Mehr als 600 Postings - und ständig werden es mehr unter unserem Aufruf an Auslandsösterreicher. Da entfachen Diskussionen über die Lebensqualität im In- und Ausland, über die politische und gesellschaftliche Situation hier- und andernorts. Von drei Monaten Auslandsaufenthalt bis zu mehreren Jahrzehnten Reiseerfahrung ist alles dabei. Viele Berichten von Horizonterweiterungen beim Migrieren oder befürworten es generell, zumindest eine gewisse Zeit im Ausland zu verbringen.

Der Poster Das ist ein Postingname ist einer der ganz wenigen, die das Sprachenlernen überhaupt thematisieren: "Ich wollte immer schon woanders leben. Nicht, weil ich Österreich nicht mag, ganz im Gegenteil! Sondern weil ich schon immer, auch als Kind, reisen wollte, andere Sprachen lernen etc." Da tut sich in der österreichsichen Sprachendebatte wohl zwischen Immigranten und Emigranten ein großer Spalt auf.

Von bitterernsten Österreich-Abrechnungen über pragmatische Berufsentscheidungen bis zu ironischen Anekdoten - das Herumscrollen ist eine abwechslungsreiche und spannende Bereicherung. General Cornwell meint etwa: "Das Ausland ist super, das Schlimme daran ist nur, dass das schöne Wien dort nicht ist ..." "Super", bringt auch Humorrhoiden die halbe Welt auf den Punkt: "Asien ist super, wenn man Zeit hat. USA ist super, wenn man Geld hat. Österreich ist super, wenn man Urlaub machen will. "

Tanives wird bei solch regem und ausführlichem Forumsaustausch gleich etwas nach "Heimat" zumute: "Mir geht's im Ausland noch besser, seit es den Standard online gibt. Es ist natürlich etwas anderes, wenn der Schmäh live rennt, aber so manche Postings und Threads bringen mich zum Schmunzeln - als ob ich gerade 'zu Haus in Österreich' wäre." Erwähnt werden sollten an dieser Stelle auch die vielen Poster und Posterinnen, die bei einer Kanzlerwerdung H.-C. Straches mit Auswanderung "drohen".

Und User Spucks schreibt nach gründlicher Lektüre und reger Beteiligung: "Etwas, das ich beim Durchlesen der Kommentare gerade sehr schön finde hier: Man lässt die Leute ihre Geschichten und Beweggründe erzählen, kaum jemand schmeißt mit roten Stricherln um sich, wenn einem eine Meinung nicht passt, und kaum jemand versucht, anderen die Meinung/Gedanken/Gefühle abzusprechen." (red, daStandard.at, 30.1.2013)

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Muninn lebt seit acht Jahren in Island:

Ich hatte bereits von Kindheit an starkes Interesse an Nordeuropa, vor allem Island. Schließlich bot sich mir die Gelegenheit, und ich kam durch mein Studium vor gut zehn Jahren das erste Mal hierher. Ich wusste vom ersten Moment an, dass ich "heimgekommen" war. Danach war ich mehr hier als in Österreich, lernte liebe Menschen und das Land besser kennen. Wenn ich in Österreich war, ging es mir schlecht, weil ich extremes Heimweh nach Island hatte. Für mich war es daher eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann ich endgültig auswandern würde. Den Grund gab mir damals mein Freund, den ich in der Zwischenzeit traf.

Was ich vermisse: meine Familie, Freunde, ab und zu die Alpen, Wälder, einige österreichische Spezialitäten - zum Beispiel dunkles Brot, bestimmte Käsesorten, Wein, den Heurigen. Doch diese Dinge gemeinsam machen meine Besuche in Österreich dafür zu etwas Besonderem. Was mir nicht abgeht, ist etwa der Pessimismus, den man häufig in Österreich antrifft. Vom aktuellen Stand der Dinge aus gesehen kann ich mir nicht vorstellen, wieder nach Österreich zu ziehen oder in ein anderes Land, denn mein Zuhause ist Island.

Foto: dapd/jonina oskardottir

lgw sehnte sich nach einer Leistungskultur:

Nach Japan gekommen bin ich, weil die Menschen hier "sich zu bemühen" als Normalzustand betrachten und es seltsam für mich war, in einem Land zu leben, in dem dies ein Ausnahmezustand ist. Es gibt verschiedene Dinge zu vermissen. Vor allem die Süßwasser-Freibadekultur und dass Freunde einfach mal vorbeikommen. Pünktlich sind sie hier wie die Schweizer. Das ist gewöhnungsbedürftig, genau wie der Drang nach Brot, das nach nichts oder Zucker schmeckt. Schön ist allerdings, dass es weit weniger Streit gibt und mehr Dinge in Gesellschaft beziehungsweise in Gruppen gemacht werden, zum Beispiel das Aufräumen nach einer Party. Man bemüht sich eben, nett zu sein. Es gibt insgesamt weniger, das ich schlechter finde (Energie und Müllkultur), als jenes, was mir zusagt (Ess-, Bade- und Schlafkultur). Und bevor ich es vergesse: keine Diskussionen über Religion hier. Was für ein Segen es doch ist, nicht darüber nachdenken zu müssen, welche Idiosynkrasien man besser nicht anspricht ...

Foto: yuya shino

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lil' Angel ist der österreichische Beitrag zur New Yorker Multikulti-Szene:

Ich lebe seit sechs Jahren in New York. Was mir an Wien abgeht, ist das Sozialnetz, die billigen Mieten, meine Familie, meine Freunde, das Burgtheater und die Alte Donau (kein Scherz). Als Migrant fällt man hier in New York eigentlich gar nicht auf, hier ist fast jeder ein Zugereister. 

Das Kleinkarierte einiger Österreicher geht mir überhaupt nicht ab, und was mir am meisten auffällt, wenn ich in Wien bin, ist, wie wenig multikulturell es im Gegensatz zu New York ist. Da bin ich dann froh, wenn ich wieder da bin, wo alle Kulturen und Hautfarben es schaffen, reibungslos miteinander zu leben. Und was man den New Yorkern überhaupt nicht zutrauen würde: Sie sind viel freundlicher und offener als die Wiener!

reuters/eduardo

Diaspora - jetzt in Luxemburg - fühlt sich mehr als Europäer:

Österreich ist klein und korrupt. An die guten Jobs war nie wirklich ranzukommen. Die teilen sich die politischen Eliten im Land brav untereinander auf (siehe aktuell OeNB). So brachte ich mich jahrelang über fachfremde Aushilfsjobs durch. Ich hätte Mitglied einer großen Partei werden müssen, um wirklich weiterzukommen. 

Dann tat sich endlich die Möglichkeit auf, ohne bürokratische Hürden ins EU-Ausland zu gehen. Job im Fach gefunden, bin seit fast 15 Jahren in Luxemburg und fühle mich heute mehr als Europäer. Ich möchte nicht zurück, nur zum Urlaubmachen. An die ausländerfeindliche, egozentrierte Stimmung im Land konnte ich mich nie gewöhnen. Ich fühle mich in Österreich fehl am Platz.

Wessel du Plooy