Unserem Aufruf nach Erlebnisberichten von Auslandsösterreichern sind viele Leser und Leserinnen gefolgt. Wir präsentieren hier die erste Auswahl der Geschichten, die uns per Mail zugesandt wurden

Hier ist Mike bei einem Einsatz in Mexiko.

Michael a.k.a. Mike Strasser, Überflieger in den USA:

Der Grund dafür, ins Ausland zu gehen, war bei mir der Traum vom Fliegen. Das Problem in Österreich war, dass mir zu viele Leute (von denen viele nicht einmal in der Fliegerei waren) eingeredet haben, es sei für mich nicht möglich, Pilot zu werden. Ich hatte damals Brillen und kein Geld, und "die AUA würde mich sowieso nicht nehmen" und "das Militär auch nicht", wurde mir gesagt.

Nach langer Recherche bin ich auf Flugschulen in den USA gestoßen, die billigere Kurse angeboten haben. Ich ging dann mit der UNO ein Jahr nach Zypern, um mir das Geld für die Flugschule zusammenzusparen. Im Mai 1996 sagte ich meinen Eltern, ich käme in drei Monaten wieder, wenn ich mit der Flugschule fertig bin. Seither bin ich in den Staaten und wohne jetzt in Las Vegas.

Als Kind wollte ich immer entweder Feuerwehrmann oder Pilot werden. Vor elf Jahren habe ich dann meinen Job als Waldbrand-Hubschrauberpilot angetreten. Ich bin seither jede Feuersaison als Pilot beschäftigt gewesen und habe an verschiedenen Orten wie Mexiko und Alaska Feuer gelöscht. Ich habe praktisch beide meiner beruflichen Träume hier verwirklichen können. Im Moment bin ich Chefpilot bei einer Firma, die dem US Forest Service im Sommer fünf Hubschrauber zur Verfügung stellt.

Ein weiterer Erfolg in der Fliegerei ist dann noch überraschend für mich dazugekommen in der Form von Comics. Mein Bruder und ich haben vor Jahren den Flieger-Comic "Chicken Wings Comics" erfunden, der jetzt auf der ganzen Welt in fliegerspezifischen Fachzeitungen und in neun verschiedenen Sprachen erhältlich ist, was meinen Job noch unterhaltsamer und interessanter macht.

Ironisch, dass ich jetzt auf Umwegen Autor wurde (mein Bruder macht die Illustrationen). Damals in Österreich wurde mir das auch nicht unbedingt zugetraut, denn ich wäre in English dreimal beinahe durchgefallen.

Man sieht also, dass das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" für mich gehalten hat, was es verspricht. Das Essen, die Gemütlichkeit, meine Familie und lange Abende beim Heurigen gehen mir am meisten ab. Aber Österreich ist ja bekanntlich ein sehr schönes Land, um Urlaub zu machen, und daher auch ein jährlicher Fixpunkt für mich.

Foto: privat

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Katharina lebt seit 2010 in Frankreich:

Der Grund für meine Auswanderung war (und ist) die Liebe; außerdem wollte ich immer schon in einem anderen Land leben, und es stimmt: Das erweitert den eigenen Horizont ungemein.

Was mir an Frankreich gefällt: Ich wohne in der Nähe von Paris in einem wunderschönen Ort mit mittelalterlichen Gebäuden; überhaupt liebe ich die französische Architektur, die Dörfer mit ihren Steinbauten, die romanischen oder gotischen Kirchen. Beinahe jeder Ort birgt einen kleinen architektonischen Schatz.

Außerdem habe ich hier nicht wie in Österreich das Gefühl, in einer Bananenrepublik zu leben. Hier wird wirklich Weltpolitik betrieben, was hier entschieden wird, hat Bedeutung. Die Österreicher leben, wie mir scheint, ein bisschen in einer Traumwelt. Jedes kleine Problem wird zu einer Riesensache aufgebauscht - die aber außerhalb Österreichs niemanden interessiert.

Insgesamt gefällt mir die französische Mentalität - natürlich, die österreichische Gemütlichkeit gibt es hier nicht. Aber dafür viel weniger Selbstmitleid, weniger Raunzen und weniger Kompromissbereitschaft, vielmehr den Willen, um seine Ideale und Forderungen zu kämpfen. Okay, manchmal gehen die Streiks schon zu weit. Aber generell sehe ich diese Denkweise positiv.

Ein weiterer Punkt, der mir an Frankreich und den Franzosen gefällt, ist ihre Art, mit Kindern umzugehen: Es wird einfach weniger Aufhebens um sie gemacht, die Kinder sind keine Könige, und man gibt nicht sein ganzes Leben für sie auf. Im Gegenteil, es sind Familienmitglieder wie alle anderen auch, und man erwartet von ihnen, dass sie am Familienleben "ganz normal" teilnehmen. Mit drei, vier Monaten kommen sie in die Krippe, und das ganztags. Natürlich kommt mir das teilweise extrem vor - aber dennoch, diesen unaufgeregten Zugang finde ich sympathisch.

Freilich ist nicht alles in Frankreich großartig, und manchmal geht mir meine Heimat ganz schön ab. Zum Beispiel muss ich jeden Tag drei Stunden in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbringen, und leider gibt es damit viel zu oft Probleme: Unfälle, Streiks, technische Pannen. Das ist sehr schlauchend.

Die Lebenserhaltungskosten sind in Paris einfach viel zu hoch, deshalb leben viele Menschen, die hier arbeiten, so wie ich auswärts. Ich komme mir oft vor wie ein Schaf in einem Viehtransport. Anfangs hat mich diese Menschenmasse, die in den U-Bahnen und Zügen allgegenwärtig ist, total überfordert. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Aber dennoch, "menschlicher" lebt man bestimmt in Wien.

Ja, und dann gibt es noch die sauteuren Restaurants mit den mäßig freundlichen Kellnern, die einen behandeln wie einen Untermenschen, wenn man nicht das teuerste Menü samt Aperitif, Digestif und Kaffee bestellt. Die Kriminalität und Unsicherheit, die dazu führt, dass sich meine Kolleginnen nach 9 Uhr abends kaum vor die Haustür und schon gar nicht in die Metro trauen. Die Tatsache, dass es hier kein 13. und 14. Monatsgehalt gibt. Und auch keine Buttermilch, kein Schmalz, kein Roggenvollkornbrot, keinen Mohn, keine mürben Kipferl, keine Cremeschnitten von der Aida. Na ja, dafür gibt es ausgezeichnete Pains au chocolat und Magret de canard.

Perfekt ist es hier nicht, aber wo ist es das schon? Insgesamt lebt es sich doch ganz gut hier. Wobei ich mir sehr gut vorstellen kann, auch wieder nach Österreich zurückzukehren. Irgendwann.

Foto: dpa/Johannes Eisele

Sebastian Jacoba schreibt:

Schon als kleines Kind habe ich davon geträumt, eines Tages im Ausland zu leben. Jetzt, im 30. Lebensjahr (eigentlich viel zu spät!), habe ich mir diesen Traum erfüllt. Seit ein paar Monaten bin ich in der für mich persönlich schönsten Stadt der Welt, Hamburg. Mir war Wien immer zu stur, zu kleinkariert und zu grantig. Zugegeben - das hat alles auf mich abgefärbt. Eh klar, ein echter Wiener.

Wieso Hamburg? Der Hafen, das Wasser, die Leute, die Häuser und der FC St. Pauli. All das lässt täglich meine Augen leuchten, wie bei Kindern beim Anblick des Christbaums zu Weihnachten. Jeden Tag in der Früh wache ich mit einem Kribbeln im Bauch und mit Gänsehaut auf. Dieses Gefühl habe ich in Wien nie gehabt. Ich wohne um die Ecke des wohl schönsten Stadions in Deutschland, dem Millerntor. Heimspiele des magischen FC gehören genauso zum Pflichtprogramm wie ein Spaziergang am Hafen oder der beste Burrito der Welt bei Jim Burrito's. Ich war schon immer Fan des FC St. Pauli. Klar, wenn man mit neun Jahren zum ersten Mal die Totenkopf-Flagge sieht, findet man das einfach cool. Allerdings ist aus dem "Coolfinden" mit den Jahren pure Begeisterung geworden, auch wenn der jetzige Präsident ein Volltrottel ist. Dafür können die Kicker wenig und werden von mir voller Überzeugung immer unterstützt.

Bei dem Bild, das die meisten von den Norddeutschen haben - da kann ich nicht unterschreiben. Von wegen kühl! Alle Hamburger, die ich bis jetzt kennenlernen durfte, sind offen und sehr herzlich. Abgesehen von meinem Einzug in meine erste WG hier hatte ich keinen negativen Augenblick. Als Single zu einer alleinerziehenden Mutter, die sich gerade im Sorgerechtsstreit befindet, samt neunjähriger Tochter zu ziehen war definitiv keine gute Idee. Schon gar nicht, wenn Stunden nach dem Einzug von einer gemeinsamen Familie die Rede ist oder man ständig Engelchen genannt wird. Jetzt wohne ich jedenfalls bei den nettesten Leuten und in der schönsten Straße der Stadt. Das ist wie ein Sechser im Lotto, ein Volltreffer!

Der Hamburger Jung Hans Albers hat es mal sehr treffend formuliert: "Das Herz von St. Pauli, das ist meine Heimat, in Hamburg, da bin ich zu Haus. Der Hafen, die Lichter, die Sehnsucht begleiten das Schiff in die Ferne hinaus. Das Herz von St. Pauli, das ruft mich zurück, denn dort an der Elbe, da wartet mein Glück!"

Ich habe mein Glück seit letztem Sommer endlich gefunden, sowohl privat als auch beruflich. Dieser Schritt war der beste meines Lebens. Außerdem haben mir Freunde gesagt, dass ich seit meinem Umzug das erste mal fröhlich und glücklich wirke - schön ist das! Hamburg, ich liebe dich!

Foto: angelika wermuth

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Maximilian Nowak ist Student an der ETH Zürich:

Warum ich ausgewandert bin? Ganz einfach: Unser lieber Staat Österreich hat es in den letzten Jahren leicht verabsäumt, ein bisschen mehr in die Bildung der jungen Menschen dieses Landes zu stecken. Mit Ausnahme einer Handvoll Institutionen liegt das Bildungsniveau weit unter dem, was hierzulande möglich wäre. 

Mich hat es deshalb nach Zürich gezogen. Die TU Wien kann man immer besuchen, unabhängig von Matura-Erfolgen. Die ETH Zürich hingegen fordert schon einen gewissen Notenschnitt und bestimmte Fächerbelegungen. Weiters wird die Uni regelmäßig für ihre Leistungen gewürdigt, und die Studenten landen in wichtigen Positionen, sowohl was Forschung als auch was Management angeht. Mit 650 Franken im Semester, was weniger ist, als so manche hoch gelobte Privatschule in Wien pro Monat kostet, ist die Ausbildung schon ein richtiges Schnäppchen. 

Wenn man den ganzen Statistiken glauben schenken will, belegt die Uni in den Bereichen "Engineering" und "Natural Sciences" regelmäßig Plätze unter den Top Ten weltweit. Davon sind unsere Unis noch sehr weit entfernt. Natürlich kommt man mit dem Preisniveau in Zürich summa summarum auf dieselben Ausgaben wie in Wien. Vielleicht wird's eine Spur mehr, aber nicht wirklich erwähnenswert.  

Österreich ist zwar ein absolutes Traumland und vor allem Wien eine traumhafte Stadt, aber um junge Menschen künftig im eigenen Land zu behalten, sollte man schon früh dort investieren, wo es wichtig ist.

Foto: dapd/tim schulz

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Paul aus London:

Seit ziemlich genau sechs Jahren lebe ich in London. Eine Fernbeziehung war der Anfang und der Drang, endlich einmal die Erfahrung zu machen, im Ausland zu leben. Studieren, Arbeiten und unendlich viele neue, wichtige Erfahrungen folgten. Mit "einem Jahr zumindest" habe ich gerechnet - na ja, ich bin immer noch hier. 

London ist es einfach gewohnt, international zu sein, und die "Politeness" der Bevölkerung macht gemeinsam zu leben hier einfacher. Wie viel Kontakt du zu deinen Nachbarn (aus Bangladesch) hast, liegt - wie in Wien - sowieso an dir selbst. Aber ein "You're alright?" ist immer üblich, wenn man sich am Gang trifft, und das bricht oft das Eis und ist Basis für ein Gespräch. So etwas habe ich nach dieser Erfahrung dann auch bei Besuchen in Wien probiert und dadurch im täglichen Miteinander um einiges mehr Leute kennengelernt als zu der Zeit, bevor ich nach England gegangen bin.

Eine kleine Episode aus meinem ersten Jahr hier: Behördenwege finde ich hier wie dort in gleichem Maße mühsam. Gut ist, dass Österreich wie UK versuchen, einiges ins Web zu verlagern, was es in vielen Fällen für mich erleichtert hat - hier wie dort. Allerdings habe ich mich am Anfang natürlich um Dinge kümmern müssen, die zu Hause selten anfallen. Oder die, weil man dort eben aufgewachsen ist, quasi von selbst funktionieren, etwa eine Sozialversicherungsnummer zu erhalten. Ein Prozess, zu dem du dich anmelden musst, zu einem Interview gerufen wirst, dann eine provisorische erhältst und vielleicht drei bis fünf Monate später eine endgültige. Noch lustiger wird's aber bei deinem ersten Bankkonto (außer du bist wohl bei einer großen Bank angestellt). Hier gibt es kein Melderegister. Um zu beweisen, dass du an einem Ort wohnst, brauchst du einen Mietvertrag oder eine "Facility Bill", also eine Strom- oder Gasrechnung etwa. Die kommt man aber nur zweimal im Jahr, und wenn du in eine WG ziehst wie ich, dann lauten die selten auf deinen Namen. Ach ja, für einen Mietvertrag oder eine "Facility Bill" braucht man übrigens normalerweise ein Bankkonto ...

Ist aber im Vergleich vermutlich alles lächerlich. Ein europäischer Pass bringt dich einfach weit. Aus Gesprächen mit Nicht-EU-MigrantInnen hier weiß ich, dass es speziell bei Behördenwegen signifikante Unterschiede gibt. Die Visa-Regeln etwa verändern sich wohl alle paar Wochen. Wenn du um eine Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung ansuchst, musst du ein gewisses Formular herunterladen, das ausfüllen - nur keine Rechtschreibfehler! - und ja alle geforderten Dokumente im Original beilegen. Die sind dann bis zu ein halbes Jahr weg. Heißt manchmal: kein Pass, keine Reise. Sollte sich das Formular nach dem Download bis zu deiner Einsendung geändert haben, und du hast es nicht gemerkt, bekommst du alles wieder zurück mit dem Vermerk: Falsches Formular verwendet! Wie gesagt, das ist mir erspart geblieben. Anders läuft's aber in Österreich wohl auch nicht (was auch eine Anfrage für eine Bekannte bestätigt hat). Es ist nur einmal sehr aufschlussreich, dass die ach so globalisierte Welt natürlich eine des Geldes ist und nicht eine der Leute.

Ob es mich nach Österreich zurückzieht? Wenn es um die engsten Freunde geht, ja. Regelmäßigere Bergtouren, Skifahren, ein Schwarzbrot oder das eine oder andere "österreichische" Essen - klingt nach Klischees. Nicht, dass sie mir so abgehen, aber ich hab's zu Hause dann doch sehr gern. Nach Weihnachtsfeiertagsorgien in Österreich bin ich andererseits aber auch wieder gern hier, denn meine kulinarischen Mischwelt-Eigenkompositionen - basierend auf den durchaus sehr, sehr guten Zutaten, die man hier bekommt - sind besser geeignet für den Alltag. Und zum Nicht-dick-Werden. Eines weiß ich jedenfalls: Sollte ich wieder einmal in Österreich wohnen, wird mir das inspirierende, internationale Umfeld hier abgehen. Aber vielleicht entdecken ja bis dahin noch mehr ÖsterreicherInnen, was sie alles von "anderen" Menschen, die gar nicht so anders sind als sie selber, lernen können; wie bereichernd so ein Miteinander sein kann. Denn die acht Millionen, die wir sind, werden immer zusammen mit anderen tun müssen. Abgeschottet wird's einfach nie gehen. Und dazu einen positiven Ansatz zu haben kostet bei weitem weniger Nerven, als immer nur zu nörgeln.

Foto: reuters/stefan wermuth