Ein Tool zum Verwalten des sozialen Lebens nach dem Tod.

Foto: deadsoci.al

"Ich wünsche dir viel Glück auf deiner Reise", lautete vor kurzem ein Facebook-Posting, das ein User einem anderen auf seiner Pinnwand hinterließ. Eigentlich keine ungewöhnliche Nachricht, wäre der Adressat am Leben. Dieser war aber unerwartet vor ein paar Tagen gestorben und seine Freunde auf Facebook begannen, sein Profil als digitale Gedenkstätte zu nützen.

Neue, öffentliche Formen der Trauer

Sie posteten Fotos, Videos, Erinnerungen in Textform - eine durch die sozialen Netzwerke entstandene Art, mit Trauer umzugehen, die in einer neuen (Teil-)Öffentlichkeit stattfindet. "Es ist gut, Trauer offen auszuleben und sie nicht zu verdrängen. Diese Form der Trauerverarbeitung und Erinnerung kann eine sehr schöne und hilfreiche sein", meint Eva Mückstein, Präsidentin des Österreichischen Verbands für Psychotherapie.

Die Trauernden tauschen sich dort intensiv aus, können einander helfen und sich auch Jahre nach dem Tod noch dort etwa zum Todestag treffen. "Vorausgesetzt, die engen Familienmitglieder wollen das so. Denn sie sind diejenigen, die die Entscheidungsmacht haben sollten, wie mit Accounts in sozialen Netzwerken umgegangen wird, wenn der oder die Verstorbene das nicht selbst geregelt hat", ergänzt Mückstein. Ungewollt könne eine solche Form der Trauerverarbeitung genau den gegenteiligen Effekt haben und für die Hinterbliebenen sogar zur Qual werden. Dann könne nicht mit der Trauer abgeschlossen werden und es entstehen neue Probleme.

Ungewollte Lebenszeichen aus dem Jenseits

Unternimmt man nach dem Tod eines Facebook-Users zum Beispiel gar nichts, kann er weiterhin bei Geburtstagserinnerungen oder in gewissen Werbeformen auftreten (à la "Max Mustermann und drei weitere Freunde sind Fan dieser Seite"). Auch die simple Präsenz des Profils kann belastend sein.

Was also tun mit den Social-Media-Profilen, wenn jemand aus der Verwandtschaft oder eine nahestehende Person verstorben ist? Die meisten sozialen Netzwerke haben bereits Lösungen parat, diese unterscheiden sich aber von Fall zu Fall.

Lösungen der Anbieter

Bei Facebook etwa gibt es für Verwandte oder Befugte nach Ausfüllen bestimmter Formulare und Einsenden der Sterbeurkunde die Möglichkeit, das Profil in den "Gedenkstatus" zu versetzen. Das Profil ist dann gekennzeichnet, User können darauf Postings hinterlassen, die Person scheint aber nicht mehr bei Benachrichtigungen oder Werbeformen auf. Bei Bedarf kann der Account auch vollständig gelöscht werden, den Zugang zum Profil, um etwa private Nachrichten lesen zu können, gibt Facebook aber nicht heraus.

Ähnlich verläuft es bei Twitter: Der Account kann deaktiviert werden, die Login-Daten werden aber nicht herausgegeben. Etwas schwieriger wird es etwa bei Flickr, wo es derzeit keine Möglichkeit gibt, auf private Fotos zuzugreifen, da das Unternehmen die Privatsphäre der User auch nach dem Tod schützt.

Eine Imagefrage

Eine andere Frage, die sich im Zusammenhang mit dem Umgang der Social-Media-Auftritte von Verstorbenen stellt, ist: Welches Bild soll man von dieser Person nach ihrem Tod aufrechterhalten? Jenes, das sie gerne gesehen hätte, oder jenes, das man als Hinterbliebener von dieser Person hat? "Als ein guter Bekannter von mir plötzlich bei einem Radunfall ums Leben kam, war seine Facebook-Seite voll mit Erinnerungen seiner Freunde an ihn. Er war ein schräger Vogel, und da war alles Mögliche dabei. Ich war mir allerdings nicht sicher, ob er das so gewollt hätte", erzählt Maximilian Schubert.

Das war für den Generalsekretär der ISPA (Vereinigung der Österreichischen Internet-Service-Provider) der Anlass dafür, mit KollegInnen eine Broschüre über den digitalen Nachlass zu verfassen. "Das Thema ist ein sehr breites und die wenigsten machen sich Gedanken darüber, was nach ihrem Tod mit dem digitalen Eigentum passiert. Will der Opa wirklich, dass die Enkerln die Fotos von seiner Ex-Freundin am Computer finden?" Die Problematik ist im Grunde eine Ähnliche wie im "analogen Leben", man muss entscheiden, was mit Briefen, Fotoalben und Ähnlichem passiert.

Followers vererben: Twitter im Testament?

Auf offiziellen Wegen steckt der digitale Nachlass hierzulande aber noch in den Kinderschuhen. Marion Aitzetmüller von der Österreichischen Notariatskammer sagt ganz offen: "Uns ist zwar seit ein paar Jahren bewusst, dass es da rechtlichen Handlungsbedarf gibt, der Umgang mit Profilen in Social Networks im Testament kann aber zum Beispiel noch nicht so leicht geregelt werden. Wir haben auch noch kaum Fälle dieser Art, da die meisten Jungen gar kein Testament machen."

Der Tante Mitzi die 1.300 Followers auf Twitter zu vermachen geht also noch nicht per Notar. Am sinnvollsten ist es Aitzetmüllers Ratschlag nach derzeit immer noch, einfach alle relevanten Passwörter und die Wünsche zum Umgang mit dem Inhalt irgendwo zu notieren und einem Freund oder einer Freundin zu sagen, wo sie sich im Notfall befinden.

Tools zur Verwaltung des sozialen Lebens nach dem Tod

Im amerikanischen Raum sind bereits Tools entstanden, die Usern die Organisation des "sozialen Nachlasses" erleichtern sollen. Deadsoci.al etwa verwaltet die Accounts auch nach dem Tod und erlaubt es Usern, "aus dem Jenseits" zu posten: Personen, die zum Beispiel schwer krank sind, können dort Facebook-Postings an ihre Lieben für die Zukunft planen, sei es der 18. Geburtstag des jetzt erst zwei Jahre alten Enkels oder ein jährlicher Gruß am eigenen Geburtstag. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Fraglich ist nur, ob es Plattformen wie Facebook dann überhaupt noch gibt.

Ob man überhaupt noch lebt, prüft Deathswitch, ein Service, bei dem man in regelmäßigen Abständen auf E-Mails antworten muss. Werden die Mails nicht mehr beantwortet, schickt das Service vorbereitete Informationen an bestimmte Personen. Legacy Locker wiederum ist ein Tool, über das man den gesamten digitalen Nachlass verwalten kann. Die Liste könnte hier noch lange weitergehen, wie seriös die einzelnen Services sind, wäre sicher eine weitere Geschichte wert.

Mit derzeit rund einer Milliarde Facebook-Usern weltweit und einigen weiteren Menschen in anderen Netzwerken wird die Problemstellung sicher wachsen. "Praktisch wäre es sicher, wenn Facebook und andere soziale Netzwerke gleich beim Erstellen des Accounts danach fragen würden, was mit dem Profil nach dem Tod passieren soll. Das kann man natürlich auch nicht beantworten oder selbst ändern", wünscht sich etwa eine Freundin im Gespräch. Bis dahin bleibt noch der gute alte Spickzettel mit den Passwörtern. (Lisa Stadler, derStandard.at, 4.2.2013)