Von Isetta bis Scootacar: Das "Bruce Weiner Microcar Museum" beherbergt die größte Sammlung von Kleinwagen der Nachkriegszeit – Nun kommt der Zwergenaufmarsch unter den Hammer

Bruce Weiner konnte nur verrückt geworden sein, dieser Typ mit dem bubenhaften, etwas linkischen Lächeln und den hellblonden, wirren Flusen am Kopf. Ausgerechnet in den USA, der Heimat der Kingsize-Burger und Supersize-Cola-Becher, der genetisch eingetackerten "The Bigger, the Best"-Attitüde, in einem Land, in dem Autos unter fünf Metern Länge und zwei Metern Höhe notorisch unter Verdacht stehen, irregeleitete Hippies oder Kommunisten zu beherbergen, ausgerechnet hier also fing dieser Mann an, Autos zu sammeln, die halb so groß wie ein popeliges Golf Cart waren. What? Microcars?

1991 ging das alles los. Damals trat sich der Chef eines florierenden Unternehmens, das Kaugummi-Automaten herstellte, mehr aus Zufall als geplant das erste Microcar ein. Was es genau war, was ihn an dem Messerschmitt-Kabinenroller faszinierte, den er in einer Anzeige entdeckt hatte, konnte der Selfmademan eigentlich nicht sagen. Die putzigen, meist mit einem krakeelenden Einzylinder-Zweitaktmotor bestückten Auto-Karikaturen gefielen ihm. Und sie waren vor allem "huge fun".

Hat definitiv "huge fun": Microcar-Sammler Bruce Weiner in seinem Element. (Foto: Darin Schnabel/RM Auctions)
Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Aus Spaß wurde Ernst: Bruce Weiner ließ sich vom Sammelvirus infizieren und steckte seine Kohle – mittlerweile war der Unternehmer nach dem Zukauf der in den USA legendären Marke "Dubble Bubble" zum millionenschweren Kaugummi-König aufgestiegen – in den Aufbau eines Miniaturen-Fuhrparks. Gekauft wurde alles, was von 1945 bis 1965 das Licht der Welt erblickte, höchstens 700 Kubik Hubraum hatte (ein grobes Richtmaß) und nicht mehr als zwei Türen aufwies (am besten aber gar keine).

Zarte Schale, schlauer Kern

Die Kleinode, die er meist in Deutschland, Frankreich, England und Italien aufstöberte, hörten auf den Namen Messerschmitt, Isetta, Goggomobil, Mochet, Fuldamobil, Bond, Kleinschnittger oder Peel. Allesamt vergessene, vom in den 1950er-Jahren einsetzenden Wirtschaftswunder weggespülte Hersteller, deren Verdienst es war, dem institutionalisierten Mangel der Nachkriegszeit so etwas wie Mobilität abzuringen.

Heraus kamen mit einer zarten Blechschale versehene, schlau zusammengestoppelte Wägelchen zum kleinen Preis, deren Luxus darin bestand, ein Lenkrad, ein Art Bestuhlung und ein passables Dach aufzuweisen. Die Leistungsdaten der Motörchen: Sparsamkeit und Unkaputtbarkeit. (Letzteres war manchmal nicht so gewiss.) Design war meist eine Folge von Funktion – bis dann schön langsam richtige Autos auftauchten.

Kurzer Kampf, schneller Tod

Die meist von der Moped-Fraktion her gedachten Winzlinge verloren rasch an Boden, die Hersteller steuerten verzweifelt gegen den Untrend an und stülpten ihren Gerätschaften mitunter bizarre, in eine nie stattfindende Moderne weisende Karosserien über. Ein anderer Designstrang miniaturisierte einfach die großen Vorbilder – die so entstandenen Karikaturen sorgten bestenfalls für ein paar Lacher vor dem Eissalon. Das Genre starb – bis auf einige Dauerläufer wie die Vespa Ape – einen schnellen Tod.

Es war an Bruce Weiner, diese Kleinode wiederzubeleben. Bald hatte er ein paar Dutzend Däumlinge beisammen. Doch 1997 bekam der Mann seinen ersten Rappel und stieß den Fuhrpark ab – um tags darauf erneut mit dem Sammeln zu beginnen. Schon bald ließ er für seinen Zwergenaufmarsch im eine Autostunde östlich von Atlanta gelegenen Madison das "Bruce Weiner Microcar Museum", eine standesgemäße Ausstellungshalle, errichten, in der fortan die Minicars aus dem Boden schossen.

Aufwendig restaurierte Ware wie etwa ein Isetta-Polizeiauto aus dem Jahr 1961 oder eine 1955er Fuji Cabin, dazu wirre Asphalt-Geschwüre wie den Kroboth Allwetter-Roller oder den heckamputierten Peel P50 hat Weiner in seinem persönlichen Liliput versammelt. Ein buntscheckiger Fundus, den der Sammler mit Kindertretautos, Spielzeugautos und Reklameschildern anreicherte. Mehrere hundert Relikte aus einer untergegangenen Zeit hat der Amerikaner so zusammengetragen.

Alles muss raus

Doch nun hat Bruce Weiner zum zweiten Mal ausgesammelt. Die beiden erwachsenen Kinder: immun gegen die Kleinodien. Die Gemahlin: bedingt begeistert. Die Messerschmitt-Sammlung: komplett. Und vielleicht ist es auch ein wenig das schlechte Gewissen, dass er in den vergangenen Jahren den Markt ziemlich kompromisslos leer gekauft hat. Am 15. und 16. Februar wird die wohl größte Kleinstauto-Sammlung der Welt vom Versteigerungshaus RM Auctions aufgelöst.

Unter den Hammer kommen 200 innovative, putzige, aus der Zeit gefallene Preziosen – allesamt ohne Ausrufungspreis. Und Bruce Weiner? Fängt wahrscheinlich am Tag nach der Versteigerung wieder an zu sammeln. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 29.1.2013)

Links


Ansichtssache:

Das "Bruce Weiner Microcar Museum" in Madison, Georgia. 200 Kleinstautos warten hier auf einen neuen Besitzer. Eine kleine Auswahl:

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Atlas Babycar, 1951. Ein kleiner Pariser, hergestellt von der Société Industrielle de Livry (S.I.L.). Der Hersteller - der auch ein Modell namens "Le Piaf" verantwortete - kam über die 1950er nicht hinaus. Trotz E-Starter serienmäßig.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Scootacar Mk I, 1959. In Leeds, England ersonnen. 1.500 kleine Herzensbrecher fertigte die Hunslet Engine Company. Herausragende Qualität des Windeis: Brutal süß!

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Messerschmitt KR 200, 1956. Willy Messerschmitt war quasi der Chefkonstrukteur der Deutschen Luftwaffe, nach dem verlorenen Weltkrieg schlug er als Namensgeber eines Kabinenrollers im Leben wieder auf. Zwei Passagiere hintereinander, darüber eine Plexiglashaube, aerodynamische Form. Fertig war der "Mensch in Aspik", wie die Regensburger Ware des Konstrukteurs Fritz Fend genannt wurde.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Messerschmitt KR 200 Cabrio, 1961. Der Wohlstand kam über Europa. Messerschmitt versuchte sich mit einem Cabrio an dem zart knospenden Lifestyle. Zu spät. 1964 wurde der Fahrzeugbau aufgegeben.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Mochet Typ K, 1948. George Moche hängte seinen Velocars kleine 80-Kubikzentimeter-Motörchen zwischen die Hinterräder. Der Typ K war das erste Modell mit Metall-Karosserie. Teilweise zumindest.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

BMW Isetta 300 Polizeiauto, 1961. Die Isetta, eine gebürtige Mailänderin, die nach München migrierte und einem späteren Premium-Hersteller das Leben retten sollte. Der Schlaglochabtaster verkaufte sich hunderttausendfach. Hier als Einzylinder-Viertakter und eher keine Gefahr für das Verbrechen.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

BMW Isetta "Bubble Window" Cabrio, 1956. Die Sehnsucht war groß, der Gardasee weit und ein Cabrio ein Traum. Von diesem Modell kamen bloß 50 Stück auf den Markt.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

BMW Isetta "Whatta Drag", Basis 1959. Der Kleinauto gewordene Zwergenaufstand. Trägt einen Chevrolet V8 mit 730 PS unter dem Heckflügerl. Vorlage war ein Dragster-Spielzeugauto von Hot Wheels aus dem Jahr 1998. Sieben Jahre später beschloss Bruce Weiner, das Ding auf Maßstab 1:1 aufzublasen. Das kleine Kraftpaket ist übrigens kein Schaustück, sondern ein ernsthafter Quartermile-Dominator.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Goggomobil TL-400 Transporter Pickup, 1959. Die Firma Glas in Dingolfing war in der unmittelbaren Nachkriegszeit ein Rückgrat der Basismobilisierung. Der gebläsegekühlte Zweizylinder-Zweitakter vermochte den Hersteller nicht bis in die Siebziger zu bringen. 1969 war Schluss. Schade.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Peel P50, 1964. Ist (angeblich) das kleinste Serienauto der Welt. Heiße 1,37 Meter, erschaffen auf der Isle of Man.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Peel Trident, 1966. Ein Top-Lader mit Plexiglaskuppel, befeuert von einem Triumph-Einzylinder-Motor. Die Mini-Raumkapsel war kein großer Erfolg: Zwischen 45 und 82 Exemplare wurden gebaut. Genaueres weiß man nicht.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Bond Bug 700E, 1972. Drei Räder, zwei Sitze, eine Lachnummer - so wurde der orange Keil zu Lebzeiten wahrgenommen. Heute ist das von 1970 bis 1974 gebaute Microcar in England sogenannter Kult.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Brütsch Mopetta, 1958. Klingt wie der Name einer Berliner It-Band, kommt aber aus Stuttgart. Der Tüftler Egon Brütsch baute diese originelle Kreation um einen 50-Kubikzentimeter-Motor herum. Der Schwabe prognostizierte Fiberglas eine große Zukunft. Seine Mopetta hatte kaum Gelegenheit, das zu beweisen: 14 Stück.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Inter 175A Berline, 1955. Ein Zyklop mit einem 175-ccm-Einzylinder-Zweitakter. Hergestellt von der Société Nationale de Constructions Aéronautiques du Nord in Lyon. Technische Details: Die Federung besteht aus Gummipolstern, die Lenkung wirkt per Kette auf die Vorderräder. Die vorderen Achsen ließen sich nach unten klappen, um die Breite des Vehikels bei Bedarf zu verringern. Der Grund: Parkgenehmigungen im öffentlichen Raum wurden im Nachkriegs-Frankreich restriktiv vergeben. Mit dem Klapp-Trick sollten die Geräte auch durch schmale Gartentore passen.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Reyonnah, 1951. Noch so ein Vorderachsen-Klapper, produziert von Robert Hannoyer, einem wohlhabenden Besitzer einer Pariser Autowerkstätte. Die federleichte Nase ließ sich einfach anheben, die Achsen rasteten automatisch ein. Das Gerät ließ sich übrigens auch im "Garagen-Modus" bewegen.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Avolette Record Deluxe,1956. Ein französischer Lizenzbau des Brütsch 200 Prototypen. Die Société Air Tourist packte einen 250-ccm-Motor mit 14 PS unters Fiberglas, was den Rundling in einen achtbaren Sportler verwandelte. Über Kurveneigenschaften gibt es keine Überlieferungen.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Fuji Cabin, 1955. Beim Thema Miniaturisierung waren natürlich auch die Japaner ganz vorn dabei. Konkret: Hitachi. Wie in Deutschland (Messerschmitt, Heinkel) kam auch dieser Versuch von einem ehemaligen Flugzeughersteller, der auf der Suche nach einem neuen Geschäftszweig war. Das Design stammt von Ryuichi Tomiya, der ob seiner Kreationen der "Leonardo da Vinci von Japan" gerufen wurde. 

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Voisin Biscooter Prototype, 1949. Stammt aus der Firma des genialischen Flugzeug-Konstrukteurs Gabriel Voisin. Nach dem Weltkrieg versuchte der Franzose mit diesem minimalistischen Gerät wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Der Biscooter war kein Erfolg, als in Spanien gefertigter Lizenzbau gingen jedoch immerhin 12.000 Exemplare weg.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Kroboth Allwetter-Roller, 1955. Die Firma Gustav Kroboth Maschinenbau, angesiedelt im bayerischen Seestall, zeichnet für dieses Mobil verantwortlich. Der Wagen wurde - so geht die Legende - vom völlig verregneten Sommer des Jahres 1953 angestoßen. Motorrad-Käufer blieben aus, der gebürtige Tscheche Kroboth fand ein probates Mittel dagegen: Ein Dach.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

Berkeley T60, 1960. Obwohl dem schmucken Roadster auf den ersten Blick etwas zu fehlen scheint, wurde der Zweizylinder-Flachmann aus Biggleswade, England ein echter Renner. 2.500-mal griffen die Kunden bei Berkeley, einer Firma, die eigentlich mit dem Bau von Wohnwagen groß geworden war, freudvoll zu. Als 1960 der Caravan-Markt erodierte, wurde die Roadster-Produktion mit in den Abgrund gerissen.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel

David, 1958. Stammt aus Barcelona, genauer von einem Hersteller von Fahrrädern mit Hilfsmotor. Ab 1950 bauten die Spanier dreirädrige Kleinstautos. Der David blickt etwas traurig in die Welt, will aber dennoch einen neuen Besitzer haben.

Foto: RM Auctions/Darin Schnabel