Etliche Medien glaubten nach dem 20. Jänner in der Kanzlerpartei so etwas wie Unruhe erkennen zu können. Die "Kronen Zeitung" wollte sogar wissen, "es brodelt in der SPÖ", was diesen publizistischen Urquell allen Gebrodels in seiner Rolle als volksnaher Weichensteller österreichischer Geschicke aufs Neue bestätigt. Aber solange die spirituelle Einheit von Partei und Boulevard in Stein gemeißelt bleibt, besteht nicht der geringste Grund zur Aufregung. Im Gegenteil. Die Souveränität, mit der der Wiener Bürgermeister den undisziplinierten Parteisoldaten aus St. Pölten zum Rapport kommandierte, dem es nicht gefiel, wie Michael Häupl seinem Freund Erwin Pröll vor der Wahl in Niederösterreich volksbefragungsmäßig den Rücken stärkte, verdient Lob. Wo käme die SPÖ hin, ließe man die Insubordination niedriger Chargen einreißen?

In der roten Armee braver Parteisoldaten muss man schon den Rang eines Landeshauptmannes oder einer Landeshauptfrau bekleiden, um leise Zweifel an der genialen, in einer langen Serie von Niederlagen bestätigten Strategie der obersten Führung anmelden zu dürfen. Gern gesehen wurde auch das nicht, denn es störte die Kranzniederlegung am Denkmal des bekannten Parteisoldaten Norbert Darabos, dessen Bravheit mangels eines inversen Maria-Theresien-Ordens höchstens per Victor-Adler-Medaille mit Immergrün und roten Nelken gerecht zu würdigen wäre.

Viel mehr Sorgen müsste sich Vizekanzler Spindelegger machen, wurde doch die SPÖ in ihrer vormaligen Meinung zur Wehrpflicht vom Volk überzeugend bestätigt, während die ÖVP mit ihrer vormaligen Meinung zum Berufsheer eine deutliche Abfuhr erlitten hat. Sie hat nicht begriffen, was man auf dem Feldherrenhügel Löwelstraße im kleinen Finger hat - den Unterschied zwischen langfristiger Strategie und kurzatmiger Taktik. Umso schlimmer für die Volkspartei, dass sie diesem Versagen in monolithischer Geschlossenheit erlag, zumindest nach außen hin.

Warum also sollte bei dem Zauber der Demontage, den die SPÖ nicht erst seit Sonntag ausstrahlt, irgendjemand an deren Führung zweifeln? Dass sie zu ihrer vorläufig letzten Meinung vom befragten Volk die falsche Antwort erhalten hat - an ihr lag es nicht. Im Wissen, dass Kriegführen Geld kostet, hat sie genug Steuergeld in den Boulevard geschaufelt. Wenn der dann nicht imstande ist, der Bevölkerung die Antwort zu entlocken, die sie im Nationalratswahlkampf gern als Waffe eingesetzt hätte, muss man kein braver Parteisoldat sein, um ihr jeden Vorwurf zu ersparen. Was sich schon einmal als Rohrkrepierer erwiesen hat, hätte sich diesmal zur Rakete mausern können, wäre nicht eingetreten, was niemand vorhersehen konnte: Diese teuflische Verschwörung der Alten gegen die Jungen, angeführt vom Verschwörer in der Präsidentschaftskanzlei. Zwar konnte niemand in der SPÖ ahnen, dass es in Österreich mehr ältere als junge Menschen gibt, aber den Ruhm, Partei der Jugend zu sein, hat sie der ÖVP nun voraus.

Sollte das nicht bis zum Herbst reichen, gibt es immer noch den alten Vorschlag, sich ein anderes Volk zu suchen - über dem sich die Führung in Ruhe entfalten kann. (Günter Traxler, DER STANDARD, 25.1.2013)