Der strittige Bausatz - um 139,99 Euro nicht gerade billig.

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Der "Jabba's Palace" von Lego

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Die Hagia Sophia in Istanbul.

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Es ist ein Kampf Gut gegen Böse: Das "Star Wars"-Epos des US-Drehbuchautors, Regisseurs und Produzenten George Lucas setzte Mitte der 1970er Jahre neue Maßstäbe auf der Kinoleinwand. Und was Erfolg hat, lässt sich auch gut vermarkten. So erwirtschaftete die Space Opera laut einer Schätzung des US-Magazins "Forbes" in 28 Jahren durch Merchandising - via Videospiele, Comichefte, TV-Serien, Spielzeuge und so weiter - eine Gesamtsumme von beinahe 20 Milliarden US-Dollar. Somit ist "Star Wars", wenig überraschend, finanziell gesehen das erfolgreichste Filmprojekt aller Zeiten.

Eine Überraschung ganz anderer Art glaubte ein Familienvater in Wien am Weihnachtsabend zu erleben. Seine Schwester hatte besten Gewissens, aber offenbar nicht besten Wissens ein besonderes Geschenk für ihren Neffen unter den Christbaum gelegt: den Lego-Bausatz "Jabba's Palace" des dänischen Spielzeugherstellers Lego. Damit nahm das Schicksal seinen Lauf, denn der Bausatz habe einigen "pädagogischen Sprengstoff" enthalten, wie sich schnell herausstellte. Der Vater wandte sich umgehend an die Türkische Kulturgemeinde Österreichs. Ein weiterer Kampf Gut gegen Böse sozusagen. Denn, so der Vorwurf, die dargestellten Figuren und der Palast strotzten nur so vor Vorurteilen und Unterstellungen gegenüber Orientalen und Asiaten als hinterlistigen und kriminellen Persönlichkeiten. Nach eingehender Prüfung sah auch die Türkische Kulturgemeinde Züge der "Volksverhetzung" in dem Spielzeug.

Hässlicher Bösewicht und Terroristenanführer

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Der Palast samt dazugehörigem Turm sei bei genauerer Betrachtung ein 1:1-Abklatsch der Hagia Sophia in Istanbul oder der Moschee Jami al-Kabir in Beirut und eines Minaretts. Kurz, das Modell ähnle Sakralbauten, egal ob Kirche, Moschee, Synagoge oder Tempel. Der dort hausende Terrorist Jabba liebe es, Wasserpfeife zu rauchen und seine Opfer töten zu lassen. Die Türkische Kulturgemeinde weiter: "Es ist offensichtlich, dass für die Figur des hässlichen Bösewichts Jabba und die ganze Szenerie rassistische Vorurteile (...) - Sklavenhalter, Anführer von Verbrecherorganisationen, Terroristen, Verbrecher, Mörder, Menschenopferung - bedient wurden." Erschreckend sei auch die rot-schwarze Teufelsfratze auf der Schachtel rechts oben, die zumindest ein augenfälliges Signal sei, dass das Spiel nicht unter dem Christbaum am Weihnachtsabend liegen sollte.

Lego konterte, der Bausatz sei dem "Star Wars"-Original "so realistisch wie möglich nachgebaut". Genau hier aber sieht Ata Sel, zuständig für Öffentlichkeitsarbeit bei der Türkischen Kulturgemeinde, auf derStandard.at-Anfrage das Problem: "Hier werden zu Tempeln Assoziationen bei Kindern geweckt, die nicht stimmen. Wir sind keine Fundamentalisten. Wir wollen nur sensibilisieren, das ist unser demokratisches Recht." Das Spielzeug sei sicher nicht für Kinder zwischen neun und 14 Jahren geeignet, "vor allem in Hinblick auf ein friedliches Zusammenleben verschiedener Kulturen in Europa".

Raketen, Kanonen, Waffen wie Laserpistolen, Gewehre und Samuraischwerter und Falltüren seien pädagogisch bedenklich. Daher der Appell an Lego, pädagogisch und therapeutisch wertvolles Spielzeug nach neurowissenschaftlichen Erkenntnissen zu erzeugen und nicht weiter auf Kriegsspielzeug zu setzen. Um der Argumentation mehr Gewicht zu verleihen, behält sich die Kulturgemeinde rechtliche Schritte vor und überlegt, in Österreich, Deutschland und in der Türkei Klage bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft in Form einer Sachverhaltsdarstellung gegen Lego wegen (Volks-)Verhetzung bei der jeweiligen Staatsanwaltschaft einzureichen. Ata Sel: "Wir wollen die Marke Lego nicht schlechtreden. Es geht darum, Probleme zu sehen und zu diagnostizieren. Von einem Unternehmen, das eigentlich für pädagogisch wertvolle Spielzeuge bekannt ist, sollte man mehr Verantwortungsbewusstsein erwarten."

Das 1932 gegründete Familienunternehmen Lego erzielte 2011 mit seinen Bauklötzen und Figuren einen Rekordgewinn von 4,1 Milliarden Kronen (427 Mio. Euro). Im ersten Halbjahr 2012 wuchs der Nettoumsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent auf 9,1 Milliarden Kronen (rund 1,2 Mrd. Euro). Das Unternehmen beschäftigt derzeit rund 10.000 Mitarbeiter.

Das um sein Weihnachtsgeschenk umgefallene Kind bekam von der der Kultur-Gemeinde ein anderes Präsent zugestellt: ein deutsch-türkisches Kinder-Wörterbuch. Wie heißt es so schön: Das Imperium schlägt zurück. (Sigrid Schamall, derStandard.at, 23.1.2013)