Wien - "It can be done." Den Leitsatz des Unbeirrbaren sieht man im Film noch an der Wand der Gefängniszelle. Ein Mann wartet dort auf den Abschluss seines Verfahrens, staatliche Behörden betreiben die Unterbindung seiner wissenschaftlichen Arbeit. Der Mann ist Wilhelm Reich: 1897 in Galizien geboren - und 1957 in einem US-Gefängnis gestorben -, studierter Mediziner, Psychoanalytiker der ersten Generation und Sexualtherapeut, von den Nationalsozialisten vertrieben, nach mehrjährigem Exil in Skandinavien schließlich 1939 in die USA gelangt, (Er-)Finder der Orgon-Energie und mit deren Erforschung und Nutzbarmachung befasst.
Keine Individualbiografie
Antonin Svobodas aktueller Spielfilm ist nach der Dokumentation Wer hat Angst vor Wilhelm Reich? von 2009 bereits die zweite filmische Auseinandersetzung des Wiener Filmemachers und Produzenten mit Leben und Werk des schillernden Grenzwissenschafters Reich. Wie der Titel nahe legt, nähert sich Der Fall Wilhelm Reich seinem Protagonisten, der sich nicht aufhalten lassen will, wenn es etwas in die Tat umzusetzen gilt, nicht in Form einer chronologisch erzählten Individualbiografie.
Es geht um den "Fall", der in den USA anno 1956 ein Gerichtsfall ist, aber auch ein Absturz, und zugleich ein Marker für ein bestimmtes gesellschaftliches und politisches Klima im Nachkriegsamerika (in welchem für den Vertriebenen Reich wiederum seine Erfahrungen in Europa nachhallen).
Es soll um etwas Exemplarisches gehen: um konkurrierende Denkschulen und Weltmodelle, um die Durchsetzung hegemonialer Ansprüche mit nicht immer so hehren Mitteln. Am Anfang des Films sieht man einen Hörsaal in Wien, in dem Mitte der 20er-Jahre skeptisch dreinschauende Herren im Anzug Platz genommen haben. Aus dem Off hört man einen Vortrag von Reich. Seine These scheint so steil wie die Sitzreihen. In die Montage von Publikum und Text bricht (gespielte) Empörung.
Dieser Einbruch von dramatischer Handlung in ein auf den ersten Blick konzentriert versachlichtes Setting spiegelt ein wenig von jener Zerrissenheit wider, die der Film als Ganzes nicht abschütteln mag. Die Zeitsprünge vor und zurück sind nicht immer nachvollziehbar. Szenen im Labor oder vor Gericht erinnern an leicht verstaubte Fernsehspiele. Vielleicht auch, weil sich die deutschsprachigen Ensemblemitglieder (Julia Jentsch, Birgit Minichmayr, Jeanette Hain als Exilantinnen) so um ihre englischen Sätze bemühen.
Dann gibt es wieder verblüffende filmische Volten wie jene, in der ein Schnitt einen nahtlosen Erzählfortgang andeutet, und erst dann kenntlich wird, dass zwischen den kinderlosen Nachbarn, denen Reich seine therapeutische Hilfe anträgt, und dem Neugeborenen im nächsten Bild gar kein Zusammenhang besteht.
Das ist umso treffender, als der von Klaus Maria Brandauer mit Nachdruck verkörperte Wissenschafter stets sofort Ursache und Wirkung identifiziert und nutzbar machen will ("It can be done"). Wenn er dann seinen Cloud-Buster gen Himmel richtet, fällt lange erwarteter Regen. Das Gesamtbild bleibt trotzdem nebulos. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 18.1.2013)