Das "Bruce Weiner Microcar Museum" beherbergt die größte Sammlung von Kleinwagen - Nun wird sie versteigert
Ansichtssache
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Stefan Schlögl
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Von Isetta bis Scootacar: Das "Bruce Weiner Microcar Museum" beherbergt die größte Sammlung von Kleinwagen der Nachkriegszeit – Nun kommt der Zwergenaufmarsch unter den Hammer
Bruce Weiner konnte nur verrückt geworden sein, dieser Typ mit dem bubenhaften, etwas linkischen Lächeln und den hellblonden, wirren Flusen am Kopf. Ausgerechnet in den USA, der Heimat der Kingsize-Burger und Supersize-Cola-Becher, der genetisch eingetackerten "The Bigger, the Best"-Attitüde, in einem Land, in dem Autos unter fünf Metern Länge und zwei Metern Höhe notorisch unter Verdacht stehen, irregeleitete Hippies oder Kommunisten zu beherbergen, ausgerechnet hier also fing dieser Mann an, Autos zu sammeln, die halb so groß wie ein popeliges Golf Cart waren. What? Microcars?
1991 ging das alles los. Damals trat sich der Chef eines florierenden Unternehmens, das Kaugummi-Automaten herstellte, mehr aus Zufall als geplant das erste Microcar ein. Was es genau war, was ihn an dem Messerschmitt-Kabinenroller faszinierte, den er in einer Anzeige entdeckt hatte, konnte der Selfmademan eigentlich nicht sagen. Die putzigen, meist mit einem krakeelenden Einzylinder-Zweitaktmotor bestückten Auto-Karikaturen gefielen ihm. Und sie waren vor allem "huge fun".
Aus Spaß wurde Ernst: Bruce Weiner ließ sich vom Sammelvirus infizieren und steckte seine Kohle – mittlerweile war der Unternehmer nach dem Zukauf der in den USA legendären Marke "Dubble Bubble" zum millionenschweren Kaugummi-König aufgestiegen – in den Aufbau eines Miniaturen-Fuhrparks. Gekauft wurde alles, was von 1945 bis 1965 das Licht der Welt erblickte, höchstens 700 Kubik Hubraum hatte (ein grobes Richtmaß) und nicht mehr als zwei Türen aufwies (am besten aber gar keine).
Zarte Schale, schlauer Kern
Die Kleinode, die er meist in Deutschland, Frankreich, England und Italien aufstöberte, hörten auf den Namen Messerschmitt, Isetta, Goggomobil, Mochet, Fuldamobil, Bond, Kleinschnittger oder Peel. Allesamt vergessene, vom in den 1950er-Jahren einsetzenden Wirtschaftswunder weggespülte Hersteller, deren Verdienst es war, dem institutionalisierten Mangel der Nachkriegszeit so etwas wie Mobilität abzuringen.
Heraus kamen mit einer zarten Blechschale versehene, schlau zusammengestoppelte Wägelchen zum kleinen Preis, deren Luxus darin bestand, ein Lenkrad, ein Art Bestuhlung und ein passables Dach aufzuweisen. Die Leistungsdaten der Motörchen: Sparsamkeit und Unkaputtbarkeit. (Letzteres war manchmal nicht so gewiss.) Design war meist eine Folge von Funktion – bis dann schön langsam richtige Autos auftauchten.
Kurzer Kampf, schneller Tod
Die meist von der Moped-Fraktion her gedachten Winzlinge verloren rasch an Boden, die Hersteller steuerten verzweifelt gegen den Untrend an und stülpten ihren Gerätschaften mitunter bizarre, in eine nie stattfindende Moderne weisende Karosserien über. Ein anderer Designstrang miniaturisierte einfach die großen Vorbilder – die so entstandenen Karikaturen sorgten bestenfalls für ein paar Lacher vor dem Eissalon. Das Genre starb – bis auf einige Dauerläufer wie die Vespa Ape – einen schnellen Tod.
Es war an Bruce Weiner, diese Kleinode wiederzubeleben. Bald hatte er ein paar Dutzend Däumlinge beisammen. Doch 1997 bekam der Mann seinen ersten Rappel und stieß den Fuhrpark ab – um tags darauf erneut mit dem Sammeln zu beginnen. Schon bald ließ er für seinen Zwergenaufmarsch im eine Autostunde östlich von Atlanta gelegenen Madison das "Bruce Weiner Microcar Museum", eine standesgemäße Ausstellungshalle, errichten, in der fortan die Minicars aus dem Boden schossen.
Aufwendig restaurierte Ware wie etwa ein Isetta-Polizeiauto aus dem Jahr 1961 oder eine 1955er Fuji Cabin, dazu wirre Asphalt-Geschwüre wie den Kroboth Allwetter-Roller oder den heckamputierten Peel P50 hat Weiner in seinem persönlichen Liliput versammelt. Ein buntscheckiger Fundus, den der Sammler mit Kindertretautos, Spielzeugautos und Reklameschildern anreicherte. Mehrere hundert Relikte aus einer untergegangenen Zeit hat der Amerikaner so zusammengetragen.
Alles muss raus
Doch nun hat Bruce Weiner zum zweiten Mal ausgesammelt. Die beiden erwachsenen Kinder: immun gegen die Kleinodien. Die Gemahlin: bedingt begeistert. Die Messerschmitt-Sammlung: komplett. Und vielleicht ist es auch ein wenig das schlechte Gewissen, dass er in den vergangenen Jahren den Markt ziemlich kompromisslos leer gekauft hat. Am 15. und 16. Februar wird die wohl größte Kleinstauto-Sammlung der Welt vom Versteigerungshaus RM Auctions aufgelöst.
Unter den Hammer kommen 200 innovative, putzige, aus der Zeit gefallene Preziosen – allesamt ohne Ausrufungspreis. Und Bruce Weiner? Fängt wahrscheinlich am Tag nach der Versteigerung wieder an zu sammeln. (Stefan Schlögl, derStandard.at, 29.1.2013)
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