Nun also auch Liechtenstein: Österreich hat mit dem Fürstentum ein Steuerabkommen nach Schweizer Vorbild ausverhandelt. Gegen einen vergleichsweise geringen Obolus bereinigen Steuerflüchtlinge damit die schmutzige Vergangenheit, und Österreich kann neuerlich mit monetärem Füllmaterial für die klaffenden Budgetlücken rechnen. Diese moderne Form des Ablasshandels wirft gleich mehrere moralische und Gerechtigkeitsfragen auf. Und untergräbt darüber hinaus die EU-Bemühungen, die Steueroasen Liechtenstein und Schweiz auszutrocknen.

Zugegeben: Jede Amnestie steht mit dem Gleichheitsgrundsatz auf Kriegsfuß, werden doch den Sündern günstigere Konditionen offeriert als den Steuerehrlichen. Unter gewissen Voraussetzungen könnte diese Schieflage wieder korrigiert werden, beispielsweise wenn die Maßnahme eine Präventivwirkung hätte oder die Nachlässe für die Vergangenheit in Zukunft mehr Gerechtigkeit brächten. Das ist allerdings nicht der Fall. Österreich verlangt von den Steuerflüchtlingen weder die Offenlegung der hinterzogenen Gelder noch eine Repatriierung. Und auch die neue Adresse der Schwarzgelder interessiert die heimische Finanz nicht, wenn Vermögen noch vor Inkrafttreten der Steuerabkommen in andere Oasen verschoben werden.

System kollabiert

Völlig außer Acht bleiben mit den Deals andere mit Steuerhinterziehung verbundene Delikte. Von Bawag über Buwog bis hin zur Kärntner Hypo, Begas, MEL-Provisionen oder dem Fall Gildemeister/Morscher: In allen (und vielen anderen) Fällen führen die Geldspuren nicht nur nach Liechtenstein, vielmehr geht es um weitere Verdachtsmomente, die wegen der völlig undurchsichtigen Stiftungsgeflechte nur äußerst mühsam oder gar nicht zu beweisen sind. Nicht nur der Fall Grasser zeigt, dass in Liechtenstein eine Zunft blüht, deren Geschäftsbasis die Kombination karibischer Briefkästen mit lokalen Strohmännern darstellt.

Wie sehr Österreich mit dem System kollaboriert, zeigt schon der Umstand, dass das Land bis vor kurzem als Einziges über ein Doppelbesteuerungsabkommen mit Liechtenstein verfügte. Dank EU-Mitgliedschaft konnten somit auch andere europäische "Anleger" ihr Geld via Österreich im Fürstentum steuerlich optimieren - und wieder zurückschicken. Liechtensteinischen Briefkästen folgten österreichische, die wiederum für internationale Player attraktiv sind.

Bestes Einvernehmen

Zahlreiche Konstruktionen wurden dabei im besten Einvernehmen mit der österreichischen Finanz konzipiert. Der lasche Umgang mit der Steuerhinterziehung im großen Stil verblüfft umso mehr, als die Vorgangsweise der Behörden im Inland oft in die entgegengesetzte Richtung weist. Kleine Betriebe oder einfache Lohnsteuerzahler können von einem solchen Schongang der Finanz nur träumen.

Gekoppelt mit dem eigenen Bankgeheimnis, das Finanzministerin Maria Fekter mit Zähnen und Klauen verteidigen will, wandert Österreich auf einem schmalen Grat. Wie durchsichtig die Politik ist, zeigt der bevorstehende Steueraustausch mit den USA, während man die EU mit ähnlichen Anliegen seit langem anrennen lässt. Offenbar muss wirklich erst die Kavallerie ausrücken, um Österreichs Ehrenschutz für vermögende Steuerflüchtlinge zu durchbrechen. Man darf schon gespannt sein, mit welchen Argumenten Wien die Bevorzugung Washingtons in Brüssel erklären wird. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, 25.1.2013)