Mit einem "letzten Angriff" endete das seit Tagen andauernde Geiseldrama in Algerien am Samstag. Einheiten der Armee stürmten die Gasanlage bei In Amenas im Osten des Landes und töteten elf Angreifer. Nach Angaben des algerischen Innenministeriums starben seit dem Angriff von militanten Islamisten am Mittwoch dutzende Menschen – 37 Geiseln und rund 30 Attentäter. Laut Angaben der algerischen Sicherheitskäfte könnte die Zahl der Toten noch steigen, die Armee sei immer noch dabei, die Anlage zu durchkämmen, hieß es am Sonntag.

Einem Fernsehbericht zufolge sollen zudem fünf der Täter gefasst worden sein. Fünf "Terroristen" seien am Morgen auf dem Gelände der Gasanlage festgenommen worden, berichtete der private Fernsehsender Ennahar. Drei weitere Geiselnehmer seien noch auf der Flucht. Demnach durchsuchten Spezialkräfte der algerischen Armee den Industriekomplex weiter.

Obwohl die Geiselnehmer rund um den radikalen Islamisten Mokhtar Belmokhtar schon Mitte der Woche in der riesigen Anlage ausharrten, sind Details über die Geschehnisse vor Ort lange Zeit Mangelware geblieben. Auch nach dem letzten Sturmangriff der Behörden am Samstag war das Gelände von Soldaten umstellt, Hubschrauber überflogen das Gebiet. Die Sicherheitskräfte hatten um die gesamte Anlage im Abstand von etwa zehn Kilometern einen Absperrring gezogen. Laut der algerischen Zeitung "El Watan" begannen die Entführer bereits am Samstagmorgen damit, ihre Geiseln zu töten. Wie das algerische Öl- und Gasunternehmen Sonatrach mitteilte, hätten die Geiselnehmer das Gelände außerdem vermint. Soldaten seien dabei, die Sprengsätze zu entschärfen.

Wie alles begann

Ein Teil der riesigen Erdgasanlage im Osten Algeriens Foto: REUTERS/Kjetil Alsvik/Statoil via Scanpix

Begonnen hat alles am Mittwoch, als die Angreifer zwei Busse, die mit Arbeitern der Gasförderanlage auf dem Weg zum nahegelegenen Flughafen waren, angriffen und die Passagiere als ihre Geiseln nahmen.

Danach griffen die Islamisten die Wohnquartiere und in der Folge auch die Gasförderanlage selbst an, wo am Samstag die noch verbliebenen Geiselnehmer bis zuletzt gegen die algerischen Sicherheitskräfte kämpfen und sieben ausländische Geiseln mit in den Tod nahmen. Insgesamt, so die algerischen Behörden, konnten 685 algerische Arbeiter und 107 ausländische Kräfte befreit werden.

Kritik

Großbritanniens Verteidigungsminister Philip Hammond sagte auf einer Pressekonferenz, dass der Sturmangriff algerischer Soldaten vom Samstag dem Drama ein Ende gesetzt habe und "einen weiteren Verlust an Menschenleben" zur Folge gehabt hat. Dass es Todesopfer gegeben habe, sei "entsetzlich und unannehmbar", liege aber in der "alleinigen Verantwortung der Terroristen". London drängt die algerische Regierung laut Hammond, "Details zur genauen Lage" zu veröffentlichen.

Für ihr gewaltsames Vorgehen, das international offenbar nicht im Detail abgestimmt war, erntete Algerien Kritik aus mehreren Ländern, darunter Großbritannien und Japan. Frankreichs Präsident Francois Hollande äußerte jedoch Verständnis, da die Islamisten bereit gewesen seien, Geiseln zu töten. "So, wie ich das sehe, war Algeriens Ansatz der angemessenste, denn es konnte keine Verhandlungen geben."

USA drohen

Entschlossen im Kampf gegen militante Islamisten: Großbritanniens Verteidigungsminister Philip Hammond und sein US-Kollege Leon Panetta. Foto: Jacquelyn Martin/AP/dapd

US-Verteidigungsminister Leon Panetta drohte unterdessen den Islamisten mit einem Eingreifen der Vereinigten Staaten. "Wir haben es zu unserer Sache gemacht, Al-Kaida zu verfolgen, wo auch immer sie sind und wo auch immer sie sich zu verstecken versuchen", sagte er während eines London-Besuchs. "Wir haben das in Afghanistan getan, in Pakistan. Wir haben es in Somalia getan, im Jemen und wir werden es auch in Nordafrika tun."

Die algerische Armee verteidigte ihren umstrittenen Militäreinsatz zur Befreiung der Geiseln. Der Einsatz sei eine Antwort auf eine Entscheidung der Terroristen gewesen, alle Geiseln zu töten und ein wahres Massaker anzurichten", zitierte die algerische Tageszeitung "Al-Khabar" (Samstag) einen namentlich nicht genannten Armeesprecher.

Niederösterreicher auf US-Basis Ramstein in Deutschland

Jener 36-jährige Niederösterreicher, der das Geiseldrama unbeschadet überstanden hat, dürfte wohl bald zurück in die Heimat gelangen. Der Zwettler Christoph Z. befinde sich derzeit in Deutschland und werde laut seiner Mutter wahrscheinlich in den nächsten Stunden zu Hause ankommen, sagte Zwettls Vizebürgermeister Johannes Prinz Samstagmittag zur APA.

Genauere Auskünfte wolle die Familie aus Sicherheitsgründen aber nicht geben, betonte er. Dem 36-Jährigen, der sich während der Geiselnahme versteckt hatte, gehe es soweit gut. Er war für den britischen Öl-Multi BP in Algerien tätig. (Stefan Binder, derStandard.at/Reuters/APA, 20.1.2013)