DER STANDARD hat die Argumente der Parteien für und gegen die Wehrpflicht vor der Volksbefragung am Sonntag noch einmal zusammengefasst.

Auch wenn zuletzt die gesamte rote Regierungsspitze für ein Berufsheer im Einsatz war, die Genossen marschieren am Sonntag nicht geschlossen zu den Urnen, um dafür zu stimmen. Der steirische Landeshauptmann Franz Voves, Skeptiker dieses Plebiszits, gab keine Wahlempfehlung ab, Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller wiederum gab offen zu, für den Erhalt der Wehrpflicht zu votieren. Und wenige Tage vor der Befragung setzte sich auch noch Sozialminister Rudolf Hundstorfer in die Nesseln, weil er jungen Roten bei einer Veranstaltung geraten hat, ihre Großeltern zum Daheimbleiben zu bewegen, falls diese nicht von einem Berufsheer zu überzeugen sind.

Doch zumindest das ist Schnee von gestern. Am Freitag appellierte Kanzler Werner Faymann gemeinsam mit Hundstorfer und Verteidigungsminister Norbert Darabos eindringlich, zur Abstimmung zu gehen - und zwar weil das Ergebnis unabhängig von der Beteiligung umzusetzen ist.

Für Spätentschlossene die roten Konzepte noch einmal in Kurzversion: Darabos will bei einem Fall der Wehrpflicht eine Freiwilligenarmee mit 8500 Berufssoldaten, 7000 Zeitsoldaten, 6500 Zivilbediensteten und 9300 Milizsoldaten aufstellen. Für 23.000 Milizsoldaten soll die Beorderung - also das Fortwirken der Wehrpflicht - weiter bestehen bleiben. Hundstorfer sieht statt der zwangsverpflichtenden Zivis rund 8000 Freiwillige im Jahr für Sozialdienste vor, die gemäß dem entsprechenden Kollektivvertrag entlohnt werden, also 14-mal 1386 Euro bekommen sollen.

Letzte Worte von Kanzler und SPÖ-Chef Faymann ans Wahlvolk: "Das Ergebnis am Sonntag hat auf alle Fälle Gültigkeit. So viel Respekt vor der Bevölkerung haben die Parteien - und ich werde auch dafür sorgen!"

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Die Volkspartei zog am Freitag auch mit dutzenden Presseaussendungen ins Gefecht: Aus allen Bundesländern kamen Botschaften, alle mit dem gleichen Titel: "Aus Überzeugung für Wehrpflicht und Zivildienst." ÖVP-Chef Michael Spindelegger bezeichnete das als "geschlossenes Signal für die Sicherheit dieses Landes". Einmal mehr versuchte er die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sich Wehrpflicht und Zivildienst bewährt hätten und nicht durch ein Berufsheer ersetzt werden dürften. Ein Konzept zur Reform der Wehrpflicht will die ÖVP erst nach der Volksbefragung vorlegen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war bis zuletzt unterwegs, um die Kunde vom Bundesheer als "Stütze unserer solidarischen Gesellschaft" unter die Leute zu bringen. Parteichef Spindelegger assistierte: "Wir sind stolz darauf, dass Österreich ein neutrales Land ist, das seit rund 60 Jahren auf die allgemeine Wehrpflicht baut: als Garant für eine eigenständige Landesverteidigung." Klare Botschaft der Volkspartei: Ja zum Erhalt von Wehrpflicht und Zivildienst. Letzte Worte: "Wir wollen ein bewährtes System reformieren statt mit Unbekanntem experimentieren!"

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Die FPÖ stand der Volksbefragung der Regierung zwar skeptisch gegenüber, in den letzten Tagen vor der Abstimmung versuchte sie ihre Anhänger aber zur Teilnahme zu mobilisieren. Die Position ist klar: Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, des Zivildienstes und des Kata strophenschutzes.

Parteichef Heinz-Christian Strache versuchte die Notwendigkeit der Wehrpflicht zuletzt auch noch mit den Schneemassen, die von zivilen Kräften nicht mehr be wältigt werden könnten, zu begründen.

Dank der Wehrpflicht seien "die notwendigen Mannstärken" für alle Fälle auf Knopfdruck verfügbar, erklärte Strache. Überhaupt spräche einiges gegen ein Berufsheer: etwa exorbitant hohe Überstundenkosten, da die Berufssoldaten nach Beamtendienstrecht entlohnt würden.

Im letzten Gefecht erklärt ein freiheitlicher Funktionär, warum die Teilnahme an der Volksbefragung Pflicht ist: "Wir lassen uns diese Errungenschaften nicht von ein paar wild gewordenen Roten zunichtemachen."

Letzte Worte: "Es ist ein gewaltiger Unsinn, sich auf das gefährliche Darabos-Experiment Berufsheer einzulassen."

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Auf Anraten der Parteispitze wird die grünaffine Wählerschaft - zum Teil eigentlich für die komplette Entmilitarisierung der Gesellschaft - wohl oder übel zu den Urnen schreiten, um für den Fall der Wehrpflicht, aber auch für die Einführung eines Berufsheeres zu stimmen.

Wird der Dienst an der Waffe abgeschafft, wollen die Grünen jedoch sicher nicht eins zu eins das Konzept von Verteidigungsminister Nobert Darabos (SPÖ) umgesetzt sehen. Parteichefin Eva Glawischnig pocht in diesem Fall auf Verhandlungen, weil SPÖ und ÖVP für die Änderung des Wehrsystems ohnehin eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Sicherheitssprecher Peter Pilz meint: "Wir brauchen künftig maximal 10. 000 Mann - und zwar für die Auslandseinsätze und die Katastrophenfälle." Das entspräche ungefähr der Hälfte des jetzigen Personalstandes beim Bundesheer.

Als Ersatz für den Zivildienst unterstützen die Grünen allerdings sehr wohl das von den Sozialdemokraten vorgesehene freiwillige Sozialjahr.

Pilz' letzte Worte an die Stimmberechtigten: "Neben der alten Wehrmachtspartei gibt es nur mehr die ÖVP, die für die Wehrpflicht ist!"

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Fans und Funktionäre vom BZÖ können am Sonntag ausschlafen, denn die Zukunftsbündler rufen zum Boykott des Plebiszits zur Wehrpflicht auf. Sonst zwar durchaus für die Einführung eines Berufsheeres, stoßen sich Josef Bucher, Stefan Petzner & Co jetzt daran, dass es die Koalitionsparteien seit fast zweieinhalb Jahren, also dem Ausbruch des Streits über den Wehrdienst, nicht einmal zu einem gemeinsamen Sicherheitskonzept geschafft haben. Dazu beklagen die Orangen die Desinformationen auf beiden Seiten - und zwar zu Bundesheer, Katastrophenschutz wie Zivildienst. Stattdessen hätten Rot und Schwarz besser über die zukünftige Landesverteidigung nachdenken sollen.

Weißwählen sei angesichts dieses Vorwahlkampfspektakels für die Parlamentswahl im Herbst keine Option, also lautet der orange Imperativ schlicht und einfach "Fernbleiben!". Letzte Worte von Obmann Bucher vor dem Urnengang: "Diese Volksbefragung ist eine Volksverarschung!"

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Im Gegensatz dazu ruft das Team Stronach zur Beteiligung an der Volksbefragung auf - und zwar egal, ob jemand für die Beibehaltung des Wehrdienstes oder die Einführung einer Freiwilligenarmee ist, das heißt: Wahlempfehlung für Stronach-Anhänger gibt es keine. Nur so viel: "Die Menschen sollen zur Volksbefragung gehen! Um dieses demokratische Recht, das Volk mitbestimmen zu lassen, wurde hart gekämpft!", mahnte Robert Lugar, der Klubchef des Teams im Parlament. Lugar selbst tritt gegen jede Art von Zwangsdienst beim Heer wie bei zivilen Organisationen ein - und Milliardär Frank Stronach selbst hätte gern ein kleines, gut ausgebildetes Berufsheer.

Stronachs letzte Worte zur Wehrpflicht liegen übrigens schon einige Zeit zurück - seither etwa kana da? (völ, nw, DER STANDARD, 19.1.2013)

 

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