Katharina lebt seit 2010 in Frankreich:
Der Grund für meine Auswanderung war (und ist) die Liebe; außerdem wollte ich immer schon in einem anderen Land leben, und es stimmt: Das erweitert den eigenen Horizont ungemein.
Was mir an Frankreich gefällt: Ich wohne in der Nähe von Paris in einem wunderschönen Ort mit mittelalterlichen Gebäuden; überhaupt liebe ich die französische Architektur, die Dörfer mit ihren Steinbauten, die romanischen oder gotischen Kirchen. Beinahe jeder Ort birgt einen kleinen architektonischen Schatz.
Außerdem habe ich hier nicht wie in Österreich das Gefühl, in einer Bananenrepublik zu leben. Hier wird wirklich Weltpolitik betrieben, was hier entschieden wird, hat Bedeutung. Die Österreicher leben, wie mir scheint, ein bisschen in einer Traumwelt. Jedes kleine Problem wird zu einer Riesensache aufgebauscht - die aber außerhalb Österreichs niemanden interessiert.
Insgesamt gefällt mir die französische Mentalität - natürlich, die österreichische Gemütlichkeit gibt es hier nicht. Aber dafür viel weniger Selbstmitleid, weniger Raunzen und weniger Kompromissbereitschaft, vielmehr den Willen, um seine Ideale und Forderungen zu kämpfen. Okay, manchmal gehen die Streiks schon zu weit. Aber generell sehe ich diese Denkweise positiv.
Ein weiterer Punkt, der mir an Frankreich und den Franzosen gefällt, ist ihre Art, mit Kindern umzugehen: Es wird einfach weniger Aufhebens um sie gemacht, die Kinder sind keine Könige, und man gibt nicht sein ganzes Leben für sie auf. Im Gegenteil, es sind Familienmitglieder wie alle anderen auch, und man erwartet von ihnen, dass sie am Familienleben "ganz normal" teilnehmen. Mit drei, vier Monaten kommen sie in die Krippe, und das ganztags. Natürlich kommt mir das teilweise extrem vor - aber dennoch, diesen unaufgeregten Zugang finde ich sympathisch.
Freilich ist nicht alles in Frankreich großartig, und manchmal geht mir meine Heimat ganz schön ab. Zum Beispiel muss ich jeden Tag drei Stunden in den öffentlichen Verkehrsmitteln verbringen, und leider gibt es damit viel zu oft Probleme: Unfälle, Streiks, technische Pannen. Das ist sehr schlauchend.
Die Lebenserhaltungskosten sind in Paris einfach viel zu hoch, deshalb leben viele Menschen, die hier arbeiten, so wie ich auswärts. Ich komme mir oft vor wie ein Schaf in einem Viehtransport. Anfangs hat mich diese Menschenmasse, die in den U-Bahnen und Zügen allgegenwärtig ist, total überfordert. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Aber dennoch, "menschlicher" lebt man bestimmt in Wien.
Ja, und dann gibt es noch die sauteuren Restaurants mit den mäßig freundlichen Kellnern, die einen behandeln wie einen Untermenschen, wenn man nicht das teuerste Menü samt Aperitif, Digestif und Kaffee bestellt. Die Kriminalität und Unsicherheit, die dazu führt, dass sich meine Kolleginnen nach 9 Uhr abends kaum vor die Haustür und schon gar nicht in die Metro trauen. Die Tatsache, dass es hier kein 13. und 14. Monatsgehalt gibt. Und auch keine Buttermilch, kein Schmalz, kein Roggenvollkornbrot, keinen Mohn, keine mürben Kipferl, keine Cremeschnitten von der Aida. Na ja, dafür gibt es ausgezeichnete Pains au chocolat und Magret de canard.
Perfekt ist es hier nicht, aber wo ist es das schon? Insgesamt lebt es sich doch ganz gut hier. Wobei ich mir sehr gut vorstellen kann, auch wieder nach Österreich zurückzukehren. Irgendwann.