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Helmut Schwager und die nicht ganz so englische Art.

Foto: APA/fohringer helmut

Wien - Am sechsten Tag im Immofinanz-Strafprozesses im Wiener Landesgericht wurden die Zeugenbefragungen fortgesetzt. Als Erster trat Mittwochvormittag Martin Schneeweiß in den Zeugenstand, seit 1997 in der Constantia-Holding beziehungsweise deren Industriebeteiligungen tätig. Der ehemalige Vorstandsassistent fungierte als Treuhänder, als "Durchläufer" für den Angeklagten Helmut Schwager bei dessen nun vor Gericht gebrachten Aktiengeschäften.

Der heute 40-Jährige schilderte sein enges berufliches Vertrauensverhältnis zum Angeklagten Schwager, den er als Schnittstelle zwischen der Constantia und der Eigentümerfamilie Turnauer sah. Aus Loyalität und Vertrauen habe er auch auf Schwagers Wunsch ohne Bedenken im Jahr 2003 einen Zeichnungsschein über Immoeast-Aktien um 1,4 Millionen Euro unterschrieben und ein Treuhandkonto bei der Constantia Privatbank (CPB) eröffnet.

Loyalität stach Bedenken

Schneeweiß war damals Vorstandsassistent, Schwager war Aufsichtsratspräsident bei Immofinanz und Immoeast sowie Aufsichtsratsvizepräsident bei der Constantia Privatbank. "Schwager sagte, er möchte nicht, dass sein Name in den Büchern aufscheint", begründete Schneeweiß seine Unterschrift. "Ich bin ein Mensch mit hoher Loyalität", erklärte er, warum er seinen Namen hergab und nicht einmal nachfragte. Der Zeichnungsschein sei aber auch nicht schlagend geworden, die CPB (die die Aktien der Immoeast übernommen hatte) sei nie an ihn herangetreten, er solle doch die Aktien tatsächlich kaufen. Sonst hätte Schneeweiß nämlich 1,4 Millionen Euro zahlen müssen - für ihn wäre das ein "Desaster" gewesen. Auch am Konto passierte bis zuletzt nichts.

Schwager hatte seinen Mitarbeiter Schneeweiß vorgeschoben und ihn den Zeichnungsschein unterschreiben lassen. Es ging um Aktien der Immoeast im Zuge eines "Private Placements" im April 2003, noch vor dem Börsengang der Immoeast. "Schwager hat mir damals gesagt, er will bei der Kapitalerhöhung Aktien kaufen, das sei grundsätzlich legitim, aber er wolle nicht, dass sein Name bei der Depotbank aufscheint, ob ich das als Durchläufer übernehmen könnte", schilderte Schneeweiß heute den Ablauf. "Schwager sagte mir, es mache keine gute Optik, wenn er als AR-Vorsitzender Aktien erwerbe."

Als loyaler Mitarbeiter habe er nicht nachgefragt, wieso Schwager ihn nach außen vorschob. Im Innenverhältnis fühlte er sich abgesichert, allerdings hatte er mit Schwager auch keine Vereinbarung über die Finanzierung des Aktienkaufs geschlossen. "Es gab nichts, das ist ja das Fatale", so der Zeuge heute. Er habe auf Schwagers Wort vertraut und unterschrieben, ausgefüllt habe den Zeichnungsschein jemand anderer. "Nennen Sie's Gefälligkeit."

Schweigen wider die Neidgesellschaft

Die Vertraulichkeit nach außen sei ihm damals nicht seltsam vorgekommen. "In der Constantia war immer viel vertraulich, ich bin damals groß geworden  damit." Für die von Schwager gewünschte Geheimhaltung der Zeichnung hielt er "diese Neidgesellschaft, in der wir leben" verantwortlich. Heute zeigte sich Schneeweiß jedenfalls wissender um die Problematik seiner Aktion. "Mir ist bewusst, dass ein Aufsichtsrat seine Aktientransaktionen melden muss." Und auch ob Schwager überhaupt eine Genehmigung hatte, war kein Thema damals: "Ich war vielleicht etwas naiv."

Erst im Jahr 2009 habe er von Schwager über Aktienoptionsgeschäfte erfahren, wegen der nun Schwager, Ex-Bankchef Karl Petrikovics und Ex-Bankvorstand Norbert Gertner angeklagt sind. "Er sagte mir, es wurden Optionsgeschäfte zugunsten der betreffenden Personen gemacht, wirtschaftlicher Gehalt wäre gewesen, sie sofort mit entsprechenden Aktien einzudecken, so dass der Bank kein Kursrisiko entsteht, dies sei aber verabsäumt worden und wurde dann nachgeholt, dadurch kam es wirtschaftlich letztlich zur Belastung der Privatbank." Auch 2009 fragte Schneeweiß noch immer nicht nach der Genehmigung: "Wer das erlaubt hat, haben wir nicht besprochen."

Zeuge: Wurde von Petrikovics missbraucht

Als zweiter Zeuge wurde der Immobilienexperte Harald Heinzl befragt. Er hatte als zweiter Geschäftsführer in etlichen der rund 800 Tochtergesellschaften der Constantia Privatbank vier Optionsverträge unterzeichnet, wofür die Finanzmarktaufsicht FMA auch ein Verfahren gegen ihn eingeleitet hatte, dass in der Zwischenzeit aber wieder eingestellt wurde.

Zu den Geschäftsführerpositionen in etwa 80 dieser Gesellschaften sei er auf Wunsch seines damaligen Vorgesetzen und jetzigen Hauptangeklagten Karl Petrikovics gekommen. "Wenn ich nicht zugesagt hätte, hätte ich eine Minute Zeit gehabt, meinen Platz zu räumen", so Heinzl. "Sie wurden anscheinend missbraucht", so die Richterin Claudia Moravec-Loidolt gegen Ende der Befragung. "Das sehe ich auch so", meinte Heinzl.

Petrikovics sei kein "gutmütiger" Mensch gewesen, alle hätten Angst vor ihm gehabt. "Er hat herum geschrien wie ein cholerischer Diktator", so Heinzl. Assistentinnen oder Mitarbeiter hätten oft schon nach wenigen Stunden oder Tagen wieder ihren Job verloren. Er selbst sei dagegen ein gutmütiger Mensch gewesen. "Ich bin ja nicht in der Firma, um böse zu sein", meinte Heinzl. Fehler habe er sich nie erlauben dürfen. "Seien sie nicht so gutmütig", habe er jedes Jahr von Petrikovics beim jährlichen Mitarbeitergespräch zu hören bekommen. So werde er nie zu Informationen kommen.

"Würgen, bis er blau ist"

Petrikovics gab ihm auch ein Rezept, wie er mit Kollegen umgehen sollte: "Würgen Sie Ihn solange, bis er grün wird, dann warten Sie, bis er blau ist, und dann bekommen Sie die Information", hatte Heinzl laut Richterin Moravec-Loidolt bei seiner Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft ausgesagt. Heute widerstrebte es Heinzl offensichtlich, diese Aussage wieder in den Mund zu nehmen, er bestätigte sie aber.

Heinzl beschrieb Petrikovics als äußerst akribischen Menschen und fachliche Autorität. Die wöchentlichen Jour-fixe seien jedesmal wie eine Diplomprüfung gewesen, dementsprechend hätte man sich darauf auch vorbereitet. "Petikovics konnte im Kopf schneller abziehen, als ich mit dem Taschenrechner. Das war eine harte Schule. Es wurde nichts dem Zufall überlassen. Jedes Detail war ihm bekannt und bewusst", sagte Heinzl. "Es war für mich eine Ehre, bei einer noblen Privatbank zu arbeiten, wo man nicht davon ausgeht, dass solcher Missbrauch auf der Tagesordnung steht", so Heinzl.

Ihm seien die Geschäftsführerpositionen im Jahr 2000 "umgehängt" worden, nachdem Petrikovics seine Vorgängerin kurzfristig hinausgeschmissen hatte. Bei der Vergabe von Geschäftsführerstellen sei immer locker verfahren worden, Geschäftsführer seien gekommen und gegangen, der Konzern dagegen sei straff organisiert gewesen, die Entscheidungen seien immer von Petrikovics ausgegangen.

Bei seinen rund 80 Gesellschaften handelte es sich um Abschreibegesellschaften, wo sich nicht viel tun würde. Es sei nur eine Funktion am Papier, habe ihm Petrikovics gesagt. "Es hat sich auch nichts getan", so Heinzl. Seine einzige Tätigkeit als Geschäftsführer dieser vielen Gesellschaften habe darin bestanden, im Laufe von acht Jahren tausende Unterschriften für Jahresabschlüsse und Steuererklärungen zu leisten, oft hundert auf ein Mal. Dass sich darunter auch Aktienoptionen befunden haben, sei ihm nicht aufgefallen.

In die operative Geschäftsleitung habe er sich nicht eingemischt, es habe praktisch auch nichts zu tun gegeben. Zudem habe er den anderen ersten Geschäftsführern, etwa dem Angeklagten Christian Thornton, vertraut, weil diese die Fachkenntnisse gehabt hätten. Seine Unterschrift sei immer die letzte gewesen.

Nicht nur Produkte sondern auch Aktienverkäufe

Er habe auch mit Aktiengeschäften nie etwas zu tun gehabt, er sei für Immobilienprojekte, Planrechnungen, Prognoserechnungen, Bauherrnmodelle und Vorsorgewohungen zuständig gewesen, Produkte, die die Bank verkauft habe. Erst bei seinen Einvernahmen habe er erfahren, dass über die Gesellschaften, in denen er Geschäftsführer war, auch Aktienkäufe und -verkäufe getätigt worden waren. Er habe auch nicht gewusst, dass Petrikovics und Norbert Gertner Aktien kaufen wollten. Er habe aber gewusst, dass die Vorstände Zinshäuser, Wohnungen und Beteiligungen - gemeinsam oder oft mit Dritten wie Ärzten - erworben haben.

Als weitere Zeugin wurde die damalige Assistentin von Norbert Gertner befragt. Das Verfahren gegen den mitangeklagten Ex-Bankvorstand Gertner ist wegen dessen Krankheit ausgeschieden. Sie gab an, dass die Optionsvereinbarungen zwischen den Angeklagten und der Immofinanz bzw. Immoeast nicht von ihr selbst verfasst worden seien, sondern sie dabei auf Vorlagen von Gertner und Petrikovics zurückgreifen konnte und nur die fehlenden Daten eingefügt habe. Der ganze Text sei schon da gewesen. Bei der endgültigen Version sei ihr sehr wohl aufgefallen, dass das Schreiben rückdatiert worden sei. Das Datum sei schon vorgegeben gewesen. Das sei nicht ungewöhnlich gewesen, dass rückdatiert wurde, sei aber nicht oft vorgekommen. Petrikovics sei ganz klar der Kapitän des Schiffes gewesen, Gertner in der Hierarchie unter ihm gestanden. Das Konstrukt mit den vielen Tochtergesellschaften sei für sie eine Einheit gewesen. "Das hat alles der Bank gehört", so die Zeugin.

"Schriftlich gab's nix"

Einblicke in die komplexen Geschäfte innerhalb des stark verflochtenen Firmennetzwerks bei der Constantia Privatbank gaben am Mittwoch weitere Zeuginnen, die in der Zeit der inkriminierten Aktienoptionsgeschäfte der Angeklagten in der Bank tätig gewesen waren.

Zwischen den zahlreichen Bank-Tochtergesellschaften sei sehr viel Geld hin- und hergeschoben worden, um die Liquidität für Käufe von Immoeast- und Immofinanz-Aktien zu bekommen, schilderte eine Zeugin, die in der Bilanzierung der Tochtergesellschaften der CPB tätig war. "Diese Gesellschaften sind schwer unter Wasser gestanden, sie waren verschuldet". Die Liquidität für Aktienkäufe sei immer schwieriger aufzustellen gewesen. Für diese Barvorlagen habe es nichts Schriftliches gegeben. Aktiengeschäfte seien auch rückdatiert worden.

Schließlich habe sie die Weisung bekommen, das Geld für Aktienkäufe der CPB-Töchter von der Immofinanz zu nehmen. Gegen Ende ihrer Zeit in der Bank flossen Gelder in Millionenhöhe von der Immofinanz an die CPB-Töchter für Aktienkäufe. Die Zahlungen wurden von der Immofinanz Corporate Finance und der Immofinanz Beteiligungs AG abgewickelt. "Es hat dann überhandgenommen", meinte sie. Der Hauptangeklagte Karl Petrikovics habe die Bankgeschäfte dominiert.

Der mitangeklagte Treuhänder Karl Hable ist der Zeugin auch ein Begriff, von den Hable-Optionen habe sie in der Bank nach einem Urlaub gehört. "Ich hab mich da nicht richtig informiert, ich wollt's gar nicht wissen", gestand sie heute im Zeugenstand ein. Vor ihrem Ausscheiden aus der Bank sei Hable auch beim Verkauf von drei Tochtergesellschaften "involviert" gewesen.

Die CPB Corporate Finance sei eine Art "Verrechnungsstelle" für die Constantia Privatbank gewesen. Vermittlungshonorare, Provisionen etc. seien dort verrechnet worden. Auf Anweisung ihres direkten Vorgesetzten Christian Thornton habe sie dort Rechnungen geschrieben, sagte die Zeugin.

Zahlenarbeit, keine Entscheidungen

Kurz war die Befragung der nächsten Zeugin, ehemals Leiterin der Wertpapierabwicklung bei der Constantia Privatbank. Sie habe nur Zahlenarbeit gemacht und keine eigenen Entscheidungen getroffen, schilderte sie.

Schließlich wurde die Leiterin des Controlling in den Zeugenstand gerufen. Sie habe in der Constantia Privatbank in einer Projektgruppe Kapitalerhöhungen für Immoeast und Immofinanz "organisiert", sich um den Ablauf und die Kundenbetreuung gekümmert. Von einer Berechtigung für die Vorstände, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen, wisse sie nichts. Sie hatte mit Optionsvereinbarungen von Kunden zu tun, doch "Hable war sicher nicht dabei". Optionsgeschäfte habe es schon lange in der Bank gegeben: Put-Optionen von Kunden, die der Bank Aktien zu einem bestimmten Preis verkaufen konnten. Dafür mussten sie auch Optionsprämien zahlen - der Staatsanwalt wirft den Angeklagten vor, dass sie selber sich das "erspart hätten". (APA, 30.1.2013)