Bild nicht mehr verfügbar.

Pier Luigi Bersani gilt als Favorit bei der italienischen Parlamentswahl.

Foto: REUTERS/Max Rossi

Von ihm würde fast jeder bedenkenlos einen Gebrauchtwagen kaufen. Auch politische Gegner halten Pier Luigi Bersani für unbescholten und verläßlich. Seinen ersten Streik organisierte der aus katholischem Elternhaus stammende Sohn eines Tankwarts bereits als Ministrant, "weil der Pfarrer das Taschengeld nicht gerecht verteilte". Seine Herkunft aus bescheidenen Verhältnissen hat der 61-jährige nie verleugnet. Im Gegensatz zu seinem Rivalen Mario Monti mischt sich der Zigarrenraucher gerne
unter das einfache Volk. Eine Rede des ehemaligen KPI-Chefs Enrico Berlinguer weckte das Interesse des Studenten für Politik, der er sich schon bald nach seiner Promotion zuwandte.

Bereits mit 29 Jahren saß er in der Regierung seiner roten  Heimatregion Emilien. Bersani durchlebte alle Phasen des Wandels seiner Partei vom Kommunismus zur Sozialdemokratie. Für ideologische Fragen konnte sich der Pragmatiker zum Unterschied von vielen seiner Genossen nie erwärmen. 

Legendäre Metaphern

Seinen Wahlkampf bestreitet der leutselige Parteichef aus der 3000-Seelen-Gemeinde Bettola bei Piacenza lieber auf den Plätzen als im Fernsehstudio. Populismus und Selbstweihräucherung gehören nicht zu seinem Repertoire. Legendär sind seine Fernsehauftritte mit dem Komiker Maurizio Crozza, seine witzig-originellen Metaphern haben Kultstaus und sind längst Allgemeingut ("Es ist nicht unsere Aufgabe, die Löcher im Emmentaler zu stopfen". "Wir planen nicht, die Leuchtkäfer mit Solarzellen auszustatten.").

Als guter Bariton und Anhänger seines emilianischen Landsmanns Vasco Rossi singt der musikverliebte Vater zweier Töchter gerne mit Parteifreunden. Er hätte gerne Klavierspielen gelernt, "aber das war 1968 und da gab es andere Pioritäten." Als Minister in drei Regierungen setzte der Wirtschaftsexperte eine Reihe von Liberalisierungen durch. Der Verkauf von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten in Supermärkten brachte die Apotheker auf die Barrikaden - mit Ausnahme seiner Frau Daniela Ferrari. Die Abschaffung der Mindesttarife rief die Anwälte auf den Plan. Gegen die Liberalisierung der Lizenzen protestierten die Taxifahrer. Konflikten geht Bersani nicht aus dem Weg. Seinem jungen parteiinternen Rivalen Matteo Renzi stellte sich der Vorsitzende in einer Urwahl,  in der ihn über drei Millionen Italiener zum Spitzenkandidaten kürten. 

Absolute Mehrheit wenig wahrscheinlich

Auch die Auswahl der Kandidaten für Kammer und Senat überließ Bersani dem Fußvolk. Daß sein Partito Democratico auch im Senat die absolute Mehrheit erringen kann, ist unwahrscheinlich. Pier Luigi Bersani wird einen Koalitionspartner benötigen. Dafür kommt praktisch nur Mario Monti in Frage, der seine Partei fast täglich attackiert. Daß die Opposition den Bankenskandal um den Monte dei Paschi zu massiven Angriffen auf den Partito Democratico nutzt, verführt Bersani zu ungewohnten Tönen: "Wer uns Mitverantwortung unterstellt, den zerreißen wir." (Gerhard Mumelter, derStandard.at, 4.2.2013)