Schwarze Schafe gibt es überall, auch in Österreich. So manches davon knabbert mit seinen liechtensteinischen Kollegen am hiesigen Steueraufkommen. 

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EU-Kommissar Semeta: Wir brüllen nicht herum.

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STANDARD: Haben Sie heuer schon Starbucks-Kaffee getrunken?

Semeta: Noch nicht. Wenn ich in die USA oder nach Großbritannien reise, passiert das aber schon mal. Warum fragen Sie?

STANDARD: In Großbritannien wird Starbucks vorgeworfen, Steuerpflichten zu umgehen. Der Konzern verschiebt Gewinne, etwa indem er Kaffee von seiner Schweizer Niederlassung teuer einkauft.

Semeta: Die aggressive Steuerplanung von Konzernen ist ein ernstes Problem. Dabei geht es nicht nur um große Fälle aus den Medien, sondern auch um viele kleine. Die EU-Kommission hat im Dezember Empfehlungen abgegeben, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Dazu zählt, dass wir den Ländern vorschlagen, unternehmensinterne Transaktionen, die nur getätigt werden, um Steuern zu sparen, nicht anzuerkennen. Eine nachhaltigere Lösung des Problems wäre es freilich, wenn die EU-Länder der Kommission endlich grünes Licht geben würden, um das System der konsolidierten Unternehmensbesteuerung in Europa umzusetzen.

STANDARD: Wo wäre der Vorteil?

Semeta: Derzeit sind die Regeln zur Berechnung der Unternehmensgewinne von Land zu Land verschieden, das System ist intransparent. Wir schlagen vor, dass Konzerne ihre Gewinne künftig nach einheitlichen Regeln berechnen und den Behörden eine Steuerbilanz für alle Niederlassungen vorlegen. Aus dieser ließe sich über eine Formel, die auf Kapital, Arbeit und Umsatz abstellt, errechnen, wie viel der Konzern in welchem Land zu zahlen hat. Das Problem der Transferpreise wie aus dem Starbucks-Beispiel wäre gelöst. Deutschland, Frankreich und bis zu einem gewissen Grad Österreich unterstützen den Vorschlag, skeptisch sind wie immer die Briten und einige Osteuropäer, die fürchten, das alles wäre der erste Schritt für einheitliche Minimalsteuersätze in der EU. Wir planen das nicht, aber das ist die Angst.

STANDARD: Zuletzt sind in meh-reren Euroländern große Steuerbetrugsfälle publik geworden, oft aufgrund geklauter Daten aus der Schweiz, wo Bankkunden weiterhin anonym bleiben können. Warum geht die EU-Kommission das Thema so diplomatisch an?

Semeta: Wir stehen nicht auf der Straße und brüllen herum, handeln aber auch nicht mit vornehmer Zurückhaltung. In Steuerfragen gilt in der EU, dass Fortschritte nur mit Einstimmig- keit erzielt werden können. Ergebnisse brauchen Zeit. Die Kommission hätte etwa gerne grünes Licht, um mit der Schweiz ein breites Abkommen über den Austausch von Steuerinfos zu schließen. Österreich und Luxemburg blockieren das. Diese Haltung ist politisch völlig inakzeptabel, gerade in einer Zeit, in der Staaten in einer schwierigen Situation stecken und dringend Einnahmen brauchen.

STANDARD: Das zentrale EU-Instrument gegen Steuerbetrug ist der länderübergreifende Tausch von Bankkundendaten. 25 EU-Länder nehmen teil, Österreich und Luxemburg verweigern. Nun hat Österreich mit der Schweiz und Liechtenstein Verträge geschlossen, die Bankkunden weiter Anonymität zusichern. Die Schweiz will eine Alternative zum EU-Modell schaffen.

Semeta: Ich kann der Schweiz und Liechtenstein nichts verbieten. Aber die internationale Entwicklung geht in eine völlig andere Richtung. Die USA zählen inzwischen zu jenen Ländern, die den automatischen Austausch massiv vorantreiben. Die Vorstöße der USA im Rahmen Fatcas werden Bewegung in die Sache bringen und dazu beitragen, den Austausch von Kundeninformationen als internationalen Standard zu verankern. Das ist nur eine Frage der Zeit.

STANDARD: Die USA machen Druck, aber wie hilft das der EU?

Semeta: Seit dem 1. Jänner 2013 gilt eine neue EU-Richtlinie über Amtshilfe. Diese schreibt ausdrücklich fest, dass EU-Länder sich gegenseitig in Steuerfragen nicht schlechter behandeln dürfen als Drittländer außerhalb der Union. Im Klartext: Ein Staat wie Österreich kann nicht mit den USA Kontoinformationen austauschen und dies seinen Partnern in Europa vorenthalten. Ich sehe also keinen Grund für Österreich und Luxemburg, die Weiterentwicklung in der EU zu blockieren, und hoffe, dass man das auch in Österreich und Luxemburg versteht.

STANDARD: Was geschieht, wenn Österreich ein Abkommen mit den USA schließt, aber keine Daten mit der EU tauscht?

Semeta: Das Prinzip ist klar: Wenn ein EU-Land einem Drittstaat bessere Bedingungen gibt, dann ist das ein Rechtsverstoß, was letztlich auch zu einer Klage der EU-Kommission führen kann.

STANDARD: In Österreich hat das Bankgeheimnis Tradition. Sie machen sich keine Freunde, wenn Sie dagegen ankämpfen.

Semeta: Der automatische Austausch gilt nur für EU-Bürger aus anderen Staaten. Österreich kann sich seine Tradition für seine eigenen Bürger behalten. Aber die Staatsbürger könnten schon fragen, warum der österreichische Staat es erlaubt, dass Deutsche oder Franzosen in Österreich Konten erhalten können, ohne dies ihrem Heimatland melden zu müssen. Das Prinzip ist simpel: Dadurch, dass die Infos über Konten getauscht werden, ermöglicht man anderen Ländern, die ihnen zustehenden Steuern einzutreiben. (András Szigetvari, DER STANDARD, 25.1.2013)