70 Gläubiger sind betroffen. Am Dienstag wurde die Belegschaft über ihre Rechte im Falle eines Konkurses informiert, erzählt der Gewerkschafter Manfred Anderle. In den nächsten Wochen entscheide sich, ob die Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen.

Aus Sicht des Gläubigerschützers Gerhard Weinhofer von der Creditreform wird es "ohne strategischen Investor, der auch ein gewichtiges Mitspracherecht" erhalte, nicht gehen. Niemetz habe sich zu lange auf Lorbeeren der Vergangenheit ausgeruht und dann in Scheuklappenmanier die Krise zu durchtauchen versucht. Der Gesundheitstrend komme den süßen Bomben nicht entgegen. Die Riegel Swedy und Manja versprühten 70er-Jahre-Flair: Niemetz habe zu wenig in Marketing und Wettbewerbsfähigkeit investiert. Heindl sieht die Stärke im Know-how der Mitarbeiter: "Sie sind sicher das Wertvollste des Betriebs." Die Maschinen jedoch seien überaltert.

Mehrere 100.000 Euro sollen im Jahr aus dem Unternehmen entnommen worden sein, ohne damit dringend nötige Investitionen zu tätigen, sagen zwei Firmenkenner mit Verweis auf frühere Bilanzen. Geschäftsführer Steve Batchelor, der mit Ursula Niemetz vor etwa vier Jahren einen Gnadenhof für Pferde gründete, und sein Anwalt waren vorerst nicht erreichbar.

Insolvenzfonds

Alle 66 Mitarbeiter wurden am Dienstag beim Insolvenzfonds angemeldet. Die 50 Arbeiter - überwiegend Frauen - erhielten ihre Dezember-Löhne, der Jänner steht aus. Die Bezahlung der Angestellten verlief schleppender, sagt Anderle. Sie bekamen Anfang Jänner eine Teilzahlung von je 1000 Euro. Nach anfänglichen Spannungen mit der Gewerkschaft gebe es seit Sommer eine Gesprächsbasis.

Den Firmensitz im dritten Wiener Bezirk hat Niemetz verkauft - und muss in drei Jahren ausziehen. 2009 und 2010 beliefen sich die Schulden auf jeweils mehr als acht Millionen Euro, das negative Eigenkapital auf gut 3,3 Millionen. Aktuellere Bilanzen liegen derzeit nicht vor. Der Bericht des Insolvenzverwalters soll nun Klarheit über die Finanzgebarung bringen.

Die Banken habe Niemetz dem Vernehmen nach auf seiner Seite, zumal noch weitere Sicherheiten vorhanden sein sollen.

28.000 Mitglieder zählt die Facebook-Gruppe "Rettet die Niemetz Schwedenbomben" mittlerweile. "Wir verkaufen derzeit dreimal mehr als üblich", sagt Nicole Berkmann, Sprecherin von Spar. Punktuell seien Filialen auch ausverkauft. Der Handel sei zum ersten Mal mit Initiativen wie dieser konfrontiert. Normalerweise gehe es um Boykott, der sich dann aber meist in Grenzen halte. Wie stark sich die Welle der Solidarität ausbreite, könne keiner abschätzen. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 6.2.2013)