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Zweikampfstark: Julian Baumgartlinger (li.) im Duell mit Dortmund-Spieler Mario Götze, ...

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... gegen Schalkes Stürmer Klaas-Jan Huntelaar und ...

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... im Zweikampf mit Landsmann David Alaba von den Bayern.

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Wien/Mainz - Eine Kampfmaschine im defensiven Mittelfeld: Diesen Ruf hat sich der Salzburger Julian Baumgartlinger in seiner zweiten Saison beim deutschen Bundesligisten Mainz 05 erarbeitet. Am Samstag startet der Ligasechste mit einem Heimspiel gegen Tabellennachbar Freiburg in die Rückrunde. Zuvor sprach der 25-Jährige noch mit Philip Bauer.

derStandard.at: Ich habe mich eben durch Ihre Statistiken gewühlt. Beschäftigen Sie sich auch mit diesen Zahlen?

Baumgartlinger: Man kommt nicht daran vorbei. Es wird in den Medien transportiert, man bekommt es erzählt oder liest es selbst. Auch unser Trainerteam erwähnt die Zahlen ab und zu, zum Beispiel die Laufstatistik. Das wird also schon einbezogen.

derStandard.at: Die Trainer reiben Ihnen Zahlen unter die Nase?

Baumgartlinger: Kein Trainer wird sagen: "Verbessere deine Passquote!" Das wäre viel zu unpräzise. Meine Passquote kann ich auch mit Pässen verbessern, die unserer Mannschaft nichts bringen. Der Trainer verschafft sich eher ein Gesamtbild des Spielers.

derStandard.at: Ihre Passgenauigkeit steht ohnehin bei rund 90 Prozent.

Baumgartlinger: Auch da muss man sich natürlich genau ansehen, welche Qualität die Pässe haben. Gegen welchen Gegner, in welcher Drucksituation, da kommen sehr viele Faktoren dazu. "Gute Quote" oder "schlechte Quote" ist zu kurz gegriffen.

derStandard.at: Die Zahlen haben für Sie also keine große Bedeutung?

Baumgartlinger: Teilweise sind sie hinfällig. Wenn ich persönlich gute Statistiken habe, das Spiel aber 0:3 verloren geht, wird mir keiner sagen, dass ich toll gespielt habe. Grundsätzlich interessieren mich diese Zahlen aber schon, sie geben mir Anhaltspunkte.

derStandard.at: Zum Beispiel heißt es, Sie würden 60 Prozent Ihrer Zweikämpfe gewinnen, im Vergleich zu 50 Prozent im Vorjahr. Hätten Sie das auch so eingeschätzt?

Baumgartlinger: Ich könnte nicht sagen, dass ich in diesem Spiel zehn Prozent mehr Zweikämpfe gewonnen hätte als in einem anderen. Man merkt aber, ob man sich allgemein gut fühlt. Außerdem muss man auch diese Statistiken mit etwas Vorsicht genießen: Was wird als Zweikampf gewertet und was nicht?

derStandard.at: Der allgemeine Tenor lautet aber auch ohne Statistik: Julian Baumgartlinger hat seine Zweikampfführung verbessert. Wie hat er das gemacht?

Baumgartlinger: Das ist schwierig zu beantworten. Ich habe die Art, wie ich in die Zweikämpfe gehe, nämlich nicht verändert. Vielleicht habe ich die Erfahrungen aus dem ersten Jahr in Mainz mitgenommen. Grundsätzlich habe ich mich aber auch damals in Form gefühlt und keinen Zweikampf gescheut. Aber was sind schon zehn Prozent? Vielleicht ein Zweikampf pro Spiel.

derStandard.at: Macht nicht genau dieser eine Zweikampf den Unterschied in einer zugespitzten Sportart aus?

Baumgartlinger: Gerade wenn ein Gegentor fällt, wird anschließend analysiert und festgestellt: Hätte man den Zweikampf defensiv gewonnen oder hätte man dieses Kopfballduell nicht verloren, wäre das Tor nicht gefallen. Insofern kann natürlich jeder einzelne Zweikampf entscheidend sein.

derStandard.at: Sie haben bereits die Erfahrungen aus dem ersten Jahr angesprochen. Wie lauten die konkret?

Baumgartlinger: Wir spielen bei Mainz ein sehr ausgereiftes taktisches System, das ich im letzten Jahr verinnerlichen musste. Und natürlich muss man sich auch an das höhere Tempo adaptieren. In diesen Aspekten konnte ich mich am meisten weiterentwickeln.

derStandard.at: Und wo sehen Sie noch Potenzial nach oben?

Baumgartlinger: Ich habe in Deutschland noch kein Bundesliga-Tor geschossen. Das steht auf meiner Liste der Dinge, die es zu verbessern gilt. Nur weil ich defensiv eingesetzt bin, schließt das nicht aus, dass ich auch nach vorne gefährlich werden kann.

derStandard.at: Die Sehnsucht nach dem ersten Torjubel ist also schon recht groß?

Baumgartlinger: Natürlich, jeder Spieler schießt gerne Tore. Das ist bei mir nicht anders.

derStandard.at: Dortmund-Spieler Sebastian Kehl meint, Antizipation und Stellungsspiel seien im defensiven Mittelfeld wichtiger als Endgeschwindigkeit. Sehen Sie das auch so?

Baumgartlinger: Damit hat er schon recht. Wir haben auf unserer Position von vorne, von hinten und von der Seite Druck, da kommt man gar nicht zu einem 30- oder 40-Meter-Sprint wie ein Außenspieler. Wir haben kurze Antritte, um in den Zweikampf zu kommen. Und da kann Antizipation natürlich weiterhelfen.

derStandard.at: Wie verbessert man seine Antizipation?

Baumgartlinger: Man kann seine Wahrnehmung schon trainieren, wichtig ist aber vor allem Erfahrung. Wenn man oft auf hohem Niveau gespielt hat, lernt man, sich zu orientieren, bevor man den Ball bekommt. Bevor die Situation überhaupt in der eigenen Umgebung ist, weiß man bereits, welche Spielertypen um einen versammelt sind. Es fließen immer mehr Faktoren in meine Entscheidungen auf dem Platz ein.

derStandard.at: Und der Gegner versucht Ihre Antizipation mit einem überraschenden Element auszuhebeln.

Baumgartlinger: Ja, deshalb ist das schnelle Umschalten nach einer Balleroberung so wichtig geworden. Das ist der eine Moment, in dem der Gegner ungeordnet ist, in dem er kurz die Orientierung und den Überblick verliert. Dortmund hat mit diesen überfallsartigen Angriffen nach Balleroberung die Gegner in den letzten Jahren ausgetrickst.

derStandard.at: Warum wird der Sechser im modernen Fußball als Schlüsselposition angesehen?

Baumgartlinger: Wenn der Gegner durch die Mitte kommt, entsteht sehr schnell höchste Gefahr vor dem eigenen Tor. Verliert man als Sechser den Ball im Spielaufbau oder produziert einen Fehlpass, brennt es. Man muss also sehr versiert, mit sauberer Technik Fußball spielen. Der Sechser hat keine Zeit, sich den Ball dreimal herzurichten, weil er ihn schlecht gestoppt hat.

derStandard.at: Lernt man das Stoppen des Balls am besten als Teenager im Ausland?

Baumgartlinger: Es gibt keine goldene Regel, jeder Spieler hat seinen Charakter, entwickelt sich anders. Die fußballerische Ausbildung ist in Österreich mittlerweile sehr gut, das wird in Europa auch dank der Erfolge im Nachwuchs anerkannt. Ich denke nicht, dass es notwendig ist, als Kind oder wie ich als 13-Jähriger ins Ausland zu gehen.

derStandard.at: Noch ein Ausblick auf das Frühjahr: Sie haben einen wichtigen Teil des Aufbautrainings erkrankt verpasst, wie sehr hängt Ihnen das nach?

Baumgartlinger: Ich hätte es mir anders gewünscht, nach der kurzen Winterpause ist das aber halb so dramatisch.

derStandard.at: Sie werden am Samstag also gegen Freiburg spielen?

Baumgartlinger: Das werde ich kurz vor dem Spiel erfahren. Aber ich bin bereit. (Philip Bauer, derStandard.at, 18.1.2013)