Parlamentspräsidentin Barbara Prammer hält die Demokratiewerkstatt auch für eine Integrationsmaßnahme: "Staatsbürger oder nicht ist bei uns völlig egal, denn Partizipation ist mehr als Wahlrecht."

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Wien - "Alle bereit?" Verdutzte Kindergesichter. "Durchatmen." Die kleinen Moderatoren schnaufen tief durch die Nase. "Lächeln." Das fällt schwer, die Nervosität, aber die Augen glitzern. "Uuuund Action": kurze Pause, schweigen, aber dann - "Hallo, ich bin die Michaela, das ist der Stefan, und der erklärt uns jetzt, was eine Umfrage ist." Cut.

Alles in kleinen Schritten, angepasst an die Geschwindigkeit und den Wissensstand der Gruppe, das ist das Credo der Demokratiewerkstatt, dem " Baby" von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Sie hat das Projekt 2007 ins Leben gerufen. Damals sei es noch schwer gewesen, Schulen zu finden, die mitmachen wollen. Heute bekommen gar nicht alle Klassen einen Termin.

Demokratiewerkstatt, das sind kostenlose Workshops für Acht- bis 15-Jährige. Lehrer können ihre Klassen anmelden und eines von sechs Themen wählen: Gesetzgebungsprozess, Diskussion mit Abgeordneten, Partizipationskurs, mediale Manipulation, Europäische Union oder Zeitreise durch die heimische Geschichte. Die Kinder lernen etwa, dass die "Saure-Gurken-Zeit" die ist, wenn Journalisten im Sommer nicht wissen, was sie schreiben sollen, weil alle auf Urlaub sind.

Während Michaela und Stefan den ersten Fernsehbeitrag ihres Lebens drehen, sitzt ihre Lehrerin im Nebenraum auf einem Kindersessel und beobachtet eine Gruppe, die bespricht, was Manipulation bedeutet. Manche Schüler bekämen von den Eltern gar keine politische Bildung vermittelt, andere würden stark beeinflusst, erklärt Hauptschulpädagogin Brigitta Rammel: "Vor allem von rechtspopulistischer Seite. Sie übernehmen Strache-Slogans, fangen damit aber inhaltlich gar nichts an." In ihrer Klasse haben fünf von 20 Kindern keinen Migrationshintergrund. Grundsätzlich gebe es dadurch aber keine Konflikte: "Wenn Kinder zum Beispiel sagen, dass wir zu viele Ausländer haben, meinen sie damit nicht die Klassenkollegen", sagt Rammel.

Prammer hält die Demokratiewerkstatt auch für eine Integrationsmaßnahme: "Staatsbürger oder nicht ist bei uns völlig egal, denn Partizipation ist mehr als Wahlrecht." Vor allem die Ehrung zum "Demokratie-Profi" für alle Kinder, die insgesamt vier Kurse besucht haben, würde junge Menschen mit Migrationshintergrund rühren. "Viele bekommen in den Familien vermittelt, dass österreichische Politiker totale Honoratioren sind. Und dann steht plötzlich die Nationalratspräsidentin vor ihnen und hängt ihnen eine riesige Goldmedaille um", sagt Elisabeth Schindler-Müller, Leiterin der Demokratiewerkstatt.

Am Ende des Vormittags hat jede Gruppe einen fertigen Medienbeitrag gestaltet. Rote Backen, die Kinder sind stolz. "Klar ist es manchmal schockierend, wie wenig Vorwissen manche Klassen haben. Aber spätestens nach dem Kurs wissen sie mehr als mancher Erwachsene", sagt Prammer. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 19.1.2013)