Athen/Istanbul - Es sah ein bisschen nach Schafottplatz aus. Vier große durchsichtige Plastikurnen vor der Rednertribüne für jeden der vier Politiker, über deren Schicksal abgestimmt werden sollte - zwei Ex-Premiers und zwei Ex-Finanzminister. Zumindest einer musste sich danach fühlen, als ob er nicht davon gekommen war. Eine breite Mehrheit im griechischen Parlament hat in der Nacht zu Freitag dafür gestimmt, Giorgos Papakonstantinou vor eine Untersuchungskommission zu stellen.

Die Opposition von Linksradikalen, Faschisten und Rechtspopulisten wollte noch mehr Köpfe: Auch die früheren Regierungschefs Giorgos Papandreou und Lukas Papademos, vor allem aber der ehemalige Finanzminister und jetzige Vorsitzende der mitregierenden Pasok, Evangelos Venizelos, sollten ebenfalls zur berüchtigten Lagarde-Liste angehört werden. Der Vorwurf: Sie alle hätten die Strafverfolgung von mehr als 2000 potenziellen Steuerhinterziehern, die Konten in der Schweiz haben, verhindert oder die Liste der Reichen und Berühmten gar manipuliert. Die nötigen Stimmen dafür bekamen die Oppositionsparteien aber nicht.

Er lasse sich nicht zum Sündenbock machen, hatte Papakonstantinou wütend erklärt, als sich der Strudel schneller zu drehen begann und der ehemalige Finanzminister beschuldigt wurde, die Namen von drei Verwandten aus der Liste gelöscht zu haben. Venizelos ließ den Ex-Minister rasch fallen und schloss ihn aus der Partei aus. In der Debatte, die sich weit in den Freitagmorgen hineinzog, verteidigte sich Papakonstantinou erneut gegen den Vorwurf der Manipulation. Ein solches Vorgehen hätte nicht nur gegen seine Prinzipien verstoßen, sondern wäre ebenso dumm, sagte er. Doch die Irrwege der Liste konnte Papakonstantinou weiter nicht erklären. Ebenso wenig, warum dem Verdacht der Steuerhinterziehung nicht nachgegangen wurde, während die Regierung gleichzeitig den Griechen immer größere Opfer abverlangte.

Im September 2010 hatte Papakonstantinou von der damaligen französischen Finanzministerin Christine Lagarde eine CD mit den Namen der griechischen Kontenbesitzer bei einer Filiale der HSBC in Genf erhalten. Papakonstantinou will die CD dann auf einen USB-Stick kopiert haben und erst im Sommer 2011 dem damaligen Chef der Steuerpolizei, Yiannis Diotis, gegeben haben. Der kopierte wiederum ebenfalls, wie ihm erst diese Woche einfiel. Ein USB-Stick wanderte im Juni 2011 zum neuen Finanzminister Venizelos. Der will ihn dann im Schreibtisch vergessen haben. (Markus Bernath, DER STANDARD; 19./20.1.2013)