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Miloš Zeman tritt gegen Karl Schwarzenberg in der Stichwahl an.

Foto: Reuters/Cerny

Wien/Prag - Die gelbe Anstecknadel gehört dieser Tage fast zum Prager Stadtbild: Karl Schwarzenberg mit rosa Irokesenschnitt, darunter die klare Botschaft: "Karel for president." Der 75-Jährige, der in der ersten Wahlrunde überraschend Platz zwei erreichte, ist zur Ikone einer liberalen großstädtischen Jugend geworden.

Dem Fürsten, wie ihn die Tschechen nennen, gelingt es immer wieder, ironische Distanz zum politischen Establishment zu vermitteln. Dabei ist er als Chef der liberalkonservativen Regierungspartei Top09 Vizepremier eines Kabinetts, dessen Beliebtheitswerte zuletzt in den Keller gerasselt sind - unter anderem wegen der Sparpolitik seiner Partei, die auch den Finanzminister stellt. In diese Kerbe schlägt Schwarzenbergs Kontrahent Miloš Zeman und präsentiert sich in den TV-Duellen als Kandidat der linken Opposition.

Besonders hitzig werden die Diskussionen aber erst dann, wenn die Beneš-Dekrete und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach dem Zweiten Weltkrieg zur Sprache kommen. "Das, was wir 1945 getan haben, würde heute als grobe Verletzung der Menschenrechte gelten", sagte Schwarzenberg in einer Debatte des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Das Prinzip der Kollektivschuld habe auch sudetendeutsche Sozialdemokraten getroffen, die selbst von den Nazis verfolgt worden waren. "Die damalige Regierung samt Präsident Beneš würde heute vermutlich in Den Haag landen", so Schwarzenberg.

Tags darauf, im TV-Duell des Privatsenders Prima Family, trug Zeman demonstrativ einen Anstecker mit der tschechischen Flagge: "Noch bis gestern hätte ich Sie als Präsident respektieren können. Aber wer einen Präsidenten der Tschechoslowakei als Kriegsverbrecher bezeichnet, der spricht wie ein Sudetendeutscher."

Klaus für Zeman

In die Diskussion hat sich auch der amtierende Präsident Václav Klaus eingeschaltet. Schwarzenbergs Worte seien "eine Missachtung der tschechischen Geschichte", sagte er in Prima Family. Während eines Wien-Besuchs am Dienstag sprach Klaus seinem langjährigen politischen Gegner Miloš Zeman erneut seine Unterstützung aus: "Bei ihm habe ich das Gefühl, dass wir dasselbe Spiel spielen. Beim zweiten Kandidaten bin ich nicht so sicher", sagte er am Rande einer Wirtschaftskonferenz. Schwarzenberg warf er vor, eine neue Debatte über die Beneš-Dekrete ausgelöst zu haben. Weder er selbst noch Zeman hätten das Thema in die Wahlkampagne eingebracht.

Auch Expremier Jan Fischer (parteilos), der in Runde eins nur auf Platz drei kam, gab eine indirekte Empfehlung für Zeman ab: Schwarzenberg habe mit seinen Aussagen dem internationalen Ansehen Tschechiens geschadet.

Geschadet hat die Diskussion in der emotionalen Schlussphase des Wahlkampfs wohl vor allem Schwarzenberg selbst. Letzte Umfragen sehen einen knappen Vorsprung für Zeman. Doch Schwarzenberg kann noch auf viele Unentschlossene hoffen - vor allem auf linksliberale Wähler, denen die nationalen Töne aus dem Zeman-Lager nicht ganz geheuer sind. Eine Vorentscheidung könnte bei den letzten TV-Debatten heute und Donnerstag fallen. (Gerald Schubert/DER STANDARD, 23.1.2013)