2012 war ein "Banner Year for Indie Games", und auch 2013 wird ein gutes Jahr für die unabhängigen kleinen Games-Studios. Die erfreulichste Nachricht für alle Indie-Freunde ist wohl, dass die Fragmentierung der Systeme in abgeschlossene Konsolen-, Handheld- und Betriebssysteme zunehmend überwunden wird: Immer mehr Titel erscheinen nach und nach für verschiedene Plattformen, jüngst etwa Terry Cavanaghs psychedelischer Sado-Maso-Reflextrainer "Super Hexagon" für Android. Und die Vorurteile gegenüber Googles Betriebssystem wurden eindrucksvoll widerlegt: In den ersten vier Tagen seit Release wurde das Spiel über 25.000 Mal auf Googles Marketplace verkauft - ein Wert, der jenen des iOS-Starts um das Doppelte übersteigt. Auch das First-Person-Adventure "Kairo", bereits im Oktober hier vorgestellt, ist ab sofort mobil spielbar, allerdings vorerst nur auf Apples iOS. Es gibt also durchaus Hoffnung, dass erfolgreiche Indie-Games für Apples "walled garden", der momentan noch die meisten Indie-Developer anzieht, es auch auf Android und andere Plattformen schaffen. Psst, Developers: Der aktuell erschienene originelle iOS-Puzzler "Hundreds" wäre sicher auch ein Kandidat für andere Plattformen.

(Bild: "Slender: The Arival")

Wo es keine "offiziellen" Versionen auf einer Plattform gibt, schließen verlässlich andere Enthusiasten die Lücke: "Slender", das Horrorerlebnis, das wir bereits im Sommer empfohlen haben, bekommt nicht nur ein ganzes, bei weitem umfangreicheres Spiel names "Slender: The Arrival", sondern findet sich quasi reinkarniert auch auf der XBox wieder: "White Noise", vor kurzem für XBLA erschienen, lässt auch Konsolenspieler den Schrecken des PC-Phänomens nachempfinden.

Im Dezember fiel die monatliche Auswahl dem "Best of 2012" zum Opfer, deshalb hier die hochkarätige Auswahl der besten Indie-Games vom Rest des alten und vom Start des neuen Jahres.

Knytt Underground (Windows, Mac, Linux, PS3, PS Vita, ca. 9,99 Euro)

Nicklas Nygren, besser bekannt als Nifflas, erfreut seit Jahren seine Fangemeinde mit ganz speziellen Spielen: Seine "Knytt"-Reihe verzichtete seit jeher auf herausfordernde Geschicklichkeitstests oder Kämpfe und stellte stattdessen die Freude am reinen Erforschen der liebevoll gestalteten Umwelt ins Zentrum. Mit "Knytt Underground" eröffnet sich nun auch für Konsolenbesitzer die Welt des Schweden und entführt Höhlenforscher aller Altersgruppen in seine unterirdischen Welten. Auf den ersten Blick simpel, aber überraschend umfangreich und einfach bezaubernd.

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Miasmata (Windows, 14,99 Euro)

Man braucht kein hundertköpfiges Gamesstudio, um eine riesige, frei erkundbare Inselwelt auf die Beine zu stellen: Die zwei Brüder Bob und Joe Johnson haben mit "Miasmata" ein ganz spezielles Spiel entwickelt, das trotz First-Person-Perspektive ganz auf Schusswechsel verzichtet und uns stattdessen als Botaniker auf eine fremd-bedrohliche, aber zugleich wunderschöne verlassene Insel schickt, auf der wir an einem Heilmittel für unsere geheimnisvolle Krankheit forschen sollen. Das Überleben ist aber trotz (fast!) fehlender Feinde nicht immer einfach, denn Dehydration, Hunger oder gefährliches Terrain machen das atmosphärische Dschungelabenteuer zu einem düsteren Trip mit Überraschungen - perfekt für Entdeckernaturen mit Hang zum Outdoor-Survival.

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Kentucky Route Zero (Windows, Mac, Linux, ca. 6 bis 20 Euro)

Dass episodisches Spielen funktionieren kann, hat Telltale Games' "The Walking Dead" letztes Jahr beeindruckend bewiesen, und auch das US-Duo Cardboard Computer nutzt diese Form des Vertriebs. Der erste Akt ihres stylischen "magical realist adventure games" ist seit kurzem erhältlich und überzeugt neben der wunderhübschen Vektorgrafik im Stil des Klassikers "Another World" vor allem mit seiner absurd-düsteren Story und so mancher innovativen Idee. Wer David Lynch und Haruki Murakami etwas abgewinnen kann, wird auch an der mysteriösen Atmosphäre dieses Adventures seine Freude haben. Schade nur, dass nach diesem rundum gelungenen, aber etwas kurzen Einstieg in dieses faszinierende Universum erst einmal das Warten auf Teil zwei angesagt ist. Anspruchsvolle Spielefreunde sollten auf jeden Fall einen Blick auf "Kentucky Route Zero" werfen.

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Antichamber (Windows)

Eine Ankündigung, die noch haarscharf ins "Best of Januar" gehört: Alexander Bruces "psychological exploration game" "Antichamber" ist seit über drei Jahren eines der meisterwarteten Indiespiele und hat auch so gut wie alle relevanten Preise auf allen größeren Independent-Festivals als Vorschusslorbeeren eingeheimst. Ende Januar, genauer am 31.1., hat das Warten endlich ein Ende: Optisch einzigartig, von verführerischer Schlichtheit, aber dennoch ein wirklicher Test für Kombinations- und Auffassungsgabe, verspricht uns "Antichamber" so zu testen, wie es das seit "Portal" kein Puzzle-Spiel mehr geschafft hat. Freunde des experimentellen Minimalismus oder schlicht des atmosphärischen Puzzles sollten sich den 31.1. für dieses Spiel im Kalender markieren.

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Bientôt l'ètè (Windows, Mac, ca. 8 Euro)

Die Belgier Tale of Tales wandern seit Jahren selbstbewusst auf dem schmalen Grat zwischen Spiel und Kunst - ihre Rotkäppchen-Paraphrase "The Path" oder das minimalistische "The Graveyard" zählen zu den experimentellen Vorzeigetiteln des Mediums. Auch ihr neuestes Experiment "Bientôt l'été" dehnt den Begriff dessen, was man für gewöhnlich unter dem Begriff Spiel versteht, wieder ein Stückchen weiter aus. Am Strand spazierengehen, Rotwein trinken, rauchen und mit den gefundenen Konversationsfetzen aus Werken von Marguerite Duras in seltsam berührende intime Momente mit Unbekannten aus dem Internet verstrickt zu werden - wer von seinen Spielen nicht unbedingt nur gedankenlosen "Spaß" erwartet, sondern Games auch als Medium für spannende und andernorts nicht zu habende Erfahrungen sehen kann, sollte einen Blick auf dieses Experiment riskieren.

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Chasing Aurora (Wii U, ca. 12 Euro)

Zum Schluss ein leuchtender österreichischer Lokalmatador: Wie es das Wiener Indie-Studio Broken Rules geschafft hat, mit seinem Download-Titel "Chasing Aurora" in den illustren Kreis der Wii-U-Launchtitel aufgenommen zu werden, ist hier im Detail nachzulesen, Grund zur Freude ist es allerdings auf jeden Fall: Das originelle und optisch wunderschöne Spiel rund um den "Traum vom Fliegen" ist vor allem in Multiplayerrunden und durch die geschickte Unterstützung des Tablet-Gamepads ein großer Spaß für bis zu fünf Spieler, und der unnachahmliche Origami-Stil der Grafik lässt gemeinsam mit dem originellen Spielkonzept zu Recht Stolz auf "Indie made in Austria" aufkommen.

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Ein Blick in die weitere Zukunft des Games-Undergrounds - und ein Best-Practice-Beispiel für alle anderen - zum Schluss: In Dänemark führt die "National Academy of Digital, Interactive Entertainment", kurz DADIU, dänische Universitäten und Kunstschulen im Rahmen der (experimentellen) Games-Entwicklung zusammen. Die Resultate in Form der Abschlussarbeiten können sich sehen lassen. Auch die aktuell Ende letzten Jahres präsentierten Spiele sind gewohnt originell und allesamt kostenlos anspielbar - besonders "ION" und "Cantrip" können bei der diesjährigen Selektion locker mit so manchem professionellen Produkt mithalten. (Rainer Sigl, derStandard.at, 29.1.2013)

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