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Die Kelten waren auch hervorragende Handwerkskünstler: Die Goldschale von Schwarzenbach wurde zwischen 480 und 370 vor unserer Zeitrechnung geschaffen und stammt aus einem keltischen Fürstenhügel in Nonnweiler im deutschen Saarland.

Foto: Thomas Wieck/dapd

Wien  - "Wir nennen sie Gallier, sie nennen sich Kelten" - diese Fremdbeschreibung der keltischen Stämme findet sich bereits in Caesars "Gallischem Krieg". Während jedoch zu Beginn noch von der Gesamtheit der Kelten gesprochen wird, ist später nur noch von einzelnen Stämmen wie etwa den Haeduern, Helvetiern oder Treverer die Rede. "Das erinnert mich so sehr an die heutige Europäische Union. Man beruft sich in der Präambel noch auf das Gemeinsame, dann hört man nur noch etwa die Finnen, die Briten und die Deutschen", sagt Otto H. Urban, Prähistoriker an der Universität Wien.

Seine Thesen zu den Kelten als ersten Europäern sowie seine neuesten Ausgrabungsergebnisse präsentierte Urban am Dienstagabend bei einer "Wiener Vorlesung" im Rathaus. Außerdem wurde dort das im Verlag der Akademie der Wissenschaften erschienene "Lexikon zur keltischen Archäologie" vorgestellt.

Große Unterschiede zwischen Kelten und Römern

Dass das Römische Reich heute gerne als Paradebeispiel für die "ersten Europäer" herangezogen werde, will Urban so nicht gelten lassen. Die Römer hätten zwar eine Basis für das Rechtssystem gelegt, aber die Grundstruktur des römischen Imperiums entspreche überhaupt nicht der des heutigen Europa oder dem europäischen Gedanken, ist Urban überzeugt: "Das römische Reich war ein Zentralstaat mit einer Zentralregierung, die erobert und kontinuierlich ihre Gebiete erweitert hat." Ganz anders dagegen die Kelten: Zwar beriefen sie sich alle auf eine gemeinsame Weltanschauung, eine gemeinsame Religion und mit dem Druidentum auch auf eine Art gemeinsames Rechtssystem, dennoch war jeder Stamm auf seine Autonomie bedacht.

"Das entspricht schon sehr stark dem heutigen Europa: Natürlich wissen wir, wir haben etwas Gemeinsames, aber doch auch sehr viele Spezifika", so Urban. Wie die Staaten der Europäischen Union heute die übergeordnete Instanz des Europäischen Gerichtshofs akzeptieren, anerkannten die unterschiedlichen Stämme der Kelten von den Galliern bis zu den Boiern ebenfalls eine überregionale Rechtsordnung - historisch fassbar durch die Druiden. Die Gemeinsamkeiten der Kelten würden sich auch in ähnlichen Münzprägungen, identischen Gottheiten und Trachten finden. "Es gibt etwa Fibeln von Kleinasien bis Frankreich, die überall gleich aussehen. Das zeigt, dass es regen Austausch zwischen den Stämmen gegeben hat, nicht im Sinne eines gemeinsamen politischen Willens, sondern vor allem durch starke Handelskontakte."

Mythologisches verbindet

Jede Gruppe brauche zur Identitätsbildung etwas Verbindendes. Das sei in der Regel die gemeinsame Geschichte wie etwa gemeinsame Einwanderung. "Den Kern der Wir-Bildung macht die gemeinsame Geschichte aus. Diese ist jedoch oft nicht wirklich konkret, sondern eher mythologisch." Europa fehle es noch an diesem Verbindenden: "Wenn wir eine gemeinsame Wurzel unserer Geschichte suchen, gibt es gute Gründe, warum wir hier mit den Kelten nicht ganz falsch liegen", so Urban, der derzeit in Vix und Bibracte in Frankreich gräbt. Auch die Stadtwerdung sei nicht immer erst mit den Römern gekommen. Schon vor den Gründungen der Römer überzogen die Kelten den Kontinent mit einem Netz von präurbanen Zentralsiedlungen, sogenannten Oppida, die zum Teil auch bis heute das Siedlungsbild prägen.

Auch in der Ausdehnung könne man die Kelten durchaus mit dem heutigen Europa vergleichen: Im 2. Jahrhundert siedelten Kelten auf den Britischen Inseln und an der Westküste Portugals, quer über den mitteleuropäischen Kontinent bis hinunter zu den Donaukelten und den Kelto-Thrakern im heute rumänisch-bulgarischen Gebiet. Die Kelten waren in Oberitalien sesshaft, fielen in Delphi ein und setzten auch über den Bosporus, wo eine kleine Gruppe in Kleinasien blieb, später als die Galater der Paulusbriefe bekannt. Nur nach Norden hin sei die Abgrenzung zu den Germanen schwierig, skizziert Urban. "Das heißt, wir haben schon ein gutes Stück des heutigen Europa, in dem Kelten nachgewiesen sind und ihre Spuren hinterlassen haben. Deswegen kann man die Kelten als erste historisch fassbare Europäer benennen." (APA, 5.2.2013)