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Foto: AP/Japaridze

Seine Ernennung zum Gouverneur war ein Experiment: Als der damalige russische Präsident Dmitri Medwedew 2008 Nikita Belych die Region Kirow knapp 1000 Kilometer östlich von Moskau anvertraute, hoffte er, damit die Unterstützung der Liberalen zu gewinnen. Schließlich hatte Belych zuvor drei Jahre lang die liberale Oppositionspartei SPS geführt und den Chefposten erst abgegeben, als der Kreml die Kon trolle dort übernahm. Er sehe sich nicht in einem Kremlprojekt und glaube weder daran, dass eine Demokratisierung von oben möglich sei, noch dass der Staat sich in die Lenkung von Parteien einmischen solle, kritisierte Belych in aller Offenheit.

Dass der Kreml diesen Kritiker zum Gouverneur machte, war gewagt. Dass Belych die Herausforderung annahm, auch. Für Medwedew zahlte sich das Experiment nicht aus. Selbst innerhalb der russischen Elite war der liberale Flügel zu schwach, um Medwedew eine zweite Amtszeit zu sichern.

Belych hingegen nutzte seine Chance, sich als Politiker im Amt zu präsentieren. In Kirow ist er so beliebt, dass er gute Chancen hat, nach der Wiedereinführung der Gouverneurswahlen bestätigt zu werden. Seine Tätigkeit beim Oppositionsbündnis Solidarnost hat er zugunsten des Staatsdienstes aufgegeben, seine prowestlichen Ansichten nicht. Er ist derzeit der einzige liberale Gouverneur des Landes. Beliebt macht ihn das bei Russlands starkem Mann Wladimir Putin nicht. Umso mehr, als er es wagte, einer öffentlichen Kopfwäsche Putins ebenso öffentlich zu widersprechen. Belych war damit seit vielen Jahren der erste Gouverneur, der es sich erlaubte, dem Staatschef Kontra zu geben.

Noch übler nimmt Putin Belych aber wohl desen anhaltend gute Beziehungen zum Oppositionellen Alexej Nawalny, der Belychs Berater in Kirow war. Dass der Gouverneur in die Ermittlungen zu den Betrugsaffären um eine Holzfabrik und eine Wodkabrennerei hereingezogen wird, ist ein deutliches Signal an den 38-Jährigen, auf Distanz zum Kremlkritiker zu gehen.

Belych, verheiratet mit einer Touristikunternehmerin und Vater dreier Kinder, reagierte äußerlich gelassen auf den Druck. Die Sache sei schon einmal überprüft worden - ohne Resultat. Er fürchte die Untersuchungen nicht, sagte er. Nach seiner Befragung sagte er vor Journalisten: "Alles ist gut." Wie gut Belychs Perspektiven in Russland sind, hängt aber wohl vor allem davon ab, ob er sich zugunsten Putins verbiegt. (André Ballin /DER STANDARD, 1.2.2013)