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Fritz Dinkhauser will nicht mehr Parteipolitik machen, sondern Mut zur Beteiligung der Bürger.

Foto: APA/Böhm

STANDARD: Sind Sie zufrieden nach fünf Jahren als zweitstärkste Partei in der Tiroler Opposition?

Dinkhauser: Nein. Ich habe in den vielen Jahren gelernt, dass du in der Lokomotive sitzen musst, damit sich etwas bewegt. Wenn du im letzten Wagon sitzt, kannst du nichts bewegen. Aber ich habe mir gedacht, auch wenn ich nicht Landeshauptmann bin, ich hab die Kraft des Einflusses. Ich konnte immer Menschen begeistern und bewegen. Wir haben politisch viel bewegt, aber wenig erreicht. Wir haben kontrolliert und aufgezeigt, aber bei der Umsetzung hat die schwarz-rote Mehrheit blockiert.

STANDARD: Sind Sie nicht 2008 angetreten, um Landeshauptmann zu werden?

Dinkhauser: Ich wollte in die Verantwortung, selbstverständlich. Das Bedauerliche war, dass der, den ich gefördert habe, mir von vornherein den Stuhl vor die Tür gestellt hat. Landeshauptmann Günther Platter hat nicht einmal mit mir verhandelt. Also bildeten wir mit Grünen und FPÖ eine starke Opposition. Wir allein haben circa 500 Anträge eingebracht, und 90 Prozent wurden von Schwarz-Rot sofort abgelehnt.

STANDARD: Warum konnte das Bürgerforum österreichweit bei der Nationalratswahl 2008 nicht punkten?

Dinkhauser: Ich habe meine Person völlig überschätzt. Und die Leute dachten, ich sei der Messias aus Tirol. Es war ein gewaltiger Druck - von Bürgermeistern aus ganz Österreich, Ärztegruppen und Bewegungen. Viele haben sich gemeldet. Die Gruppe hat sich dann für ein Antreten entschieden, um die Bewegung in Tirol zu stabilisieren. Wir hatten Umfragewerte von 16 Prozent. Dann traten Heide Schmidt mit dem Liberalen Forum und Jörg Haider auf. Wir hatten keine Chance mehr, ohne Auftritte im TV.

STANDARD: Sie haben sehr zielstrebig Ihren Weg verfolgt, sind auch schon in Ihrer Zeit als Tiroler Arbeiterkammerpräsident gegen die soziale Kälte in Ihrer Heimatpartei ÖVP aufgetreten.

Dinkhauser: Ich wollte die ÖVP jahrelang ändern. Im Salzburger-Programm steht alles drin, wie es sein sollte: Subsidiarität, Solidarität, christlich-soziale Ausrichtung. Das hat die ÖVP aber alles nicht mehr. Sie ist eine Partei der Lobbys, eine Partei des Kapitals und der Bauern. Unter Bauern verstehe ich nicht den kleinen Bauern. Den müsste man eigentlich schützen. Ich meine die Machtstruktur der Großen, etwa die des Raiffeisen-Konzerns. Das ist ein Machtkörper.

STANDARD: Warum sind Sie dann überhaupt zur ÖVP gegangen?

Dinkhauser: Das war sozusagen über die Muttermilch. Vater, Mutter und Onkel, alle standen der ÖVP nah. Mein Onkel war Nationalrat. Der gesamte Umkreis war aus dem ÖVP-Bereich. Dann war ich Geschäftsführer der jungen VP - und das ist dann gewachsen.

STANDARD: Würden Sie heute wieder mit der ÖVP in die Politik starten?

Dinkhauser: (lacht lange) Nein. Ich würde zum Bürgerforum gehen. Und wenn es das nicht gäbe, würde ich es wieder gründen.

STANDARD: Warum haben Sie das Bürgerforum dann erst 2008 gegründet?

Dinkhauser: Ich hatte 2008 auch keine Eingebung über Nacht. Schon 1995, unter dem damaligen Landeshauptmann Wendelin Weingartner, baten mich Menschen zu kandidieren. Sie seien mit der ÖVP nicht mehr zufrieden. Ich habe mich damals noch dagegen gewehrt. 2008 habe ich mir dann gesagt: Es ist mir so gut gegangen, es ist in meiner Karriere immer alles aufwärtsgegangen - ich bin's den Leuten schuldig. Und dann habe ich gesehen, dass ich völlig allein dastehe mit meinem Bürgerforum. Keiner hat mir Geld gegeben. Also habe ich einen Kredit aufgenommen, mit dem Risiko, dass das auch in die Hose gehen kann.

STANDARD: Warum sind Sie dieses Risiko eingegangen?

Dinkhauser: Darum geht es doch: dass man sich etwas zutraut. Ich sage: Mut zum Risiko. Nicht immer auf sich selbst schauen, aber auf die Menschen. Allerdings sich treu bleiben. Das spüren die Menschen. Das Bauchgefühl ist wichtig in der Politik. Das ist heute kaum mehr zu spüren. Vielleicht noch in kleinen Gemeinde, wo man dauernd an der Front ist. Politik wird fast nur mehr von Leuten gemacht, die ihre Stehsätze runterbeten. Das ist Fassade.

STANDARD: Wie geht es mit dem Bürgerforum weiter?

Dinkhauser: Ich trete nicht mehr an. Das heißt aber nicht, dass die Gemeinschaft, die Partei aufgelöst wird. Jetzt wird über Nachfolger nachgedacht. Die Kandidatur muss beruflich und privat machbar sein. Die Person muss Leidenschaft wie ich haben. Mit halber Kraft kannst du das nicht machen.

STANDARD: Und was macht Fritz Dinkhauser ohne Politik? Wirklich nichts mehr?

Dinkhauser: Nichts tun geht nicht. Schon aus sportlichem Ehrgeiz. Man muss die Menschen unterstützen. Weg von der Partei- hin zur Bürgerpolitik. Dass sie mittun wollen und die Verantwortung übernehmen. Wie der Heini Staudinger im Waldviertel! Das gefällt mir, dass der sich auflehnt und sich nicht alles gefallen lässt. Er hat ja eine Akademie gegründet. So eine Bewegung möchte ich gründen, eine Akademie, die direkte Demokratie in den Gemeinden unterstützt. Wenn das nicht ist, ist das auch in Ordnung. Ich habe eine alte Vespa, ein Cabrio und eine tolle Partnerin. (Verena Langegger, DER STANDARD, 28.1.2013)