Erneuerung, das ist das Stichwort für die zweite Amtszeit eines jeden amerikanischen Präsidenten. Bei Barack Obama klingt das besonders ironisch, denn der als Reformer angetretene Demokrat muss nach vier Jahren vor allem seine eigenen Ambitionen erneuern: Der politische Messias erschien nicht. Dafür haben die Amerikaner inzwischen einen durch und durch pragmatischen Realpolitiker im Weißen Haus, der nun endlich die Chance hat, von Zwängen befreit jener Präsident zu sein, der er immer sein wollte.

Obama hat seit seinem Wahlsieg nicht nur das Mandat und das politische Kapital dafür. Mit einer ihm wohlgesinnten öffentlichen Meinung kann er auch eine scharfe Waffe gegen einen renitenten Kongress führen. Dass er diese auch einsetzen wird, hat er zuletzt bei den Budgetverhandlungen gezeigt. Aus einem, der den Gegnern naiv die Hand entgegenstrecken wollte, ist ein harter Machtpolitiker geworden, der Widersacher mehr oder minder freundlich zwingt, von sich aus Pfoterl zu geben.

Viele werfen dem US-Präsidenten vor, nicht mehr visionär zu führen und offensiv zu gestalten. Stattdessen wickle Obama defensiv den amerikanischen Traum ab. Allein, der kritisch gemeinte Vorhalt klingt realpolitisch betrachtet wie eine günstige Prognose für seine zweite Amtszeit: Ob es nun um Waffenrecht, Budgetmalaise oder Nahostpolitik geht, jeder politische Führer muss kleine Schritte machen, damit die Bürger zu großen Zielen mitkommen. (Christoph Prantner, DER STANDARD, 22.1.2013)