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Kinder leiden besonders unter der Situation. Oft können sie ihre Schulausbildung nicht fortsetzen

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Jordanische Soldaten helfen ankommenden Flüchtlingen. Die meisten ziehen aus dem Flüchtlingscamp weiter in die Städte, wo sie teilweise Verwandte haben.

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Etwa 760.000 syrische Flüchtlinge sind auf Hilfe angewiesen.

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Die Flüchtlingsschicksale ähneln sich alle. Vor zwei Jahren lebten sie alle noch ihr gewohntes Leben in Syrien, mittlerweile sind sie Flüchtlinge in einem fremden Land. Da ist zum Beispiel Zhoor, die mit ihrer Familie im vergangenen Frühjahr aus dem syrischen Homs flüchtete. Zhoor war im siebten Monat schwanger, ihren Mann musste sie zurücklassen, als sie mit Eltern, Großvater und Schwester in eine ungewisse Zukunft ging. Ihr Kind wurde in der jordanischen Hauptstadt Amman geboren, wo die Familie mittlerweile eine kleine, feuchte und unbeheizbare Unterkunft bewohnt. Die Miete kann die Gruppe nur mit Unterstützung der Hilfsorganisation CARE bezahlen. Vor zwei Monaten hat Zhoor erfahren, dass ihr Mann in Homs getötet wurde. Der Winter macht ihnen zu schaffen.

Unter dem Winter leidet auch die Familie der 11-jährigen Rafa. Die Temperaturen können in Amman bis zum Gefrierpunkt fallen, ein massives Problem, wenn man weder Decken noch winterfeste Kleidung zur Verfügung hat. Rafa und ihre Geschwister besuchen mittlerweile eine Schule. Die Eindrücke ihrer Flucht können sie so schnell nicht vergessen: "Wir hatten große Angst, als Kugeln durch Wand unseres Hauses schlugen. Wir gingen, ohne etwas mitzunehmen", erzählt sie einem Mitarbeiter von CARE. Dabei gehören die Geschwister noch zu den Flüchtlingskindern, die das Glück haben, sich in einem geregelten Schulalltag bewegen zu können. Viele Familien sind derart traumatisiert, dass sie ihre Kinder nicht zur Schule lassen, aus Angst vor gewaltsamen Übergriffen und davor, dass sie ihre Kinder nicht wiedersehen. Die Sicherheitslage in Amman ist relativ gut, das Vertrauen in das Normale für viele Flüchtlinge aber unmöglich.

Hunderttausende auf der Flucht

Die Krise in Syrien hat seit März 2011 hunderttausende Syrer in die Flucht getrieben. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) verzeichnet mit 4. Februar rund 626.180 syrische Flüchtlinge, rund die Hälfte von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Zusammen mit den Menschen, die noch auf die Registrierung in den Camps warten, sind es mehr als 760.000 Flüchtlinge. Damit hat sich ihre Zahl seit Mai 2012 mehr als verzehnfacht. Geschätzte 250.000 Flüchtlinge leben nun in Jordanien, einem Land, das etwa so groß ist wie Österreich und von 6,5 Millionen Einwohnern besiedelt ist.

Allein seit dem 1. Januar sind wieder 70.000 neue Flüchtlinge in Jordanien angekommen. Ihre Zahl steigt, denn inzwischen holen Männer ihre Familien nach. Viele richten sich auf einen Aufenthalt auf unbestimmte Zeit ein. Sie verkaufen ihr Hab und Gut, um woanders Fuß fassen zu können. Ihre Häuser in Syrien gibt es zum Teil nicht mehr. Rund 80 Prozent der syrischen Flüchtlinge in Jordanien leben nicht im Flüchtlingscamp, sondern in den Städten, wohin sie auf der Suche nach Arbeit und Unterkunft gezogen sind. Wer es sich leisten kann, findet eine Wohnung in einer der Städte. Die meisten beziehen einfachste Unterkünfte, die keinen Schutz vor dem Winter bieten.

Kaum Möglichkeiten

Durch die zahlreichen Unterkunft suchenden Flüchtlinge sind die Mieten in den Städten mittlerweile stark gestiegen. Die Nachfrage bestimmt auch in Amman den Preis, weiß die österreichische Nothilfe-Expertin Beatrix Bücher, die in der vergangenen Woche für die CARE ein Hilfsprojekt für syrische Flüchtlinge in Jordanien besuchte. CARE unterstützt über 3000 Familien in Jordanien mit Beratung, Decken, Winterkleidung, Heizöfen sowie Bargeld für Nahrungsmittel und Miete. "Viele haben auch nicht die nötigen Informationen über die Unterstützungsmöglichkeiten, die zur Verfügung stehen", meint Bücher gegenüber derStandard.at. So wüssten beispielsweise alleinstehende und -erziehende Mütter nicht, dass sie ohne männliche Verwandte Hilfe oder Flüchtlingsstatus beantragen könnten. "Auch diese Lücke versucht CARE zu füllen."

Bücher weist nicht zuletzt darauf hin, dass die Unterstützung sich nicht nur auf die Flüchtlinge beschränken dürfe. Es helfe soziale Spannungen zu vermeiden, wenn auch die Not leidende einheimische Bevölkerung von Hilfsorganisationen profitiere. Alles in allem wäre dringend mehr Geld nötig. "Das Ausmaß der Krise steigt von Tag zu Tag", ist Bücher besorgt. Täglich kommen mehr Flüchtlinge aus Syrien, deren unmittelbaren Bedürfnisse nicht gedeckt werden können.

Internationale Gelder

Bei einer Geberkonferenz in Kuwait in der vergangenen Woche sammelten Vertreter aus 59 Staaten Geld für die Opfer des syrischen Bürgerkrieges. Mit gut einer Milliarde Euro will die internationale Staatengemeinschaft die verheerende Lage der syrischen Flüchtlinge verbessern. Geplant ist, dass ein Drittel der gesammelten Gelder den Menschen in Syrien selbst zugute kommt, der Rest den Flüchtlingen in den Nachbarländern.

Bis die Gelder zu den Hilfsbedürftigen gelangen, müssen CARE-Schützlinge wie Ayatollah, Vater dreier Kinder, sich mit Gelegenheitsjobs über den Winter retten. Ayatollah dachte, er habe Glück, als er eine Arbeit im Supermarkt fand.  Von 10 Uhr vormittags bis 2 Uhr nachts arbeitete er. Am Ende des Monats wollte sein Arbeitgeber ihn nicht bezahlen. Schließlich gab er ihm 5 Dinar (5 Euro). Für die Miete bezahlen Familien im Durchschnitt etwa 150 Dinar. (mhe, derStandard.at, 6.2.2013)