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Eine Änderung der Grundsteuer, die durch die Nicht-Anpassung des Einheitswerts gesenkt worden sei, könnte 1 Milliarde Euro in die Staatskasse spülen, glaubt Aiginger.

Foto: AP/Weigel

Wien - Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Karl Aiginger, hat sich am Sonntag in der ORF-"Pressestunde" für eine höhere Grundsteuer sowie einen stärkeren sozialen Wohnbau ausgesprochen. Von Mietpreisobergrenzen hält er nichts. Der Faktor Arbeit müsse hingegen steuerlich entlastet werden. Eine große Inflationsgefahr sieht der Ökonom derzeit nicht. Für Österreichs Wirtschaftsentwicklung 2013 ist er optimistisch, das BIP werde um 1 Prozent wachsen, bekräftigte er die im Dezember abgegebene Prognose seines Instituts.

Österreich sei die 12 Jahre lang stärker gewachsen als Westeuropa, daher sei er optimistisch, dass das Bruttoinlandsprodukt auch heuer um 1 Prozent zulegen kann, so Aiginger. Zwar hätten die meisten Konjunkturindikatoren bis November nach unten gezeigt, jetzt deuteten sie allerdings wieder auf Wachstum hin. Angesprochen auf die nachlassende Nachfrage in der Industrie meinte er, dass die Investitionen heuer laut einer Wifo-Erhebung um rund zehn Prozent steigen dürften. Die von der Industrie erwarteten bis zu 20.000 Kurzarbeiter bereiten Aiginger keine großen Sorgen. Das sei ein Wert, "der mich absolut nicht erschreckt". Kurzarbeit sei ein guter Weg, Humankapital zu erhalten.

Notwendige Reformen

Aber: "Es stimmt, dass Österreich Gefahrenmomente in sich hat." Ohne Reformen werde Österreich bei Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Pro-Kopf-Einkommen zurückfallen, mahnte der Wifo-Chef. Eine "ganz große Baustelle" ist aus seiner Sicht der Bildungsbereich. "25 Prozent der Jugendlichen können am Ende ihrer Ausbildung nicht sinnerfassend lesen - ein größeres Armutszeugnis für die Bildungspolitik gibt es nicht." Auch dem Mangel an Facharbeitern auf der einen und dem Überangebot an unqualifizierten Arbeitskräften müsse man dringend beikommen. Die Lehrlingsausbildung sei derzeit zu spezialisiert und zu wenig mit Schulbildung verknüpft.

Puncto Teuerung ist der Ökonom eher gelassen. Drei von vier Inflationssursachen seien derzeit nicht gegeben: Weder drucke die Notenbank (EZB) derzeit zu viel Geld noch seien die Lohnerhöhungen oder die Nachfrage zu hoch. "1 Prozent Wachstum ist nicht inflationstreibend." Das "größte Ärgernis" der Teuerung sei, dass sie die Nominalsteigerungen entwertet, so Aiginger. 2012 sei so ein reales Minus herausgekommen. Das Wifo erwartet für heuer eine Teuerungsrate von 2,1 Prozent, nach 2,4 Prozent 2012 und 3,3 Prozent 2011. Preistreiber sind laut Aiginger die steigenden Energiekosten. Dies solle die Politik als Anlass zum Handeln in Richtung mehr Energieeffizienz nehmen. Nahrungsmittel sind in den Augen des Wifo-Chefs hingegen nur ein Teil der Inflationstreiber.

Mehr und kleinere Wohnungen

Zu den in den vergangenen Jahren massiv gestiegenen Wohnkosten meinte der Wifo-Chef, dass mehr und kleinere Wohnungen gebaut werden sollten. "Die Bevölkerung wächst wieder, vor allem die Wiener. Diese Trendwende hat der Wohnbau nicht mitgemacht."

Von strengen Mietpreisobergrenzen, wie sie etwa in Wien Vizebürgermeistern Maria Vassilakou (G) fordert, hält er aber nichts. Dies sei "ein Rezept von gestern. Im Prinzip bin ich dagegen", so Aiginger.

Derzeit lebten sehr viele Österreicher in zu großen Wohnungen oder Häusern. Das rühre auch von der hierzulande sehr geringen Grundsteuer. In den USA zum Beispiel seien Menschen, deren Kinder ausgezogen sind, gezwungen, ihre Häuser zu vermieten, weil dort die Steuer viel höher sei. Aiginger räumte aber ein, dass es realpolitisch nicht sehr wahrscheinlich ist, dass tatsächlich an dieser Steuerschraube gedreht wird. "Ich weiß, dass es Widerstand geben wird." Wichtig sei auch, Häuser von vornherein so zu bauen, dass später mehrere Familien darin wohnen können. Eine Änderung der Grundsteuer, die durch die Nicht-Anpassung des Einheitswerts gesenkt worden sei, könnte 1 Mrd. Euro in die Staatskasse spülen, glaubt Aiginger. Er kann sich auch vorstellen, dass der Fiskus auch bei Vererbungen von Grundstücken mitschneidet.

Krise nicht ausgestanden

Die EU-Schuldenkrise ist laut Aiginger noch nicht ganz ausgestanden. "Wir haben bei der Eurokrise eine gewisse Verschnaufpause erreicht", vorbei sei sie aber nicht. Nun komme es darauf an, "was wir in der Pause machen". Europa müsse krisensicherer gestaltet werden, die Bankenunion und der Fiskalpakt seien da schon wesentliche Elemente, ebenso die Finanztransaktionssteuer, die nach Vorschlag der EU-Kommission bereits ab 2014 in elf EU-Ländern in Kraft treten soll, darunter in Österreich. Wien hat die Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer bereits für 2014 im Budget veranschlagt. Aiginger glaubt daran, dass die Steuer kommt, wenngleich geplante Einnahmen "vielleicht geringer" sein werden. (APA, 20.9.2013)