Leben und kochen auf dem Fluss.

foto: michael langoth studio trizeps, edition styria

Der Mekong (hier bei Can Tho, Vietnam) ist die Lebensader einer Reihe einzigartig raffinierter Küchentraditionen.

foto: michael langoth studio trizeps, edition styria

Für Mekong Food fotografierte Michael Langoth einen Mönch im Klostergarten von Luang Prabang in Laos.

foto: michael langoth studio trizeps, edition styria

Michael Langoth: "Mekong Food". Edition Styria 2013, 224 Seiten, € 39,99

foto: michael langoth studio trizeps, edition styria

Der Fluss ist an die 5000 Kilometer lang, an seinen Ufern wohnen über 100 Millionen Menschen - und die meisten leben buchstäblich von ihm. In den Wassern des Mekong tummeln sich über 1200 Fischarten, bis heute werden jedes Jahr neue entdeckt. Zum Vergleich: Im gesamten Mittelmeer sind es gerade einmal 700 Arten. Vom Himalaya wird Schlick angespült, der die Felder düngt und etwa im Delta (südlich von Saigon) dafür sorgt, dass drei Reisernten im Jahr möglich sind. Die Küchen der Länder, die an ihn grenzen und sich an diesem Reichtum laben können, sind von exemplarischer Vielfalt.

Doch die seit Jahrtausenden gewachsene Symbiose aus Mensch und Fluss ist in Gefahr. China und Laos bauen gewaltige Dämme, die die Kraft des Flusses für Elektrizitätserzeugung nutzbar und den Strom auch für große Dampfer schiffbar machen sollen. Das klingt einerseits vernünftig - anderseits aber wird der Kreislauf der Fruchtbarkeit für die Landwirtschaft ebenso wie für viele Fischarten dadurch wohl unwiederbringlich zerstört.

Das Wesen dieser Symbiose

Der österreichische Fotograf Michael Langoth hat den Mekong intensiv bereist, um das Wesen dieser Symbiose zu dokumentieren und die Küchentraditionen, die in Thailand, Laos, Kambodscha und Vietnam aus ihr entstanden sind, zu erforschen. Er legt einen opulent gestalteten Prachtband vor, der darlegt, wie Millionen Menschen in einer der dichtestbesiedelten Regionen der Welt zwar einerseits in Armut leben, anderseits aber auch Zugang zu Lebensmitteln in einer Qualität haben, wie sie eben nur intensive Kleinlandwirtschaft und der weitestgehende Verzicht auf moderne Errungenschaften hervorzubringen vermag.

Langoth berichtet, dass er selbst in größeren Städten Mühe hatte, einen Supermarkt zu finden, weil die Idee weitgereister Lebensmittel den Einwohnern "von Natur aus" suspekt erscheint und lokale Märkte die Qualität der Ware unvergleichlich viel besser sicherstellen können. Dass es in weiten Teilen Südostasiens nach wie vor kaum Kühlschränke gibt (und wenn, dann nur, um Bier und andere Getränke zu kühlen), die Lebensmittel aber von unerreichter Frische und Geschmacksintensität sind, mag unsereinem als Paradoxon erscheinen. Tatsächlich ist es das Resultat einer Küche, die die Qualität ihrer Grundprodukte tatsächlich über alles stellt.

Die Kraft einer Kultur

Winzige in den Flussschlamm gestellte Felder von explosivem Grün; buschige Pfeffersträucher, die tief im Wasser stehen; Fischer, die halbnackt in der Flussmitte stehen und schwer gefüllte Netze einziehen; Frauen, die auf winzigen Booten Wasserspinat und andere halbwild wachsenden Delikatessen ernten; Märkte, die auf einer unüberschaubaren Anzahl miteinander vertäuter Schiffe abgehalten werden: Vieles in Langoths Buch wirkt paradiesisch. Gleichzeitig aber erzählt auch jedes Bild vom Fleiß, der die Bewohner antreibt. Von der Armut, die sie bestimmt. Und von der Kraft einer Kultur, die diese Gegensätze harmonisch in Einklang zu bringen versteht.

Gut die Hälfte des Buchs nehmen Rezepte ein, die diese Lebensfreude auch hierorts erfahrbar machen sollen. Ein großes Kapitel ist "der Hochkultur der Nudelsuppe" gewidmet, mitsamt ihrer unbestrittenen Königin - der vietnamesischen Phô mit ihren frischen Kräutern, tief aromatischen Gewürzen und einem Topping aus roh geschnitzeltem Rindsfilet, das in der heißen Suppe ins rosafarben Saftige ziehen darf. Aber auch das Prinzip des Wokbratens wird exakt erklärt, es gibt detaillierte Erklärungen zum Füllen von Goi-Cuon-Sommerrollen ebenso wie von Cha-Gio-Nemrollen.

Größtes Problem beim Durchblättern: Man möchte sofort die Urlaubskasse plündern, um den nächsten Flieger nach Chiang Rai, nach Luang Prabang, Phnom Penh oder Saigon zu nehmen, um das alles selbst sehen und schmecken zu dürfen. Einen ordentlichen, dünnwandigen Wok zu besorgen und sich an Rezepte wie das untenstehende aus dem Buch zu machen, ist aber bei aller Vernunft ein mehr als akzeptables Ersatzprogramm. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 25.1.2013)