Wien - Immer weniger Österreicher wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Im abgelaufenen Jahr 2012 gab es rund 27.200 Unternehmensneugründungen, weniger als im Krisenjahr 2009. Der Wert war der schlechteste der vergangenen zehn Jahre. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl pocht auf die rechtliche Umsetzung alternativer Finanzierungsformen wie Crowdfunding.

Kein Kredit ohne Sicherheit

Für Gründer sei es heute schwierig, ohne Sicherheiten an Bankkredite zu kommen. "Basel II und Basel III schlägt natürlich zurück", so Leitl am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. "Irgendwo leuchtet ein rotes Licht auf und dann heißt's Vorsicht." Ein junger Uniabsolvent bekomme heute oft nicht einmal einen 10.000-Euro-Kontorahmen, pflichtete ihm Markus Roth von der Jungen Wirtschaft bei.

Roth hat eine Arbeitsgruppe mit Experten eingerichtet, die im ersten Halbjahr 2013 ein Strategiepapier mit Vorschlägen für die Schaffung der richtigen Rahmenbedingungen von alternativen Finanzierungsformen - von Crowdfunding über Venture Capital bis hin zu Pre-Seed-Finanzierung - ausarbeiten will.

Hype um Waldviertler

Derlei Finanzierungsformen sind in Österreich noch die Ausnahme. Das Schlagwort Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) ist erst seit dem in aller Öffentlichkeit ausgetragenen Zank des streitbaren Waldviertler Schuhhändlers Heini Staudinger mit der Finanzmarktaufsicht (FMA) in aller Munde. Sogar der WKÖ-Chef hat sich ja als Vermittler eingeschaltet, aber ohne Erfolg: Staudinger ruft nun gegen den FMA-Strafbescheid, den er aufgrund seines privaten Finanzierungsmodells erhalten hatte, den Verfassungsgerichtshof (VfGH) an.

"Wir haben ihm eine Lösung aufgezeigt, die nicht teurer geworden wäre", sagte Leitl. Aber Staudinger wolle eine "grundsätzliche Klärung", was er, Leitl, verstehen könne. "Er ist eine extrovertierte Persönlichkeit, die bereit ist, einen etwas schrägeren Weg zu gehen", meinte Roth. Der Schuhhändler profitiere enorm von dem Medienhype - "mit dem bisschen Geld, das er jetzt an Strafe zahlt, hätte er das nie erreicht."

Österreicher meiden Risiko

Wer es heute Staudinger gleichtun will und bei Privaten kleine Beträge für sein Unternehmen einsammeln will, könnte mit dem Gesetz in Konflikt kommen. Roth vergleicht die derzeitige Rechtslage mit einer "morschen Holzbrücke". Bereits ins Leben gerufene Plattformen seien oft nach ein paar Monaten von der FMA abgedreht worden.

Prinzipiell gilt Österreich nicht gerade als Land des Risikos. Nur 0,007 Prozent des BIP, rund 124 Mio. Euro, stehen laut Roth hierzulande als Risikokapital zur Verfügung. Der EU-Schnitt liege bei 0,029 Prozent, also mehr als dem Vierfachen.

Erfolgsstory Pebble e-watch

Crowdfunding gibt es seit rund zehn Jahren. Es hat seinen Ursprung im Spendenbereich, wo Private Hilfsorganisationen für bestimmte Projekte zinsenlose Kleinkredite zur Verfügung stellten. In den USA gibt es mittlerweile schon richtige Erfolgsstorys, sagte Oliver Gajda vom European Crowdfunding Network. Ein regelrechter Hype hat sich zum Beispiel um die "Pebble e-watch" entwickelt, eine mit dem Smartphone synchronisierbare Armbanduhr.

Deren Erfinder Eric Migicovsky hat, nachdem ihm von Business Angels zur Verfügung gestelltes Geld ausgegangen war, im April 2012 eine Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter gestartet. Sein Ziel war es, 100.000 Dollar zusammenzubekommen; jeder, der ihm Geld gibt, sollte eine Uhr bekommen. Letztendlich hat Migicovsky rund zehn Millionen Dollar eingesammelt und nach einigen Verzögerungen will er die Uhren nächste Woche ausliefern.

Auch in Europa gibt es, so Gajda, Plattformen, über die Unternehmen bereits 3 Mio. Euro eingesammelt hätten. Nun sei es an der Zeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen; momentan spießt es sich vor allem an der Prospektpflicht. Bei Beträgen unter 100.000 Euro gebe es von EU-wegen keine Regelung. Österreich könnte hier eine Vorreiterrolle spielen, wünschen sich Gajda und die WKÖ. Bisher habe lediglich Italien beschlossen, Crowdfunding zu legalisieren, in den USA sei die Eigenkapitalfinanzierung über den "Schwarm" gar nicht legal.

Frisör 2.0

Was aber, wenn das Geld, das Private jungen Firmen zur Verfügung stellen, versickert, die Idee nicht aufgeht? "Jeder muss selbst wissen wo er sein Geld investiert", so Leitl. Und Gajda konstatiert: "Eigenkapital hat Risiko. Punkt."

Roth hält Crowdfunding prinzipiell für alle geeignet, auch für den sprichwörtlichen kleinen Friseursalon im Dorf. Wenn es dann erst rechtlich klare Rahmenbedingungen für alternative Finanzierungsformen gebe und auch die bereits beschlossene, aber noch nicht umgesetzte "GmbH light" endlich komme (bis zum Sommer werde es wohl so weit sein), werden auch die Firmenneugründungen wieder anziehen, hofft er.

Interesse an GmbH light

Das Interesse an der neuen Rechtsform, für die man nur mehr 10.000 statt 35.000 Euro Mindeststammkapital braucht, sei enorm. Die alte GmbH sei zum Sterben verurteilt gewesen, sagte Leitl. 2012 waren nur 10,8 Prozent der neu gegründeten Firmen GmbH, die Mehrheit entfiel auf nicht eingetragene Einzelunternehmen (77,3 Prozent).

Die Lebensdauer der österreichischen Jungunternehmer sei beachtlich. Nach drei Jahren existierten noch acht von zehn Neugründungen, nach fünf Jahren 70 Prozent. Die Frauenquote sei hierzulande doppelt so hoch wie im Europaschnitt. 2012 ist der Frauenanteil auf einen Höchstwert von 42,1 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: Von allen Kammermitgliedern sind aktuell (2011) 40,3 Prozent weiblich.

Das Durchschnittsalter der Gründer lag 2012 bei 37 Jahren. Am häufigsten machten sich die Österreicher im Gewerbe und Handwerk (40,5 Prozent) sowie im Handel (24,9 Prozent) und im Bereich Information und Consulting (20,3 Prozent) selbstständig.

Für Leitl sind die Gründerzahlen ein "Spiegel der Konjunktur". Im Krisenjahr 2009 habe es wohl deshalb mehr neue Selbstständige gegeben, weil man damals gehofft habe, es werde bald wieder bergauf gehen. 2012 hätten Gründungswillige vor allem unter der angespannten Finanzierungssituation gelitten. Aber Österreich stehe im Vergleich noch gut da: Während das Minus hierzulande bei rund 1 Prozent gelegen sei, seien in Deutschland um 6 Prozent weniger neue Unternehmen an den Start gegangen. (APA, 16.1.2013)