Die jüngsten Vorgänge in drei europäischen Ländern - Deutschland, Tschechien und Slowenien - bestätigen den Eindruck, dass die Menschen unter bestimmten Umständen in erster Linie nicht Parteien und deren Programme, sondern Persönlichkeiten wählen. Zugleich kann infolge der Kommunikationsrevolution Privates blitzschnell zum Politischen werden.

Im Herbst vergangenen Jahres wurde in den deutschen Medien und nicht nur dort (auch in dieser Kolumne) der zum SPD-Spitzenkandidaten nominierte frühere Finanzminister in der schwarz-roten Koalitionsregierung, Peer Steinbrück, als der potenziell gefährlichste Herausforderer Angela Merkels bezeichnet. Zwei ehemalige erfolgreiche sozialdemokratische Bundeskanzler, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder, hatten ihn als den besten Mann empfohlen.

Nur einige Monate später ist der "Absturz", der "freie Fall" Steinbrücks das Hauptthema im deutschen politischen Diskurs. Im Dezember trennten ihn zehn, jetzt bereits 25 Prozentpunkte auf der Beliebtheitsskala von Angela Merkel. Bei der letzten Umfrage wünschten sich 65 Prozent der Befragten, dass Merkel ihren Job behält. Selbst bei den SPD-Wählern sprechen sich nur 34 Prozent für Steinbrück aus. Berichte über 1,25 Millionen Euro Vortragshonorar in zweieinhalb Jahren, sodann Bemerkungen, dass das Gehalt des Bundeskanzlers zu niedrig sei und Merkel einen Frauenbonus habe, lösten einen Sturm der Entrüstung aus. Der "Spiegel" stellte auf der Titelseite die Frage: "Warum macht Steinbrück - 'der Dilettant' - so viel falsch?" In der SPD grassiert die Angst, der Kandidat rede sich um Kopf und Kanzleramt.

In Tschechien erlebte wiederum eine staunende Welt zum Wochenende den Absturz des lange favorisierten früheren Ministerpräsidenten Jan Fischer. Er entpuppte sich in der Präsidentschaftskampagne als farbloser Bürokrat und hat nicht einmal den Einzug in die Stichwahl gegen den lebenslustigen, trinkfreudigen früheren (damals sozialdemokratischen) Regierungschef Miloš Zeman geschafft. Die große Überraschung war das glänzende Abschneiden des 75-jährigen Außenministers Karl Schwarzenberg. Der nach der Flucht seiner Eltern in Österreich aufwachsene Aristokrat mit tschechischem und schweizerischem Reisepass hat die Herzen der jungen, intellektuellen und urbanen Wähler erobert. Ob das zum Sieg in knapp zwei Wochen reichen wird, bleibt noch offen. Bereits sein zweiter Platz ist jedoch eine Sensation und Bestätigung der weltoffenen Haltung in Böhmen und Mähren.

Eine Sensation mit um gekehrtem Vorzeichen spielt sich dieser Tage im einstigen postkommunistischen Musterland Slowenien ab. Inmitten einer folgenschweren Finanzkrise enthüllte die Antikorruptionsbehörde, dass Premier Janez Janša und Oppositionschef Zoran Jankovic über beträchtliche undeklarierte Vermögen ver fügen. Die beiden wichtigsten Politiker (Jankovic ist auch Bürgermeister von Ljubljana) dürften die massiven Vorwürfe politisch kaum überleben können. Kürzlich musste schon der Bürgermeister von Maribor wegen Korruptionsvorwürfen gehen. Für den wirtschaftlichen Niedergang Sloweniens ist die durch und durch korrupte politische Elite verantwortlich. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 15.1.2013)