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Friedrich Stickler fordert entschlossenens Vorgehen.

Foto: APA/Neubauer

Wien - Friedrich Stickler warnt seit Jahren vor Ausmaß und Auswirkungen des Betrugs mit Sportwetten. Der Vorstandsdirektor der österreichischen Lotterien und Präsident der Europäischen Lotterien sieht den Kampf gegen Wettbetrug und die organisierte Kriminalität, die sich des Sports bedient, als globale Herausforderung. "Wenn man jetzt nicht beginnt zusammenzuarbeiten, dann ist der Sport in Gefahr", so Stickler.

Europol hatte am Montag bekanntgegeben, dass mehr als 380 Spiele in Europa und weitere 300 weltweit verschoben worden seien, und sprach von Manipulationen "auf einem nie da gewesenen Niveau". Beteiligt sollen rund 420 Funktionäre, Spieler und Schiedsrichter in 15 Ländern gewesen sein. Insgesamt seien mehr als zwei Millionen Euro an Bestechungsgeldern geflossen, europaweit strichen die Manipulateure Wettprofite in Höhe von acht Millionen Euro ein.

"Glaube, dass dramatisch mehr gelaufen ist"

"Die Zahl erschreckt natürlich. Aber dass die organisierte Kriminalität dabei ist, sich des Sports zu bemächtigen, das war uns schon seit längerer Zeit klar", sagte Stickler. Der ehemalige ÖFB-Präsident kann sich sogar noch Schlimmeres durchaus vorstellen: "Mir kommt die Schadenssumme sehr freundlich vor, ich glaube dass hier dramatisch mehr gelaufen ist. Die beiden größten illegalen Wettanbieter, beide auf den Philippinen, setzten zusammen 400 Mrd. Dollar um. Man kann Beträge setzen, die wir uns alle nicht vorstellen können."

Stickler sieht die Politik in der Pflicht, vor allem müsse der Kampf gegen illegale Anbieter massiv verstärkt werden. "Man muss eine Verschärfung des Tatbestands Wettbetrug einleiten und den Wettbetrug im Strafrecht verankern. In einigen Ländern wird das eher als Kavaliersdelikt gesehen", meinte er. Er hofft, dass Europol mehr Kapazitäten bekommt, denn Sportwetten seien "für die organisierte Kriminalität bei weitem das attraktivste Instrument für Geldwäsche". Finanztransfers nach Asien müsse unterbunden werden.

Österreich not too small for Wettbetrug

Ergänzt werden sollten gesetzliche Maßnahmen durch grenzüberschreitende Kooperation von Sportverbänden, Regierungen, Polizei und Wettanbietern. "Es gibt noch immer Verbände, die das gering schätzen. Das ist ein bisschen wie beim Doping, da hat man auch lange gesagt es betrifft uns nicht. Da muss ein Bewusstwerdungsprozess eingeleitet werden", forderte Stickler. In Österreich "wird immer noch versucht, das kleinzureden. Aber es geht nicht darum, dass Österreich ein kleiner Markt ist. In Asien wettet man auf alles. Da können auf ein Spiel der zweiten österreichischen Liga Millionen Dollar gewettet werden", ist er überzeugt.

Stickler würde (Live-)Wetten, die nicht mit dem Endergebnis zu tun haben, verbieten oder einschränken. Etwa Wetten auf die erste Gelbe Karte oder einen Eckball. "Das ist leicht zu manipulieren", meint er betreffend der bis zu 200 verschiedenen Wetten, die pro Spiel angeboten werden. "Fußball ist das Hauptziel, aber man soll auch andere Sportarten nicht geringschätzen. Cricket ist im asiatischen Raum ein extrem gefährdeter Sport, Tennis, aber auch Eishockey, Handball oder Rugby".

Große Turniere stärker betroffen als vermutet

Auch bei der Vollversammlung der Europäischen Klub-Vereinigung (ECA) in Katar haben die Enthüllungen "hohe Wellen" geschlagen. "Wir müssen alle daran arbeiten, dass die Dinge, die von Europol behauptet wurden, lückenlos aufgeklärt werden. Sonst würde das Spiel in große Gefahr gebracht", sagte ECA-Vorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Er forderte eine lückenlose Aufklärung und eine "harte Bestrafung" überführter Betrüger.

Dass die von der UEFA und FIFA eingesetzten Frühwarnsysteme Gaunereien der asiatischen Wettbetrüger in Europa nur ungenügend registrieren, davon ist Enthüllungsautor Declan Hill ("Sichere Siege") überzeugt. "Frühwarnsysteme basieren auf der Voraussetzung, dass Wettbetrüger dumm sind. Sie sind es aber nicht. Sie verbringen sehr viel Zeit damit, den Wettmarkt so zu beeinflussen, dass es niemand bemerkt", meinte der Kanadier unmittelbar vor der Enthüllung der Europol gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Hill ist sich auch sicher, dass, anders als die Fußballverbände vermuten, auch große Bewerbe und Turniere betroffen sind. "Aufgrund des großen Volumens des Marktes ist es für ein Frühwarnsystem schwierig abzuschätzen, ob ein WM- oder Champions-League-Spiel betroffen ist. Betfair (britische Online-Wettbörse, Anm.) hatte im vergangenen Jahr im Finale der Champions League ein Volumen von einer Milliarde Pfund (1,16 Mrd. Euro). Multipliziert man dies mit 60 oder 80, liegt man im zweistelligen Milliardenbereich", sagte Hill.

Für ihn ist klar: "Zu glauben, dass weniger als ein Prozent der Europacup-Spiele geschoben sind, ist einfach Fantasie." (APA/sid/red, derStandard.at, 5.2.2013)