Bild nicht mehr verfügbar.

Tommy Chong und Cheech Marin drehten in den 1970er- und 1980er-Jahren als Comedy-Duo Cheech & Chong Filme über die Abenteuer von zwei kiffenden Freunden.

Foto: reuters / FRED PROUSER

Leider erbe ich von meinem Vater die kurze Lunte, wenn die Tücke des Objekts zuschlägt. Längst nickt meine Freundin bloß mechanisch, wenn ich ihr beim Wegputzen diverser Inhalte von Dosen, Sackerln, Tuben und Gläsern wieder die Verschwörung der Verpackungsindustrie gegen mich erkläre. Danach drückt sie mir Geld in die Hand und deutet stumm in Richtung Supermarkt.

Zorro muss bluten

Meine Zeit als Soldat verbringe ich hauptsächlich im Soldatenheim. Das Morgenritual beinhaltet die Zubereitung von einhundert Wurstsemmeln. Die Wurstschneidemaschine kann mir nichts anhaben, weil ich zu paranoid bin. Für die Semmeln gibt es hier keine Maschine, stattdessen mache ich den Zorro: Ausfallschritt, das lange Brotmesser ersticht eine Semmel aus dem Korb, Anschnitt, Schneidbrett, Hand über Klinge, durchziehen, fertig! Ohne den Zorro, so denke ich, würde ich bei dieser öden Tätigkeit einschlafen und mir in die Hand schneiden.

An diesem Morgen gleitet die Klinge des Brotmessers jedoch nicht elegant in den Bauch einer Semmel, sondern trifft den Rand des Korbes, und mein Daumen gleitet die gesamte Länge der Klinge entlang, bevor ich die Bewegung stoppen kann. Danach blüht mein Daumen auf, Blut spritzt auf einhundert Semmeln. Anschließend näht der Sani mir die Daumenkuppe bis zur Handwurzel soldatisch betäubungslos. Ich hasse Zorro schweigend.

Hände weg!

Von vorne kennt fast jeder ein Radarpult: runder Bildschirm, ein Kerl, der "Rotscher" sagt, und sein Assistent, der Kerl, der mit kleinen bedruckten Papierstreifen die Kontrolle koordiniert. Diese Streifen entstehen aber zu meiner Zeit hinter dem Pult, wo ein Team von Flugdatenbearbeitern sie ausdruckt, ordnet und auf kleinen Plastikschlitten befestigt. Durch einen Schlitz auf der Rückseite des Radarpultes gleitet dann der Schlitten auf einer Rutsche zur Vorderseite. Manchmal verhakt sich der Schlitten aber und steckt im Schacht.

Und ich schiebe meine Hand in den engen Schlitz, so tief ich kann, den Schlitten erreiche ich mit den Fingerspitzen, und er gleitet zum Koordinator. Doch meine Hand kommt nur bis zum Handgelenk wieder aus dem Schlitz. Die Faust sitzt fest. Man holt den Cheftechniker. Er holt die anderen Techniker, damit die was zum Lachen haben. Und sagt: "Wisst's wos, Burschn!? Zaht's eam vuan auße!" In diesem Moment gelingt es mir, inzwischen schweißgebadet vor Scham, die Faust, die ebenfalls schwitzig ist, mit Gewalt herauszuziehen. Nichts muss genäht werden, ein großes Pflaster ersetzt mir zwei Wochen lang ein Stück Haut auf dem Handrücken.

Bei einer anderen Gelegenheit halte ich es für notwendig, statt Türschnallen lebensgroße Hände zu montieren. Sie sollen aus Kunstharz gegossene Abdrücke meiner rechten Faust sein. Dazu rühre ich in einem Küchentopf reichlich Gips an, stecke meine Faust bis über das Handgelenk in die Masse und warte, bis der Gips aushärtet. An diesem Tag bin ich fast dreißig, stocknüchtern und der festen Überzeugung, mein Intelligenzquotient sei weit über 85. Bis der Gips tatsächlich aushärtet.

Ein Klassiker

In unseren Drifterjahren haben mein Kumpel Georg, der übergriechische Supermensch, und ich ein Ritual entwickelt. Freitags gehen wir in den "Camera Club", kaufen ein Stück Dope um 200 Schilling und fahren anschließend auf den Gallitzinberg. Unterhalb der Jubiläumswarte, unter uns die Lichter Hütteldorfs, rauchen wir unser mieses Dope und besprechen wieder mal, dass es an der Zeit ist, das Driften sein zu lassen. Ab nächstem Jahr.

Dann fahren wir in die Stadt. So landen wir in einer Winternacht auf dem Karlsplatz, wo uns ein Adagio aus einem der Gebäude einfängt, durch ein riesiges Haustor führt, entlang dunkler Gänge immer lauter wird, bis wir vor einer Flügeltüre stehen. Dahinter ist diese himmlische Musik ganz laut, ich stoße die Tür auf, wir stolpern einige Meter in den Raum. Und stehen hinter der letzten Reihe der Streicher. Etwa zweihundert Augenpaare blicken direkt in unsere vom Kiffen roten, kleinen Schweinsaugen. Zwei Streicher drehen sich um. Wir flüchten zu unserem Auto und fahren zurück in die Sicherheit des Gallitzinberges.

Stirb dreckig!

Während des Krieges in Kroatien entwickle ich die paranoide Vorstellung, ein aufgeheizter Turbopatriot könnte mich beim Klogang in die Luft sprengen. Weil jemand zwei Wochen zuvor am hellen Tage, während ich rauschig schlafe, mein Moped klaut, entwickelt mein Wahn auch das fiktive Szenario und Gegenszenario zu meinem explosiven Abgang.

Weil ich davon ausgehe, dass mein präsumtiver Mörder mich beobachtet, muss er wissen, dass ich jeden Tag gegen 15 Uhr aufwache und im Zombiemodus aufs Klo wanke. So hat er Zeit, die Höllenmaschine im Wasserkasten zu montieren. Damit ich beim Scheißen sterbe. Die Gegenmaßnahme ist mühsam, aber als einzige effizient. Das Bedürfnis kann gar nicht so dringend sein, dass ich nicht zuerst den Wasserkasten aufschraube und nachsehe. Später benütze ich nur einen Stock, stehe außen neben der Türe und drücke die Spülung gewissermaßen ferngesteuert, immer hoffend, dass die Betonmauer des Hauses eh dick genug ist. Niemals jedoch komme ich in all dieser Zeit auf die Idee, den Wasserkasten nicht mehr zu deckeln, um einfach vor dem Hinsetzen einen Blick in das Innere zu werfen. Das fällt mir erst in Wien ein.

Das gesündeste Misstrauen

Überflüssig zu sagen, dass niemand mein Klo zur Todesfalle machen will. Es gibt keinen lauernden Mörder, und ich hätte in all diesen Wochen und Monaten in aller Ruhe abkacken können, ohne mittendrin an Auslösemechanismen zu denken, die durch das Hinsetzen aktiviert werden und zeitverzögert auslösen. Bevor ich zum Klopapier greifen kann und ergo dreckig sterben muss.

Ich habe aber gelernt, dass immer dann, wenn ich glaube, alles genau zu checken, zu wissen, wo's langgeht, und auf weiter Flur der Klügste zu sein, meine größten Missgeschicke geschehen. Ein gesünderes Misstrauen als jenes zur eigenen Größe, Wichtigkeit und Weisheit gibt es nicht. Allenfalls das Misstrauen, das man jedem entgegenbringen muss, der behauptet, die Abkürzung zum Glück zu kennen.

Meine Gegenwart kennt nur eine dieser Abkürzungen: Wenn ich meinen Sohn morgens wecke, er die Äugelein öffnet und sagt: "Geh weg, Papa! Ich will meine Mama!" (Bogumil Balkansky, daStandard.at, 18.1.2013)