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"Der aktuelle Winter ist zum Sichten der Aurora Borealis ziemlich günstig", weiß Ssemjon Gerlitz.

Foto: EPA/Rune Stoltz Bertinussen

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Vereinzelt gibt es von München aus Direktflüge nach Evenes / Narvik. Am einfachsten sind die wenigen Termine über den Veranstalter Discover Arctic zu buchen. Flüge ab Wien werden mit einem oder zwei Zwischenstopp(s) unter anderem von SAS und Wideroe angeboten. Die Flüge sind oft teuer, sodass Pauschalarrangements häufig günstiger kommen. Weitere Infos zur Anreise und zur Region Vesterålen findet man unter: www.visitvesteralen.com/de oder beim Norwegischen Fremdenverkehrsamt / Innovation Norway.

Foto: EPA/HINRICH BAESEMANN

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Das Sortland Hotel im Zentrum des gleichnamigen Orts wirkt von außen wie eine Festung, ist aber sehr gemütlich. Dafür sorgt auch das in der Bibliothek eingerichtete Restaurant. Die Pension Ringstad Sjøhus in Straumsjøen liegt direkt an einem Fjord und relativ geschützt im Windschatten der Berge. Der Hausherr ist selbst ein guter Fotograf und hat hilfreiche Tipps für Besucher parat. Überdies werden vor hier aus lohnende Ausflüge organisiert. Wer hier einquartiert ist, benötigt demnach nicht notwendigerweise einen eigenen Mietwagen. Zudem können Walbeobachtungen über Arctic Whale Tours gebucht werden.

Foto: EPA/JOSE JACOME

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Die statistisch hohe Wahrscheinlichkeit von Polarlichtern ruft freilich auch die Reiseveranstalter und -büros auf den Plan: So gibt es heuer auch einige Sonderfahrten der Hurtigruten-Postschiffe zum Polarlicht, die bis April 2013 als winterliche Pauschalreise mit Charterflug angeboten werden. Ruefa bietet ab dem 7. 2. zudem einwöchige Reisen nach Finnisch Lappland an - unter anderem mit Husky-Touren und natürlich der Möglichkeit, das Nordlicht zu sehen. Raiffeisen-Reisen hat einen Sondertermin (3. 2. bis 7. 2.) für eine Polarlicht-Fahrt mit Rahmenprogramm in Island.

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Schon am Flughafen beginnen die Expertengespräche: Im Zubringerbus zum Direktflieger ins norwegische Evenes bei Narvik fachsimpeln zwei Damen mittleren Alters: "Weißt schon, wennst von November bis März kein Tageslicht hast, kannst die Sonnencreme eh daheim lassen!" Dafür hat die Lady ganz professionell mehrere Lagen Angorawäsche im Gepäck. Schließlich will man sich beim nächtlichen Warten auf das vielgerühmte Polarlicht nicht vorzeitig den Hintern abfrieren. Für 2013 haben Experten nämlich besonders intensive Sonnenstürme prognostiziert - diese verursachen das Lichtphänomen.

"Der aktuelle Winter ist zum Sichten der Aurora Borealis ziemlich günstig", bestätigt auch Guide Ssemjon Gerlitz abends im Sortland Hotel im gleichnamigen Ort. Woher er das weiß? Ssemjon grinst und legt sein Smartphone auf den Tisch. "Die App ,Aurora Forecast' weiß alles!" Tatsächlich: Die App gibt tagesgenau an, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für Aktivitäten des Sonnenwindes ist. Denn dieser schickt geladene Teilchen in die Erdatmosphäre, was für eine geniale Superlight-Show in Zonen oberhalb des 60. Breitengrads nördlicher Breite sorgt - falls der Himmel wolkenfrei ist. Die Inselgruppe Vesterålen östlich der Lofoten müsste demnach gerade ein wahrer Touristenmagnet sein. Wir sind gespannt. Das mythisch-magische Megaleuchten muss man einmal im Leben gesehen haben. Deswegen sind wir doch hier. Oder?

Heute Abend schneit es. Bei zivilen vier Grad Minus. Kälter wird es kaum. Das ist typisch für die norwegische Küste, die vom Golfstrom sozusagen fernbeheizt wird. Doch weil der Himmel vorerst bedeckt bleibt, widmen wir uns seelenruhig heimischen Gerichten. Der Ruf der norwegischen Küche ist ja bisher nicht wirklich nach Österreich vorgedrungen. Mutig bestellen wir "Lutefisk", wörtlich: Laugenfisch, und dann "Ribbe", Schweinerippchen, typisch traditionelle Wintergerichte. Für Ersteres wird getrockneter Dorsch in Natronlauge gelegt und anschließend mehrfach gewässert, bevor er mit Kartoffeln, Speck und Erbsenpüree auf dem Teller landet.

Wie das schmeckt? Überraschend mild. Ungewöhnlich ist aber vor allem die Konsistenz des Fisches: Ähnlich aufgeweichten Marshmallows lässt er sich widerstandslos am Gaumen zerdrücken. Als Beigabe wird geraspelter Geitost gereicht, karamellisierter Ziegenkäse. Bei nächster Gelegenheit wollen wir ein halbes Kilo mit nach Hause nehmen.

Hamsuns letzte Freude

Beim Kartoffelschnaps schweift der Blick durch die Bibliothek, in der wir speisen. Auffallend viele Werke des Schriftstellers Knut Hamsun stehen hier im Regal. Kein Wunder: Teile des Bandes Die letzte Freude soll er 1911 hier im Sortland Hotel geschrieben haben. Doch für uns fangen die Freuden erst an.

Nach einem Spaziergang vorbei an den berühmten blauen Häusern der 10.000-Einwohner-Stadt starten wir am nächsten Morgen zur Walsafari. Als es um halb zehn heller wird - hell kann man nicht behaupten - besteigen wir ein Schiff der Arctic Whale Tours, das erstmals auch im Winter ausfährt. Die Route: Durch Sunde, Fjorde und an Schären vorbei geht es nach Südwesten bis zum Troll-fjord. Wir hoffen, die Heringsschwärme haben das gleiche Ziel. Und erst recht ihre Jäger - Raubwale, also die fleischfressenden Zahnwale. Und dass sie bei der Beutejagd die eine oder andere Flosse aus den Fluten strecken.

Als das Schiff ablegt, sammeln sich rund 50 Passagiere an der Reling. Der Blick auf die schneebedeckten Bergrücken bis hinüber zum knapp 1300 Meter hohen Møysalen, der sich hell vom Himmel abhebt, fasziniert. Hier draußen auf dem Wasser und im atmosphärischen Zwielicht des Winters scheint das Wesen der Nordregionen fast greifbar. Ein Meeresbiologe erzählt derweil vom reichen Leben unter Wasser. Keine Fluke regt sich, aber das fällt kaum störend auf.

Die Natur, die Fjorde und das Lichterspiel des Himmels verschlagen einem auch ohne beflosste Protagonisten völlig die Sprache. Wir schippern direkt auf einen gelb-pink gefärbten Himmel zu, durchzogen von sichelförmigen Wölkchen in Taubenblau. Einen Maler würde man für ein Bild in dieser Farbzusammenstellung der unerträglich kitschigen Schönfärberei bezichtigen. Doch hier oben, 300 Kilometer nördlich des Polarkreises, ist das durchscheinende Schauspiel alltäglich und echt.

Von rechts stampft eines der rot-weißen Hurtigruten-Schiffe durchs Bild. Später kreist ein Paar junger Seeadler um unser Schiff und folgt ihm bis in den Trollfjord. Zwischen hohen Steilflanken steuern wir eine eisbedeckte Bucht an. Trolle gibt's keine. Aber man glaubt sie zu ahnen, wie sie sich hinter Felsrücken ducken.

Trotz der Ganzkörperwärmeanzüge wird es nun kalt, schuld ist der Wind. Eine heiße Fischsuppe unter Deck wärmt auf. Zurück in Sortland holt uns Ian Robins vom Hotel ab. "Bitte anschnallen - kann gut sein, dass Elche auf der Straße rumstehen." Wir gehorchen. Im Dunkeln düst der Wagen eine Stunde über Land, schemenhaft zeichnen sich markante Bergrücken ab. Wie hingetupft liegen zahlreiche hell erleuchtete Holzhäuser am Weg. Vor einem der schönsten hält Ian an. Wir sind da.

Die Insel in Aquavit

Im Dunkeln wirkt das falunrote Ringstad Sjøhus mit den weiß gerahmten Fenstern wie eine Insel der Gemütlichkeit. Im hübschen, schlichten Gastraum wartet Ann Karina Jakobsen, Herrin des Hauses. Sie stammt aus der Gegend. Wie ihr englischer Partner Ian Robins spricht sie perfekt Deutsch. Ungezwungen und mit Witz serviert sie Rentiersteak - eine Delikatesse! Davon möchte man mehr.

Das ganze Dorf Ringstad mit seinen 21 Bewohnern feiert heute im Gastraum des Seehauses. Aquavit macht die Runde. Es wird laut. Und ziemlich gemütlich. Trotzdem ziehen wir noch einmal los. Polarlicht suchen! Ian führt uns über glitzernde Schneekristalle und Elchspuren in die benachbarte Bucht. Die Flut steigt, das Eis kracht. Irgendwann friert auch Salzwasser, wenn es windstill ist. Kein Polarlicht heute. Schade.

Am nächsten Morgen legen wir Schutzanzüge aus Gummi an. Ian zieht vier knallrote Kayaks an den Strand des Seehauses. Nach ein paar Einweisungen und Sicherheitsübungen geht's los. Im Diamantsitz, also kniend, paddeln wir hinaus in die Bucht. Das Meer ist unruhig heute. Im Gepäckfach hat Ian gefrorene Heringe gebunkert. Damit wollen wir Seeadler füttern, die drei Meilen weiter draußen eine Felsenbank bewohnen. So leicht kippen die gut fünf Meter langen Kayaks nicht um. Trotzdem - wer ins drei Grad kalte Wasser fällt, sollte schnell wieder an Bord gelangen.

Als die Wellen zu groß werden, müssen wir umkehren. Kurzerhand macht Ian sein Motorboot klar, damit die Adler doch noch ihr Lunchpaket kriegen - und wir unsere Fotos. Es ist ein Riesenspaß, das Boot durch die Inseln zu steuern. Vor der Felsbank wirft Ian den ersten Hering ins Meer. Wie aus dem Nichts kommend steht ein Greifvogel am Himmel. Im Sturzflug schnappt er den Fisch aus dem Wasser, schleppt ihn auf den Felsen. Ein zweiter Hering fliegt über Bord, starke Krallen pflücken ihn sofort aus dem Wasser. Selbst verwöhnten Naturfans bleibt bei diesem Anblick der Mund offen. Damit nicht genug.

Am Mittag bringt uns Ian an einen feinkörnigen Sandstrand. Auch das kann Norwegen! Bevor das Licht vollends schwindet, erklimmen wir den Berg Vatten. Von dort oben auf 400 Meter Höhe zeigt sich Vesterålen in ganzer Pracht. Ein vielfarbiges Lichterspiel beginnt am Horizont, jenseits des Fjordes stehen schneebedeckte Bergketten über tiefgrauem Meer. Davor die eigenwilligen Silhouetten der Inseln Gaukvaerøya und Litløya. Das hier ist ein besonderer Ort, und Ian weiß das: Leidenschaftlich führt er Gäste auf Fotosafari. Dieses winterliche Zwielicht, dieser Dämmerzustand mit einem Lichtstreif am Horizont, das ist das wahre Nordlicht.

Jodeln im traditionellen Zelt

Am nächsten Tag sind wir bei einer Sami-Familie zu Gast. Es ist eiskalt, als wir Layla Inga in ihrem Lavvu, dem typischen Zelt, nicht weit von Sortland besuchen. Wie in alten Zeiten lodert ein Feuer in der Mitte, die Bänke ringsum verschwinden unter Rentierfellen. Bevor die 51-Jährige den Rentiereintopf Bidos serviert, stimmt sie Gesänge an. Die heißen Joik, klingen wunderbar und sind angeblich mit dem Jodeln verwandt.

Es gibt Nachtisch aus Multebeeren, während Layla von Ukksaka und Salakko, Göttern ihrer Naturreligion, erzählt. Zum Abschied dürfen wir Rentiere mit Heu füttern. Mit ihren Stupsnasen und den tapsigen Hufen möchte man die Rentiere am liebsten entführen. Doch die Zucht ist traditionell nur den Sami erlaubt. Wie viele Layla davon hat? "Das darf man einen Samen nie fragen!", lacht sie. "Das ist so, als würde ich dich fragen, wie viel Geld du auf deinem Konto hast", antwortet sie. Auch ihr siebenjähriger Sohn Anders verweigert bereits keck die Auskunft.

Als wir spätabends im Flieger sitzen, zeigt es sich schließlich doch noch, das Polarlicht. Als diffuser Streif spannt es sich durch die tiefdunkle Nacht und gibt grünes Licht für einen würdigen Abschied von Vesterålen. (Franziska Horn, DER STANDARD, Album, 19.1.2013)