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Aussicht auf ein Date? FDP-Chef Rainer Brüderle soll eine "Stern"-Journalistin mit Anzüglichkeiten überhäuft haben.

Foto: EPA/WOLFGANG KUMM

Das Foto ist groß, aber harmlos. Rainer Brüderle winkt und lächelt fast ein wenig schüchtern. Doch der Text im aktuellen Stern ist weniger vorteilhaft für den FDP-Fraktionschef, der die Partei als Spitzenkandidat in die Bundestagswahl im Herbst führen soll.

Verfasst wurde er von der 29-jährigen Stern-Journalistin Laura Himmelreich, der Titel lautet "Der Herrenwitz". Himmelreich hat Brüderle mehr als ein Jahr lang auf diverse Veranstaltungen begleitet und schildert ihn als einen äußerst volkstümlichen Politiker, der nicht nur dem Alkohol zuspricht, sondern auch Frauen.

Letzteren allerdings, laut Himmelreich, in grenzüberschreitender Art und Weise. So habe er im Rahmen des FDP-Dreikönigstreffens 2012 spätabends an einer Stuttgarter Hotelbar ihre Hand geküsst und mit Blick auf ihren Busen erklärt: "Sie können ein Dirndl auch ausfüllen".

"Politiker verfallen doch alle Journalistinnen"

Auf ihre Bitte nach mehr Distanz habe Brüderle geantwortet: "Politiker verfallen doch alle Journalistinnen. Am Ende sind wir alle nur Menschen." Als Brüderle ihr bei der Verabschiedung zu nahe kam, habe sich seine Sprecherin mit den Worten "das tut mir leid" entschuldigt und dem "neuen FDP-Wahlkampfgesicht" dann mit strengen Worten klargemacht, dass es jetzt Zeit sei, ins Bett zu gehen (und zwar allein).

Die Erregung über den Artikel ist groß. Einerseits gibt es in sozialen Netzwerken eine hitzige Debatte, viele Frauen berichten von ähnlichen Situationen (siehe Artikel rechts). Andererseits ist die FDP empört, allerdings nicht über Brüderle, sondern über den Stern.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) findet den Text "zutiefst unfair". Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionsvorsitzender Wolfgang Kubicki, der selbst um keinen Spruch verlegen ist, meint, es sei seltsam, "dass die junge Journalistin offensichtlich über ein Jahr gebraucht hat, um ihr Erlebnis zu verarbeiten".

Journalistinnen kein Freiwild

Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn verteidigt das Porträt hingegen und meldet sich in der Online-Ausgabe des Magazins unter dem Titel " Journalistinnen sind kein Freiwild" zu Wort. Er schreibt: "Der erste Eindruck, den Laura Himmelreich vor einem Jahr von Brüderles Umgang mit Frauen gewonnen hatte, bestätigte sich im Laufe der Zeit bei weiteren Beobachtungen und Begegnungen. Ich halte unsere Berichterstattung deshalb für legitim."

Unterstützung bekommt der Stern aber auch von einer FDP-Frau. Die FDP-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin erklärt, die Freidemokraten müssten ihre Einstellung zu Frauen ändern. Die FDP sei das "Schlusslicht, wenn es darum geht, Gleichberechtigung in der eigenen Partei zu leben". Koch-Mehrin begrüßt es, dass Stern-Journalistin Himmelreich den Mut gehabt habe, in ihrem Artikel "das Thema Anzüglichkeiten so offen zu benennen". (Birgit Baumann, DER STANDARD, 26./27.1.2013)