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"Die Normalität ist die wahre Provokation", sagt Designerin Miuccia Prada. Ihre Garderobe eignet sich für den anspruchsvollen Nerd: knöchelfrei und samt Mantel, der auch als Tischtuch eine gute Figur machen würde.

Foto: AP/Calanni

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Emporio Armani

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Gucci

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Der Terminkalender in der Mode ist eng geworden zu Jahresbeginn. Begann das neue Jahr bisher mit der Modemesse Pitti in Florenz und den Männermodeschauen für den kommenden Herbst in Mailand, zwängen sich plötzlich zusätzliche Männerschauen in London in die kurze Atempause nach den Feiertagen. Die kommerziell wichtigen Labels präsentieren zwar nach wie vor in Italien, mit Argusaugen schielt man allerdings auf die Konkurrenz an der Themse. Immerhin leisten den dortigen Jungdesignern bereits Kapazunder wie Tom Ford oder Sarah Burton (Alexander McQueen) Gesellschaft.

Als denn mitten in die Mailänder Männermodeschauen die Nachricht platzte, dass die zweitgrößte Luxusgruppe der Welt PPR Mehrheitsanteile am jungen englischen Label Christopher Kane kaufte, war das mehr als ein Signal: London ist im Aufwind.

Mailand muss sich dagegen warm anziehen. Um magere 1,9 Prozent stieg der Umsatz der italienischen Modebranche im letzten Quartal 2012, ein Jahr zuvor waren es noch 10,9 gewesen. Und das, obwohl gar nicht so wenige Luxusmarken jedes Jahr von neuem zweistellige Umsatzzuwächse verzeichnen. "Die ersten drei Quartale des neuen Jahres werden noch schwierig sein", meint Kammerpräsident Mario Boselli "im vierten geht's dann aufwärts." Also justament dann, wenn die in den vergangenen Tagen präsentierten Kollektionen in die Geschäfte kommen.

Arbeit geht vor

Optimismus versprühen diese im Mailänder Nieselregen allerdings genauso wenig wie ihre Designer. Diese nehmen bevorzugt Worte wie "Arbeit", "Einfachheit" oder "Tradition" in den Mund. Bei Tomas Maier, dem wortscheuen, aber einflussreichen Designchef von Bottega Veneta (gehört zu PPR, jedes Jahr neue Umsatzrekorde) klingt das so: "Es ist eine schwere Zeit, die Arbeit steht deshalb an erster Stelle."

Auf dem Laufsteg äußert sich das an einer mit militärischer Strenge durchexerzierten Parade von Anzügen und hochgeschlossenen Jacken und Mänteln. Die meisten von ihnen sind zweireihig, viele Anzüge dreiteilig, die Silhouette ist streng und kantig, die Farben betont dunkel. Und mischt sich einmal ein etwas hellerer Ton in die Parade, etwa ein blasser Sand- oder Bronzeton, dann ist der Anzug garantiert aus Leder. Gute Laune klingt anders, der Clou von Maiers Kollektion liegt allerdings in der großen Feinfühligkeit, was Materialien und subtile Details anbelangt. Selbst sportlichere Kleidungsstücke wie Parkas oder Steppjacken sind mit der gleichen Strenge gemacht wie seine klassische Herrengarderobe.

Die klare Trennung zwischen Beruf und Freizeit scheint bei den meisten Modefirmen in dieser Saison aufgehoben. Möglich wird das durch neu entwickelte Materialien, in die Designer immer mehr Zeit investieren. Vor allem bei den Anzügen trumpft man mit besonders leichten und robusten Stoffen auf. Ein besonders glückliches Händchen hat diesmal Giorgio Armani mit seiner Emporio-Linie. Zusammen mit Zegna (dort zeigte man die letzte Kollektion, bevor der von Yves Saint Laurent kommende Designer Stefano Pilati sein Amt antritt) gehört Armani zu jenen Unternehmen, die mit ihrer Männermode auch richtig Geld verdienen.

Armani greift die beherrschenden Themen in dieser Saison auf, wie alle anderen auch zeigt er viele Mäntel zu über den Knöcheln endenden Hosen, er macht dies aber auf seine zumeist in Greige gehaltene Weise: Er mischt Neopren-Hosen mit groben Strickpullis, Lederjacken sind mit einer feinen Membran beschichtet, sodass sich ihre Farbe ändert.

Von untergeordneter Bedeutung ist das Geschäft mit der Herrengarderobe dagegen bei Prada. Was hier auf dem traditionell von Rem Koolhaas eingerichteten Laufsteg gezeigt wird, ist dafür umso einflussreicher. Diesmal hat Koolhaas ein "ideales Haus" in die Prada-Hallen gebaut. Darin zeigt Prada laut eigenen Aussagen "ideale Mode". Und die sieht bei ihr so aus: kantige Mäntel, die karierten Tischtücher ähneln, Hemden mit Rüschen, Lederjacken zu Ringelpullis, klobige Schuhe mit zackigen Gummisohlen. Mode für Prada-Nerds.

Das Normale ist pervers

Das Ganze ist genau so einfach wie banal, genau so unschuldig wie hintergründig. "Die Normalität ist die wahre Provokation", wird Miuccia Prada nach ihrer Modeschau sagen, und vielleicht liegt genau darin der Reiz von vielen Kollektionen in dieser Saison. Es ist nämlich schon länger her, dass die traditionelle Garderobe, die traditionellen Silhouetten auf den Laufstegen so omnipräsent waren.

Auf den zweiten Blick konnte man aber einige wirkliche raffinierte Kollektionen entdecken, etwa jene der zurückgekehrten Jil Sander, die ihre Kollektion rund um den Mantel in all seinen Variationen aufbaut: durch Nadelstanztechnik erzeugte Karo- und Streifenmuster, Ponyfell-Applikationen, Kirgisenrot, Jil Sander-Blau. Oder jene der hochschwangeren Frida Giannini für Gucci: Reitermäntel in Babyblau, Dandypullis aus Mohair, abwechselnd streng und lustvoll verspielt.

Oder Umit Benans Herbsteloge für die Traditionsmarke Trussardi: Avantgarde trifft hier auf Klassik, hochtechnische Materialien auf Cord und Tweed. (Stephan Hilpold, DER STANDARD, 16.1.2013)