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Schlechte Aussichten in der kroatischen Hauptstadt Zagreb: Das Wachstum dürfte 2013 bestenfalls stagnieren, die Arbeitslosigkeit wird hoch bleiben.

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Chakrabarti: Sorgt sich über Rechtsextremismus.

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Suma Chakrabarti, Präsident der Osteuropabank, sieht für die Region Licht am Ende des Tunnels. Wie notwendige Investitionen angezogen werden können, sagte er András Szigetvari.

STANDARD: Hat Osteuropa das Schlimmste in der Finanzkrise überstanden?

Chakrabarti: Seit 2011 hat die EBRD ihre Prognosen für Zentral- und Osteuropa am laufenden Band nach unten korrigieren müssen. Das ist vorbei: Für 2013 erwarten wir, dass sich die Situation stabilisiert. So schlimm wie 2011 und 2012 wird es in Osteuropa 2013 nicht mehr. Auch die Kapitalabflüsse, die in den vergangenen Jahren stark waren, scheinen sich in den vergangenen Monaten verlangsamt zu haben. Das sind gute Nachrichten, es bedeutet aber nicht, dass die Länder in der Region nicht weiter an Reformen arbeiten müssen.

STANDARD: Eine Region, die zurückfällt, ist Südosteuropa: Sloweniens Wirtschaft wird 2013 schrumpfen, Kroatien und Serbien stagnieren.

Chakrabarti: Nicht alles in Südosteuropa ist deprimierend. Die Region hat 20 Jahre lang große Fortschritte gemacht, richtig ist, dass die Aussichten nicht rosig sind. Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Slowenien hatte viele Jahre eine sehr staatsdominierte Wirtschaft. Das Modell war lange erfolgreich, hat allerdings inzwischen an Dynamik verloren. Nun debattiert das Land über eine stärkere Rolle der Privatwirtschaft, also weitere Privatisierungen. Das finde ich gut. Auch Serbien hat viel getan und Ungleichgewichte in der eigenen Leistungsbilanz enorm korrigiert. Bulgarien hat seinen Staatshaushalt in Ordnung gebracht.

STANDARD: Privatisierungen und Einsparungen: Waren das nicht die Rezepte, die zur Krise führten?

Chakrabarti: Die meisten Länder, über die wir sprechen, sind zu klein, um auf eigene Faust zu wachsen, etwa indem sie eine starke Binnennachfrage generieren. Das gilt auf jeden Fall für die Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens, aber mit Ausnahme Polens wahrscheinlich für die ganze Region: Wer erfolgreich sein will, braucht internationale Investoren und Nachfrage aus Westeuropa. Das einzige Modell, das ich kenne, um mehr Investitionen anzuziehen, beruht auf einer stärkeren Rolle des Privatsektors in der Wirtschaft. Andere wichtige Faktoren sind relativ niedrige Löhne, eine gut ausgebildete Bevölkerung, ein funktionierendes Rechtssystem. Wer da nicht mithält, kann schnell zurückfallen. Das sieht man am Beispiel Ungarns sehr gut: Das Land galt 20 Jahre lang als Erfolgsmodell, inzwischen sind die Auslandsinvestitionen ausgetrocknet.

STANDARD: Sorgen Sie sich nicht um die sozialen Konsequenzen der Sparpolitik?

Chakrabarti: In einigen Staaten waren die Einschnitte sehr hart und schmerzhaft. Als EBRD machen wir uns derzeit auch über die politischen Konsequenzen Sorgen, wo einige extrem rechtsgerichtete Parteien und Bewegungen als direkte Folge der Krise erstarkt sind. In Griechenland hat die Partei "Goldene Morgendämmerung" (Faschisten, Anm.) 18 Prozent der Stimmen bekommen. In Ungarn gibt es mit der ultrarechten Jobbik eine Partei, deren Vertreter vorgeschlagen hat, eine Liste mit den Namen der jüdischen Abgeordneten im Parlament erstellen zu lassen. Was mich nach dieser Aussage etwas beruhigt hat, ist, dass das Statement zu heftigen Protesten im Land geführt hat.

STANDARD: Die Eurozone baut derzeit eine gemeinsame Bankenaufsicht bei der Europäischen Zentralbank auf. Eine gute oder schlechte Nachricht für Nicht-Euro Länder?

Chakrabarti: Unser erster Wunsch, wonach alle Länder Osteuropas der gemeinsamen Aufsicht als gleichwertige Partner beitreten können sollen, wurde bereits erfüllt. Der zweite, gleiche wichtige Schritt muss nun sein, dass die staatliche Übernahme und Abwicklung von maroden Banken auf europäischer Ebene stattfinden muss, also über den Rettungsschirm. Für alle Länder Osteuropas, die der Bankenunion beitreten, muss es einen Zugang zu diesen Abwicklungsinstrumenten geben. Wenn die Bankenaufsicht auf europäische Ebene gehoben wird, die Abwicklung von Banken aber eine nationale Angelegenheit bleibt, ist das ein problematisches Missverhältnis.

STANDARD: Österreichische Banken wie die Raiffeisen International befürchten Nachteile, wenn ihre Aktivitäten von einer Euro-Aufsicht überwacht werden, Länder wie Polen und Tschechien der Bankenunion aber nicht beitreten.

Chakrabarti: Ich habe viel Sympathie für diese Sichtweise. Wenn es am Ende des Tages zwei Systeme der Bankenaufsicht nebeneinander geben wird, wird das Leben für alle komplizierter. (DER STANDARD, 15.1.2013)