In der General Assembly wurde über die Resolutionen abgestimmt. Die Schüler beschäftigten sich etwa mit Arbeitslosigkeit und dem Gesundheitssystem.

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Graz - Mit Zittern erwarten die Delegierten des Komitees für Regionale Politik und Transport das Ergebnis der Abstimmung. Das Komitee hat soeben der General Assembly eine Resolution vorgelegt, in der es Europas Verkehr modernisieren und vereinheitlichen will.

Dies ist keine Szene aus dem Europäischen Parlament in Brüssel, sondern aus dem Model European Parliament (MEP), welches vom 25. bis 27. Jänner in Graz tagte. Ziel des MEP ist es, über 50 Jugendlichen aus ganz Österreich die EU-Politik nahezubringen. Und tatsächlich: Schon nach wenigen Stunden fühlte man sich wie ein Delegierter mit all seinen Fähigkeiten und Pflichten.

Als Erstes fielen die strengen Verhaltensregeln auf. Während der Komiteearbeit durfte nur gesprochen werden, wenn man das Schild mit seinem Bundesland hochhielt und einer der "Committee Presidents" das Wort erteilte. Außerdem musste man seine Aussage stets mit "Thank you, Madame President" oder "Thank you, Mister President" direkt an den Vorsitz adressieren, sonst erfolgte eine sofortige Ermahnung.

Schon bald wurde auch privat Englisch gesprochen, wobei für Privates ohnehin nicht viel Zeit blieb. Das Programm war von 8 bis 23 Uhr strikt durchgeplant. Unter anderem auch mit Reden renommierter Persönlichkeiten wie Wolfgang Wolte, ehemaliger Botschafter der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel, sowie dem Universitätsprofessor Reinhard Rack, der früher Mitglied des Europäischen Parlaments war.

Die meiste Zeit verbrachten wir jedoch in den vier Komitees. Jede Arbeitsgruppe behandelte ein anderes Thema, darunter wirtschaftliche Probleme, Arbeitslosigkeit, das Gesundheitssystem oder Alkohol- und Drogenmissbrauch.

Ziel war es, eine Resolution nach europäischen Standards zu verfassen, welche die vorgegebenen Probleme zu lösen versuchte. Das klingt einfacher, als es ist. Neun Delegierte aus demselben Staat konnten sich oft nur schwer auf eine Lösung oder eine Formulierung einigen. Wie schwer muss es da wohl sein, die Standpunkte von 27 Mitgliedsstaaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen?

Man wird unweigerlich an die Anekdote von Kaiser Karl V. erinnert, der sich die letzten Jahre nach seiner Abdankung in einem Kloster seinem Hobby widmete. Im Bemühen, die Uhren seiner Sammlung zu synchronisieren, sah er ein, dass dies unmöglich war - was ihn zum Ausruf brachte: "Was war ich doch für ein Thor! Millionen von Menschen zu einerlei Meinung bringen zu wollen, da es mir nicht einmal mit zwei Uhren gelingt."

Doch nicht nur verschiedene Meinungen, auch die Formulierungen stellten Probleme dar. Eine Resolution europäischen Standards verlangt eine gewisse Struktur, bestehend aus "Informative Clauses", die das Problem aufzeigen, und "Operative Clauses", die eine Lösung anbieten. Beide Clauses müssen nach einheitlichen Richtlinien verfasst sein.

Nach zwei Tagen harter Arbeit und hitzigen Diskussionen konnte eine Resolution gefunden werden, mit der alle Delegierten einverstanden waren. Wie im echten Europäischen Parlament standen diese in der " General Assembly" (GA) vor ihrer größten Hürde.

Ziel der Abgeordneten war es nämlich, anhand von Reden und kritischen Fragen die Resolutionen der anderen Delegationen bis ins kleinste Detail zu zerlegen. Wenn man hier mit guten Argumenten punkten kann, wird einem eine hohe Kompetenz zugesprochen, was wiederum die Chancen erhöht, dass die eigene Resolution angenommen wird. Das Komitee für Regionale Politik und Transport konnte am Ende jubeln: Ihre Resolution wurde angenommen.

Während des Wochenendes lernten die Schüler nicht nur Alltag und Arbeitsaufwand eines Delegierten des Europäischen Parlaments kennen, sondern hatten auch die Möglichkeit, neue Bekanntschaften zu knüpfen.

Einige ausgewählte Jugendliche werden übrigens schon bald am internationalen MEP teilnehmen, entweder in Norwich (England), Reykjavík (Island) oder Vilnius (Litauen), wo sie die neu gewonnen Bekanntschaften vertiefen und Einblicke in die Kulturen anderer europäischer Länder gewinnen können. (Darius Djawadi, DER STANDARD, 30.1.2013)