Kaum hat man sich an den vielversprechenden ersten Wochen des neuen Jahres ergötzt, dreht sich das Schicksalsrad ohne Rücksicht auf Verluste einfach weiter. What goes up, must come down: Das gilt damit sowohl für meine Laune als auch für die innenpolitischen Highlights. Die ÖVP will zwar verpflichtende Drogentests, aber keine Blasröhrchen an Schulen haben.

Es ist Ende Jänner, und ich bin des Winters, der Kälte und des Süßfraßes, mit dem man sich über diese zwei Tatsachen hinwegtrösten möchte, absolut überdrüssig. Meine gestrickten Socken frieren an den undichten Stiefeln. Ohne Mütze kann man nicht auf die Straße, mit Mütze kann man nicht ins Kaffeehaus, man kann auch ohne Mütze nicht ins Kaffeehaus, wenn man sie vorher aufgehabt hat. Es ist immer noch um fünf Uhr dunkel, aber ohne Weihnachtsbeleuchtung, und es liegen immer noch Tannenbaumleichenreste auf den Straßen herum.

Der Hund braucht nun bei jeder Gassirunde dreimal so lange wie üblich, nicht weil er auf Kälte steht, sondern weil er sein Geschäft nur noch in besonders großen Fußabdrücken von Herrenschuhen verrichtet, um seinen Hintern nicht in Schneewehen zu schieben, und kaum ein Schuhabdruck seinen gehobenen Ansprüchen genügt. Seit ich diese frustrierende Suche teilen muss, habe ich den Eindruck, dass ganz Wien auf ziemlich kleinem Fuß lebt und ein einziges eisgefrorenes, salzgestreutes Jammertal ist. Ab Mitte Jänner ist der halbe Prater - wenn der Schnee nicht braun eingatscht - eine große Gelbschneezone.

Der Wahlkampfauftakt der FPÖ hat gemeinsam mit der Grippewelle begonnen, und ich weiß jetzt auch nicht, warum mir das ausgerechnet zum vorigen Thema einfällt, wird schon seine Gründe haben. Mit der Kraft der Liebe wurde wieder eifrig an den Sündenbockbäumen gerüttelt, und auch sonst scheut die FPÖ den Kontakt zum rechten und noch mehr als rechten Rand wie der Engel das Weihwasser.

Der Höhepunkt dieser alles andere als schüchternen Annäherung findet am 1.2. statt, wenn das Tanzbein geschwungen wird, wo man den Arm halt nicht ausfahren darf - öffentlich in der Hofburg. Anderswo, weitab von Parkett und Festlichkeiten, werden unterdessen weiter fröhlich Waffenlager ausgehoben, wird Sprengstoff gehortet. Wir spielen Räuber und Gendarm, aber leider gibt es Gendarmen, die noch nicht sicher sind, ob sie eventuell doch zu den Räubern halten. Eine Neuauflage des alten Kinderspiels.

Im Versuch, diese Sehnsucht nach dem starken Führer, nach dem großen Mann zu verstehen, fange ich inzwischen bei meinem Hund an. Der braucht derzeit einen ebensolchen, der ihm vorangeht, um sich den Popsch warmzuhalten. (Julya Rabinowich, Album, DER STANDARD, 2./3.2.2013)