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Es ist der Studie zufolge eine Mär, dass Migrantinnen grundsätzlich mehr Kinder bekommen.

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Wien - Rund um das Thema Fruchtbarkeit und Geburtenraten kursieren zahlreiche Annahmen - etwa dass die Kinderlosigkeit heute so hoch ist wie nie zuvor oder dass niedrige Geburtenraten kausal eine Folge der Berufstätigkeit von Frauen sind.

Mit einigen dieser Annahmen wollen nun Wissenschafterinnen und Wissenschafter in einer Studie aufräumen. Die Untersuchung mit dem Titel "Zukunft mit Kindern" wurde am Montag an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien präsentiert.

Vergleichsweise weniger Kinder

Der Studie zufolge gibt es in deutschsprachigen Ländern tatsächlich eine vergleichsweise niedrige Geburtenrate von 1,4 Kindern pro Frau. Mit diesem Wert werde aber die Geburtenhäufigkeit innerhalb eines Jahres gemessen. Das ist den Forschern zufolge zwar "bequem", aber nur eine Momentaufnahme.

Zähle man dagegen die Kinder aller etwa 1965 geborenen Frauen bis zum Ende ihrer Fruchtbarkeit, komme man auf eine durchschnittliche Kinderzahl von 1,6: "Ein deutlicher Unterschied, der in der Diskussion der Vergangenheit nicht ausreichend berücksichtigt wurde", sagt Günter Stock, Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, unter deren Federführung die Studie ausgearbeitet wurde.

Weniger Mehrkindfamilien in Österreich

Vor allem in Deutschland sei die niedrige Geburtenrate nur teilweise auf Kinderlosigkeit von Paaren zurückzuführen, heißt es. In Österreich sei der Grund vor allem darin zu sehen, dass es immer weniger Mehrkindfamilien gibt, so Mitautorin Alexia Fürnkranz-Prskawetz vom ÖAW-Institut für Demografie.

Zum Mythos erklärt die Studie das Argument, dass eine niedrige Fertilität kausal mit der erhöhten Erwerbstätigkeit von Frauen zu tun habe: In Skandinavien und Frankreich gebe es immerhin die höchste Erwerbstätigkeit von Frauen, aber auch die höchsten Geburtenraten Europas. Dies habe auch mit der guten Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun.

Keine monokausalen Erklärungen

Allerdings: "Vor monokausalen Erklärungsmustern, die einzelnen familienpolitischen Maßnahmen unmittelbar geburtensteigernde Wirkungen zusprechen, muss gewarnt werden", heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Die Kinderlosigkeit ist laut der Studie auch nicht höher als jemals zuvor: Zwar sei jede fünfte Frau, die um 1965 geboren wurde, kinderlos geblieben - zu Beginn des 20. Jahrhunderts habe aber sogar ein Viertel der Frauen keine Kinder bekommen.

Studie ortet "medizinische Mythen"

Auch einige medizinische Mythen würden sich hartnäckig halten, erklären die Forscherinnen und Forscher. Etwa jener, dass durch die gestiegene Lebenserwartung Frauen länger Kinder bekommen könnten. Die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, sinke weiterhin mit zunehmendem Alter. "Das durchschnittliche Alter für die Menopause liegt konstant bei 51 Jahren", sagt Mitautor Wolfgang Holzgreve, ärztlicher Direktor es Universitätsklinikums Bonn.

Das öffentliche Bewusstsein sei aber oft durch spektakuläre Einzelfälle beeinflusst. Es gebe auch keinen wissenschaftlichen Hinweis dafür, dass sich die Spermienqualität, etwa durch Umweltbedingungen, verschlechtert habe, so Holzgreve. Es stimme allerdings, dass in den 1970er- und 1980er-Jahren das durchschnittliche Alter einer Frau beim ersten Kind bei rund 25 Jahren lag und jetzt bei etwa 30 Jahren. 1981 sei nur bei jeder 16. Geburt die Mutter über 35 Jahre alt gewesen, derzeit bereits bei jeder vierten Geburt.

Keine höhere Fertilität bei Migrantinnen

Die Studie zeigt auch, dass das Ausmaß der Kinderlosigkeit gebildeter Frauen in der Vergangenheit aufgrund fehlender Daten als zu hoch eingeschätzt wurde. Die Pauschalaussage, Immigrantinnen hätten eine höhere Fertilität als einheimische Frauen, stimme ebenfalls nicht. Es gebe eine große Variation der Geburtenrate. In Österreich liegt die zusammengefasste Geburtenziffer für alle Immigrantinnengruppen bei 1,9 mit einem schwachen Rückgang über die Zeit. (APA/red, derStandard.at, 14.1.2013)