Die im Süden und Südwesten Afrikas beheimatete Völkergruppe der Khoisan repräsentiert nach bisherigen genetischen Untersuchungen die ältesten Menschengruppe der Erde. Basierend auf archäologischen Funden wird angenommen, dass einige dieser Khoisan-Völker, deren eigentümliche Sprachen höchst selten vorkommende Schnalz- und Klicklaute enthalten, die Nachfahren indigener Jäger und Sammler aus der späten Steinzeit sind, während die Völker, die so genannte Bantu-Sprachen sprechen, erst vor etwa 2.000 bis 1.200 Jahren in das Gebiet einwanderten. Aktuelle Genanalysen zeigen nun aber, dass uralte Khoisan-Abstammungslinien in heute lebenden Bantu-Gruppen überlebt haben.
Ein internationales Forscherteam untersuchte das Erbgut von Menschen, die verschiedenen Khoisan- und Bantu-Völkern angehören. Die Analyse mitochondrialer DNA zeigt, dass die Khoisan eine größere genetische Diversität besitzen als bisher angenommen. Dabei haben mitochondriale DNA-Abstammungslinien bereits ausgestorbener Khoisan-Gruppen in heute lebenden Bantu-Gruppen überdauert. Grund dafür ist möglicherweise eine Vermischung von Bantu-Immigranten mit Khoisan-Frauen.
Historischen Quellen zufolge siedelten die Khoisan-Völker hauptsächlich auf dem Gebiet des heutigen Südafrika, Namibia, Botswana, in Süd-Angola und angrenzenden Gebieten des südwestlichen Sambia. Mithilfe genetischer Analysen konnten die Wissenschafter jetzt belegen, dass die Khoisan-Völker sich auch weiter im Norden Sambias niedergelassen hatten. Das Erbgut dieser nördlichen Khoisan-Gruppen unterscheidet sich jedoch stark von dem heute bekannter Khoisan-Völker.
Mitochondriale Khoisan-DNA bei Bantu-Völkern
Die Forschergruppe vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und dem französischen CNRS in Lyon sequenzierte und analysierte die mitochondrialen Genome - Erbgut, das mütterlicherseits vererbt wird - von 500 Menschen aus Botswana, Namibia, Sambia und Angola, die verschiedene Khoisan- und Bantu-Sprachen sprechen. Das Ergebnis: Einige Bantu-Gruppen, hauptsächlich aus Sambia, besitzen mitochondriale DNA von Khoisan-Völkern, die sich stark von den bisher bekannten unterscheiden. Diese finden sich nahezu ausschließlich bei Bantu-Völkern und fehlen bei praktisch allen Khoisan-Gruppen.
"Die beste Erklärung für unsere Analyseergebnisse ist, dass Bantu-Immigranten sich mit ortsansässigen Khoisan-Frauen vermischten, als sie erstmals ins südliche Afrika einwanderten. So flossen die abweichenden Abstammungslinien in deren Genpool mütterlicherseits ein", sagt Chiara Barbieri vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Die Khoisan-Völker, mit denen sie in Kontakt kamen, starben später möglicherweise aus, denn wir finden diese abweichenden Khoisan-Abstammungslinien in keiner der uns heute bekannten Khoisan-Völker wieder".
Brigitte Pakendorf vom CNRS-Labor "Dynamik der Sprache" in Lyon, die die Studie koordinierte, ergänzt: "Das ist ein wirklich wichtiges Ergebnis, denn es zeigt: Indem wir uralte Abstammungslinien erforschen, die von Bantu-Gruppen durch Mischehen mit einheimischen Völkern übernommen wurden, können wir noch mehr über die Populationen herausfinden, die das Afrika südlich der Sahara bewohnten, bevor die Bantu-Völker in der Eisenzeit einwanderten." (red, derStandard.at, 19.01.2013)