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Herrenwitz aus dem Kölner Karneval. In Österreich ist ein politischer Streit darum entbrannt, ob Po-Grapschen ins Strafrecht aufgenommen werden soll.

Foto: dpa/Olliver Berg

Wien/Berlin - Der deutsche FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ist zwar kein Po-Grapscher. Aber seine angebliche Bemerkung zu einer Stern -Reporterin, dass sie (gemeint war ihr Busen) "auch ein Dirndl ausfüllen könnte", führte in Österreich ohne Umwege zur menschlichen Kehrseite.

Denn im Zuge der von Deutschland herübergeschwappten Sexismusdebatte erneuerte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ihre Forderung, dass sexuelle Belästigungen wie Po-Grapschen strafrechtliche Konsequenzen haben sollen. Und weil Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) meint, dass bestehende (nicht strafrechtliche) Konsequenzen ausreichen, wurde daraus hierzulande eine politische Grapsch-Debatte.

Derzeit können sich Betroffene mit folgenden Grundlagen gegen sexistische Kollegen wehren:

- Arbeitsrecht Bei sexueller Belästigung (auch verbal) am Arbeitsplatz hat eine Dienstnehmerin nach dem Gleichbehandlungsgesetz einen Anspruch auf Schadenersatz von mindestens 1000 Euro. Zur Rechenschaft gezogen werden kann nicht nur der unmittelbare Unhold, sondern auch der Arbeitgeber, wenn er es unterlässt, Abhilfe zu schaffen. In der Privatwirtschaft beträgt die Verjährungsfrist ein Jahr, zuständig ist das Arbeits- und Sozialgericht. Im öffentlichen Dienst können Übergriffe bis zu drei Jahre rückwirkend bei der zuständigen Dienstbehörde gemeldet werden. Kompetente Ansprechpartnerin für Betroffene ist die Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich im Bundeskanzleramt.

- Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch Zivilrechtlich sind schadenersatzrechtliche Klagen nach Paragraf 1328 (geschlechtliche Selbstbestimmung) oder Paragraf 1328a (Recht auf Wahrung der Privatsphäre) möglich.

- Verwaltungsrecht In den einzelnen Landessicherheitsgesetzen gibt es unterschiedliche Regelungen. In der Steiermark zum Beispiel können die Bezirksverwaltungsbehörden wegen Anstandsverletzungen Strafen bis zu 2000 Euro verhängen.

Po-Grapschen ist laut Justizministerium deshalb kein Fall für das Strafgesetz, weil strafbare Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung eine "geschlechtliche Handlung" voraussetzten. Letztere liege nur bei einer intensiven Berührung eines primären oder sekundären Geschlechtsorgans vor. "Im Unterschied zum Analbereich zählt die Gesäßregion seit jeher nach herrschender Rechtsprechung nicht zur unmittelbaren Geschlechtssphäre eines Menschen", heißt es auf Anfrage des Standard im Ministerium.

Ein Jahr Haft für Kuss

Auch Küsse auf den Mund stellen nach der gängigen Rechtsprechung keine geschlechtliche Handlung dar. Ein abgenötigter Kuss kann allerdings zu einem Strafverfahren wegen Nötigung führen. Die theoretische Höchststrafe dafür beträgt immerhin ein Jahr Freiheitsentzug.

Die oberösterreichische SPÖ-Frauensprecherin Gerda Weichsler-Hauer warf Justizministerin Karl am Mittwoch "Verharmlosung sexueller Belästigungen" vor. Auf Landesebene habe die VP sogar eine Initiative für die strafrechtliche Verankerung sexueller Grapsch-Attacken mitbeschlossen, doch auf Bundesebene blockiere die ÖVP. Judith Schwentner, Frauensprecherin der Grünen will unerwünschte Berührungen ins Verwaltungsstrafrecht aufnehmen, damit sexuelle Belästigung auch außerhalb der Arbeitswelt sanktioniert werden könne.

FDP-Mann Brüderle lehnte es am Mittwoch in Berlin ab, sich zur von ihm verursachten "Herrenwitz-Causa" zu äußern. Im Stern schildert seine Parteikollegin Silvana Koch-Mehrin persönliche Erlebnisse von Alltagssexismus. (Michael Simoner, DER STANDARD, 31.1.2013)