Ein Zentrum für Selbstmordprävention und andere Einfälle, um das Campusleben zu verbessern: die einfallsreiche Violet aus "Damsels in Distress", verkörpert von der großartigen Greta Gerwig. 

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Whit Stillman wurde schon der "Wasp-Woody-Allen" genannt. 

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Wien - Campus-Komödien bieten im US-Kino seit jeher ein Feld, auf dem sich gesellschaftliche Kräfte vermessen lassen. Es gibt die Nerds, die viel wissen, aber um die sich niemand schert, und die Jocks, die mit ihren sportlichen Leistungen oft andere Defizite überdecken. Whit Stillmans Komödie Damsels in Distress (auf "Deutsch" mit dem unsäglichen Titel Algebra in Love versehen) fügt diesen Polen nun eine Gruppe von Studentinnen hinzu, die sich den Moden und Trends der Gegenwart alles andere als unterwerfen. Wer sich an Wes Andersons Rushmore erinnert, in dem ein 15-Jähriger sein Leben in der Privatschule so ausrichtet, als würde er diese nie verlassen, weiß ungefähr, was damit gemeint ist.

Stillman (61) hat mit dem Film, der soeben auf DVD erschienen ist, eine immerhin 14 Jahre währende Schaffenspause als Regisseur beendet. Seine ersten drei Arbeiten, Metropolitan, Last Days of Disco und Barcelona, entstanden in den 1990er-Jahren und fanden durch ihren ungewöhnlichen Tonfall, mit dem sie jugendliche Lebenswelten eines sehr bürgerlichen Milieus ("preppy people", nennt man sie in den USA) darstellten, eine treue, fast könnte man sagen, glühende Anhängerschaft. Damsels in Distress fügt sich in diese Reihe durchaus geschmeidig ein: Der distanziert-spöttische, aber nie überhebliche Blick, mit dem Stillman auf seine Figuren blickt, ist derselbe geblieben; neu ist, dass der Schauplatz wie eine geschlossene Welt erscheint - die früheren Filme waren stärker von ihrem zeithistorischen Umfeld geprägt, selbst wenn sie auf vergangene Zeiten zurückblickten.

Zu Damsels in Distress habe ihn nicht seine eigene Studienzeit im Harvard der 1970er-Jahre so sehr motiviert ("Das war eine viel zu deprimierende Zeit."), erzählt Stillman im Telefoninterview. Er erinnerte sich vielmehr an die Geschichte einer Gruppe von Frauen, die nach seiner Zeit den Campus durch ihren Esprit veränderten: "Diese Mädchen waren dafür bekannt, dass sie französisches Parfum trugen, sich gut anzogen und tolle Party organisierten. Kurzum, sie sorgten endlich für ein Sozialleben und machten Harvard zu einem viel fröhlicheren Ort."

Im Film ist die erfinderische Violet Wister (Greta Gerwig) die treibende Kraft, die gemeinsam mit ihren Freundinnen Rose (Megalyn Echikunwoke), Heather (Carrie MacLemore) and der neu dazustoßenden Lily (Analeigh Tipton) eine Eingreiftruppe bildet, die sich gegen Verfallserscheinungen am Campus wendet. Sie gründen ein Zentrum für Selbstmordprävention, um die unter Studenten grassierenden Depressionen zu stoppen, bieten Tanz-Workshops an und werden gegen üble Gerüche der männlichen Spezies sowie ihrer Räumlichkeiten aktiv.

Obwohl Stillman auch heiter-zotige Campus-Komödien wie Animal House zu schätzen weiß, ist ihm mehr ein Film wie Peter Yates' Breaking Away vorgeschwebt: "Ich wollte von dem Druck erzählen, den viele junge Menschen erfahren, von Gruppendynamiken - ein französischer Kritiker verglich das Thema sogar mit Goethes Werther. Freilich macht sich der Film über solche romantischen Ideen von Selbstmord eher lustig."

Revolte für die Konvention

Stillmans Komödie sucht allerdings nicht schnelle Pointen, sondern veranschaulicht eher eine soziale Haltung, die sich aus einer durchaus konservativen Vorliebe für bürgerliche Werte speist; es ist eine Revolte für die Konvention und korrektes Verhalten - und, wie es Lily einmal ausdrückt, für die Normalität. Man muss darin wohl auch den Versuch sehen, Angst vor den chaotischen Fliehkräften der Gegenwart zu bannen.

"Dies kommt daher", sagt Stillman ironisch, "dass ich als 14-, 15-Jähriger nie wusste, zu welcher Gruppe ich eigentlich gehöre." Mit Politik will er heute aber nichts mehr zu tun haben, dafür gefällt ihm die Idee eines gesellschaftlichen Panoramas: "Ich liebe russische Romane aus dem 19. Jahrhundert, in denen sich eine ganze Gesellschaft materialisiert, bei Tolstoi oder natürlich auch bei Balzac. Ich habe das Gefühl, dass solche Ansätze heutzutage fehlen."

Besonders ans Herz gewachsen ist Stillman dennoch eine Figur, Violet, die es sich zur Maxime macht, nur mit Männern auszugehen, die ihr unterlegen sind - davon würden diese Männer, ist sie überzeugt, längerfristig profitieren. Schon daran lässt sich erkennen, dass in Stillmans Film viel Raum für exzentrische Ansichten bleibt. Übrigens auch für exzentrische Einlagen wie eine Stepptanznummer, die auf einen Fred-Astaire-Song aus einem Film von 1937 zurückgeht. Er hieß A Damsel in Distress. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 26./27.1.2013)