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Nahrung soll die Gesundheit fördern. Beim Anblick von Spitalsessen vergeht vielen der Appetit. Und es entstehen Zweifel, ob in Großküchen Vitamine, Vollkorn oder Vollwert Themen sind.

Krankenhausessen ist nichts, woran sich Patienten gerne erinnern. Während eines Spitalaufenthalts ist es der von Besuchern am öftesten thematisierte Bereich überhaupt, ergab eine Umfrage. Abgesehen davon werden regelmäßig Hygienemissstände aus Zentralküchen bekannt, die mitunter dramatische Folgen haben. Zwar beteuern alle Beteiligten, dass die Kontrollen enorm sind, wenn aber ein Mangel auftritt, wird er großflächig spürbar. Der Grund sind nicht zuletzt Sparbemühungen. Denn trotz oder gerade wegen der Komplexität muss Krankenhausessen vor allem eines sein: billig.

Die meisten Krankenhäuser haben keine eigene Küche mehr, sondern lassen sich aus Großküchen beliefern. Deshalb sind Krankenhausträger wie etwa die Vorarlberger Spitalsgesellschaft dazu übergegangen, Zentralküchen für die Versorgung zu bauen. Hygiene ist dort zwar oberstes Gebot, doch nicht selten passieren Fehler.

Ein negatives Beispiel ereignete sich vergangenen Sommer in Deutschland. Die bisher größte Lebensmittel-Epidemie unseres Nachbarlandes wurde von einem Caterer für Schulen verursacht: Mit Noroviren verseuchte chinesische Erdbeeren lösten bei tausenden Schülern eine Brechdurchfall-Welle aus. Vor einigen Jahren führte eine Salmonelleninfektion in einem Pflegeheim in Vorarlberg zu zahlreichen Erkrankungen und mehreren Todesfällen. Ursache: ein zugekaufter Cremekuchen. Das Heim gehörte zu einer Pflegeheimgruppe, deren Essen zentral von einem Caterer gestellt wurde.

Natürlich ist Essen aus Großküchen nicht unhygienischer, weil es billiger ist. Weil Großküchen bekanntermaßen Gefahrenherde sind, ist die Hygienekontrolle dort sogar besser als in vielen kleinen Restaurants. Gerade in Krankenhausküchen sind die Kontrollen und Bestimmungen enorm, bestätigt die Ernährungsexpertin und Internistin am Wiener AKH, Irene Kührer. "Eine Infektionsgefahr ist hier durch die strenge Qualitätssicherung nahezu ausgeschlossen. In großen Krankenhäusern müssen alle Produkte auf alle herkömmlichen Erreger getestet werden. Nach dem Essen wird das Geschirr thermodesinfiziert." Bei kleinen Häusern sei das vielleicht noch anders.

Der Großteil der Beschäftigten in Spitälern ist mit dem Thema nicht direkt beschäftigt - sofern es nicht um Patienten geht, bei denen die Ernährung eine zentrale Rolle spielt, wie bei Menschen mit Erkrankungen im Verdauungsbereich oder alten, multimorbiden Patienten.

Diätenvielfalt

Viele Krankenhausbetreiber würden nach dem Prinzip arbeiten, dass die durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Patienten schon sehr kurz sei und die Ernährung in dieser Zeit kein echtes Problem darstelle, sagt Kührer. "Dennoch versucht man, dass Patienten nicht nüchtern bleiben, auch wenn es in Behandlungsabläufen zu Terminverschiebungen kommt." Die Empfehlung, nüchtern zur Blutabnahme zu kommen, sei übrigens Unsinn, sagt sie. "Das gilt nur, wenn etwa der Blutzucker untersucht wird."

Dazu komme, dass es eine Vielzahl an verschiedenen Menüzusammenstellungen für ein großes Krankenhaus geben müsse und Reserven in allen Bereichen für Notfälle, die etwa in der Nacht eingeliefert werden und in Planungen für den kommenden Tag nicht berücksichtigt sind. All das mache Krankenhausernährung zu einem sehr komplexen logistischen Thema. "Am AKH gibt es etwa 70 bis 80 Sonderdiäten, die regelmäßig bereitgestellt werden müssen", sagt Kührer. Insgesamt werde die Qualität seit Jahren besser. "Ich kann mich noch erinnern, früher gab es nur kaltes Abendessen, und das kam um 17 Uhr."

Andere Länder, strengeres Urteil: Kürzlich kritisierte eine Studie in England die Qualität der zentralen Essensversorgung in Krankenhäusern. Die Mahlzeiten dort sollen ungesünder sein als drei Viertel des Angebots in einem Fastfood-Restaurant. Das National Institute of Health and Clinical Excellence warnte, dass das Essen in den Spitälern sogar krankmachen könne.

Eine andere Kritik äußert der Buchautor Rob Lyons (Panic on a Plate). Er meint, das Essen in Spitälern sei zu langweilig und geschmacklos. Patienten würden es deshalb oft stehen lassen, was dem Heilungsfortschritt nicht entgegenkomme. Ernährungsexpertin Kührer: "Man darf aber nicht vergessen - sobald man krank ist, gibt es Geschmacksveränderungen, und meistens schmeckt einem dann gar nichts." Viele Krankenhäuser reagieren darauf und haben das Pflegepersonal geschult, Aufzeichnungen gerade bei sensiblen Patienten zu machen, ob sich diese ausreichend ernähren und trinken.

Hauptproblem auch hier: der wachsende Arbeits- und Kostendruck. "Der Anteil der Kosten von Verpflegung an den Gesamtkosten deutscher Krankenhäuser liegt nach Berechnungen bei 6,95 Prozent", rechnete zuletzt Anton Schmidt, Vorstandsvorsitzender der P.E.G. Einkaufsgenossenschaft, bei einer Veranstaltung in Wien vor. Umgerechnet auf Österreichs wären das im Jahr 2011 rund 780 Millionen Euro gewesen. Schmidt: "50 Prozent sind Personalkosten, 40 Prozent Lebensmittelkosten und zehn Prozent Sachkosten der Küche."

Convenience-Food

Die Komplexität beruht seiner Meinung nach auf drei Faktoren. Zum einen sei da die Produktion. "Hier stellt sich die Entscheidung zwischen der Eigenproduktion - ,Cook and Serve' versus Aufwärmen - beziehungsweise der Alternative dazu, nämlich dem Zukauf aus der Lebensmittelindustrie auf Basis von High-Convenience-Speisen, also Fertigprodukten." Nächstes Thema sei die Art der Speisenverteilung: Tablettsystem versus Großgebinde oder Servieren vor Ort. "Mit allen logistischen Themen, die sich anschließen, wie Schnittstellen der Berufsgruppen, Transportdienste und Schwesternschaft", so Schmidt. Letztes Problemfeld sei dann der Lebensmitteleinkauf generell.

Ein damit zusammenhängendes Thema wird in einem Testversuch im Landesklinikum St. Pölten bearbeitet - die Getränkeversorgung. In St. Pölten sind derzeit 50 neue Wasserspender der Firma Kärcher in Betrieb. "Bisher müssen wir pro Jahr 70.000 Euro für Flaschenwasser ausgeben", schilderte Bernhard Kadlec. Der kaufmännische Direktor zeigte sich erst kürzlich bei einer Pressekonferenz über eine Alternative erfreut. Wasserspender machen Lagerung und Leergut hinfällig, ebenso das Heben schwerer Kisten und nicht zuletzt Hygieneprobleme durch spezielle Ventile und eine thermische Desinfektion. Das Beispiel zeigt, dass sich manche Krankenhausleitungen intensiv mit diesen Themen befassen - auch wenn sie im Spitalsalltag oft nur als Nebenschauplatz wahrgenommen werden. (Martin Schriebl-Rümmele, DER STANDARD, 28.1.2013)