Weißer Staub in einem Röhrchen? Nein, das ist künstliche DNA, die laut Bioinformatiker Nick Goldman in zehn Jahren zum universellen Datenträger werden könnte.

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Digitale Information - hier ein Auszug aus Shakespeares Sonett 18 - in DNA kodiert.

Illustration: Goldman et al., Nature

London/Wien - Im Moment halten wir bei rund drei Zettabyte. Das klingt nach nicht besonders viel, bedeutet aber nicht mehr und nicht weniger als 3.000 Milliarden Milliarden (also 10 hoch 21) Bytes an digitaler Information, über die wir zurzeit auf unserem Planeten verfügen. Doch wie sollen all diese Daten für die Nachwelt erhalten werden? Festplatten sind vergleichsweise teuer und brauchen Strom. Datenträger wie Magnetbänder, die ohne Strom auskommen, halten nur wenige Jahre.

Die Biowissenschaften gehören mit der Gen-Sequenzierung mittlerweile zu den größten digitalen Datenproduzenten. Nun kommt von ihrer Seite eine mögliche Lösung des Datenspeicherproblems: Forscher am Institut für Bioinformatik des European Molecular Biology Laboratory (EMBL-EBI) haben eine Methode entwickelt, um digitale Daten in Form von DNA abzuspeichern - also jener Substanz, die in jeder Zelle unser gesamtes Erbgut enthält.

"Extrem haltbare Art der Speicherung"

"Man weiß längst, dass DNA eine extrem haltbare Art der Informationsspeicherung ist", sagt EMBL-EBI-Forscher Nick Goldman: "Wir können DNA aus den Knochen von Wollmammuts extrahieren, die vor zehntausenden Jahren lebten." Außerdem sei DNA unglaublich klein und brauche auch keinen Strom zur Aufbewahrung.

Während Bioinformatiker gelernt haben, DNA in Höchstgeschwindigkeit zu lesen, stellte sie das Beschreiben von DNA vor zwei Probleme: Man kann nämlich erstens nur kurze Bruchstücke von DNA herstellen, und zweitens kommt es insbesondere bei der Wiederholung gleicher Buchstaben zu Fehlern.

Leseirrtümer ausschalten

Eine neue Methode umgeht zumindest das zweite Problem: Die nach wie vor kurzen DNA-Bruchstücke werden mit einander überlappenden Buchstabenreihen beschrieben, damit keine Leseirrtümer passieren können. Um ihr Verfahren zu testen, schickten die EMBL-EBI-Bioinformatiker unter anderem Shakespeares 154 Sonette und eine Rede Martin Luther Kings mit entsprechenden Anleitungen an die kalifornische Firma Agilent Technologies, die künstliche DNA herstellt. Die Kalifornier taten, was ihnen aufgetragen wurde, und schickten die hunderttausenden beschriebenen DNA-Teilchen - eine kleine Prise "Staub" - zurück nach Europa. Hier konnte die synthetische DNA tatsächlich fehlerfrei eingelesen werden, wie die Forscher um Goldman im Fachblatt "Nature" berichten.

Der Bioinformatiker ist vom Potenzial seiner Methode überzeugt, die auch neue Dimensionen der Speicherdichte erreicht: 100 Millionen Stunden hochaufgelöste Videos in Form von DNA hätten in einer Teeschale Platz. Bleiben die Kosten, die noch ein Problem darstellen. Nach den Schätzungen Goldmans sollte die Methode aber spätestens in zehn Jahren kommerziell einsetzbar sein. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 24.1.2013)