Wien - Angst ist eine überlebensnotwendige Schutzfunktion vor möglichen Gefahren. Im Fall einer Angststörung wird diese positive Wirkung außer Kraft gesetzt: Sozialphobie-Patienten ängstigen sich vor ganz normalen, sozialen Situationen im Alltag, weil sie fürchten, sich unpassend zu verhalten oder von anderen für dumm gehalten zu werden.

Wissenschaftler vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik und der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien haben nun herausgefunden, dass dieses Angstnetzwerk zumindest teilweise deaktiviert werden kann.

Ronald Sladky vom Zentrum für Medizinische Physik und Biomedizinische Technik hat in der aktuellen Studie, mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie Änderungen der Gehirnaktivität von Sozialphobie-Patienten und gesunden Probanden gemessen, während der Betrachtung von Gesichtern. Dieses Experiment simuliert die soziale Konfrontation mit anderen Menschen, ohne die Person tatsächlich in eine für sie unerträgliche Angstsituation zu bringen.

Dauerhafte Konfrontation wirkt Angst mindernd

"Dabei zeigte sich, dass Menschen mit Sozialphobie zwar anfangs eine stärkere Aktivierung im Mandelkern und im medialen, präfrontalen Cortex des Gehirns aufweisen, nach einigen Durchgängen geht diese Aktivität allerdings zurück", so Sladky. Das widerspricht der bisherigen Annahme, dass sich das emotionale Netzwerk von SozialphobikerInnen nicht genügend an die stressauslösende Situation anpassen kann.

Die dauerhafte Konfrontation mit der Testaufgabe führte bei den Angstpatienten nicht nur dazu, schneller eine Lösung für das "Problem" zu finden, sondern auch dazu, dass manche Gehirnregionen umgangen wurden, die sonst, und krankheitstypisch, überaktiviert waren. Sladky: "Daher liegt der Schluss nahe, dass es auch im Emotionsnetzwerk von Sozialphobikern funktionierende Regulationsstrategien gibt, wenngleich es bei diesen Menschen etwas länger dauert, bis diese Mechanismen greifen. Die Fehlregulation dieser Gehirnteile kann also zu einem Teil kompensiert werden."

Personalisierte Trainingsprogramme

Diese Erkenntnisse könnte, so Sladky, der Anstoß zur Entwicklung von personalisierten Trainingsprogrammen sein, die den Betroffenen im Alltag helfen, die unangenehmen Situationen besser zu meistern. In Österreich sind jährlich rund 200.000 Personen von einer Sozialphobie betroffen. Die Dunkelziffer dürfte darüberhinaus sehr hoch sein, da viele Betroffene aufgrund der Angst nicht oder erst zu spät fachkundige Betreuung suchen. (red, derStandard.at, 28.1.2013)