Anne-Marie Slaughter in München

Foto: Körber-Stiftung / Marc Darchinge

Es ist ein ungewohntes Bild für das hochgesicherte München. Anne-Marie Slaughter kommt allein. Kein Blaulicht, keine Leibwächter. Die Frau, die noch bis vor nicht allzu langer Zeit Planungsdirektorin des US-Außenministeriums war, mag es „low profile". Am Wochenende hat sie den Munich Young Leaders, einer von der Hamburger Körberstiftung handverlesenen Gruppe junger Außen- und Sicherheitspolitiker, die internationalen Prioritäten der neuen US-Regierung dargelegt.

„Es gibt viele Herausforderungen, ich könnte eine Liste mit zwei Dutzend Punkten aufzählen. Aber ich möchte priorisieren und ihnen die Top-Fünf nennen, die die Obama-Administration in den kommenden Jahren beschäftigen werden", sagt sie. Alle Probleme, die sie nicht erwähne, seien wichtig, aber aus ihrer Sicht eben nicht an Spitze der Agenda.

1.Iran: Der Atomstreit werde im Fokus der ersten sechs Monate stehen, erklärt Slaughter. „2013 ist das Jahr der Entscheidung. Wir werden einen Deal sehen oder die USA werden anderweitig handeln." Mit John Kerry als Außenminister und Chuck Hagel als wahrscheinlichen Verteidigungsminister habe Präsident Barack Obama ein Team gewählt, das ihm großen Manövrierraum für eine Verhandlungslösung bietet. Ein Kompromiss werde für die USA (und auch Israel) nicht einfach zu akzeptieren sein und innenpolitische Kosten erzeugen. Aber: „Die USA wollen einen Deal." 

2.Syrien: „Die Lage dort ist eine Katastrophe. Die Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens des Landes wird täglich größer. Das ist unglaublich gefährlich für die gesamte Region, die US-Interessen, die Weltwirtschaft. Das ist derzeit die größte Bedrohung weltweit", erläutert die frühere Spitzendiplomatin. Sie tritt für eine Intervention in Syrien ein, in der Obama-Regierung allerdings ist das weit weg von einer Mehrheitsfähigkeit. Vor allem die Militärs haben große Bedenken. 

3.Asien: In der Fokus-Region der US-Außenpolitik macht Slaughter der zunehmende Nationalismus in China und Japan Sorgen, vor allem unter jüngeren Leuten. Jederzeit könne ein Konflikt ausbrechen. „Der schlechteste Moment in meiner Karriere im State Department war jener, als die Japaner einen chinesischen Kutterkapitän festnahmen." Ein Schuss genüge, um eine Krise auszulösen, die für niemanden mehr zu kontrollieren sei. 

4.Lateinamerika: Die bolivarianische Revolution in Lateinamerika steht laut Slaughter vor ihrem Ende. Fídel Castro und Hugo Chávez würden nicht ewig leben. Der Chávismo werde zwar noch ein wenig Zeit überdauern, aber nicht sehr lange. Danach gebe es viele Entwicklungsmöglichkeiten für die Region auf die die USA unbedingt sehen müssten: Das Spektrum reiche von einer relativ friedlichen und prosperierenden Konstellation wie im Mittelmeer bis zum langanhaltender Gewalt etwa in Venezuela. 

5.Klimawandel: Der habe in der amerikanischen außenpolitischen Community extrem hohen Stellenwert, Kerry und Obama hätten ihn in Reden prominent erwähnt. Es gebe Konsens, dass die USA eine nachhaltige Wirtschaft aufbauen müssten. Slaughter: „Und wissen sie, wer in Washington am meisten über den Klimawandel alarmiert ist? Die Militärs im Pentagon. Sie sehen die Erderwärmung als Quelle für enorme Sicherheitsbedrohungen durch Migrationsströme und dergleichen." (Christoph Prantner, derStandard.at, 3.2.2013)